Medizin

Depression: Was hilft gegen behandlungsresistente Formen?

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Autor/in
Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell.
Onlinefassung
Martina Janning

Bei manchen Depressionen helfen weder Psychotherapien noch Medikamente. Forschende untersuchen nun Ketamin, Psilocybin und andere Ansätze gegen behandlungsresistente Depressionen.

Es gibt Depressionen, die sehr schwierig zu behandeln sind, weil keine psychotherapeutische und keine der bekannten medikamentösen Behandlungen wirkt. Eine neue Studie untersucht nun, ob das Betäubungsmittel Ketamin in Tablettenform diesen therapieresistenten Patienten und Patientinnen helfen kann. In Phase zwei haben sich gute Ergebnisse gezeigt, berichtet das Fachmagazin "Nature Medicine". Aber es gibt auch andere Ansätze.


Vielversprechende Ergebnisse mit Ketamin als Tablette

Das Betäubungsmittel Ketamin wurde ursprünglich in der Tiermedizin als Betäubungsmittel eingesetzt und ist vor allem als Straßendroge bekannt. Dass es bei der Behandlung von Depressionen wirksam ist, wurde bereits im Jahr 2000 nachgewiesen. Allerdings wird Ketamin nur im sogenannten Off-Label-Use eingesetzt, denn es ist für die Behandlung von Depressionen nicht zugelassen.

Zugelassen ist allerdings die Gabe von Esketamin - einer Schwestersubstanz - als Nasenspray. Gerhard Gründer vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim sagt: "Es ist letztlich nur eine Formalie, dass Ketamin nach wie vor eine Off Label Anwendung ist und Esketamin als Nasenspray zugelassen wurde. Das liegt einfach daran, dass ein Pharmaunternehmen Esketamin zur Zulassung gebracht hat und bei Ketamin kein Interesse daran bestand, weil man damit kein Geld mehr verdienen kann."

Bei der Gabe von Ketamin kann es zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen - wie Bluthochdruck, Benommenheit und Dissoziationen. Damit ist das Gefühl gemeint, dass man von den eigenen Gedanken, Gefühlen und der Umgebung getrennt zu sein scheint. Deshalb darf Ketamin bisher nur unter Aufsicht von medizinischem Fachpersonal verabreicht werden.


Die neue Studie aus Neuseeland zeigt nun in Phase 2, dass eine Einnahme von Ketamin als Tablette die Nebenwirkungen senkt. Denn der Wirkstoff wird so deutlich langsamer ins Blut der Depressiven abgegeben als bei einer intravenösen Gabe oder auch bei der Gabe durch einen Nasenspray.


Gerhard Gründer vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim untersuchtet, ob sich Ketamin als Tablette und der Wirkstoff Psilocybin zur Behandlung von Menschen eignet, die behandlungsresistente Depressionen leiden.
Gerhard Gründer vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim: Er untersucht, ob sich Ketamin als Tablette und der Wirkstoff Psilocybin zur Behandlung von Menschen eignet, die behandlungsresistente Depressionen leiden.

Magic mushrooms Wirkstoff Psilocybin ebenfalls erfolgsversprechend

Ob Drogen und Psychedelika bei therapieresistenten Depressionen helfen können, wird zur Zeit intensiv erforscht. Bereits in der erfolgsversprechenden Phase Drei wird die die halluzinogene Substanz Psilocybin aus den Zauberpilzen, den "magic mushrooms" getestet.

Der Psychiater und Psychotherapeut Gerhard Gründer vom Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim untersucht Psychedelika, die sich gegen die schwer zu behandelnden Depressionen einsetzen lassen. "Es gibt aktuell mindestens vier oder fünf verschiedene Psychedelika, die zur Zulassung gebracht werden sollen. Am weitesten entwickelt und am weitesten in der klinischen Entwicklung ist Psilocybin."

Gründer leitet die bisher größte wissenschaftsinitiierte Studie mit Psylocibin bei behandlungsresistenter Depression und ist sehr zuversichtlich, dass es als Medikament in absehbarer Zeit zugelassen wird.

Gründer: "Aber auch andere Psychedelika werden entwickelt und befinden sich in der Phase 2 oder werden demnächst in die Phase 3 gehen - zum Beispiel 5-MeO-DMT oder auch LSD bei generalisierter Angststörung. Das sind alles Entwicklungen, die jetzt in den nächsten Jahren auf uns zukommen."

Weitere Ansätze mit Botox, Cannabis-Derivaten oder Lachgas hält Psychiater Gründer für sehr interessant, aber noch zu wenig erforscht.

Hirnschrittmacher und Krampftherapien als Alternative

An einem weiteren Zugang - nämlich der Neuromodulation - forscht Thomas Schläpfer, der an der Uniklinik Freiburg die Abteilung für Interventionelle Biologische Psychiatrie leitet. Dort läuft eine Studie zur tiefen Hirnstimulation, die auch bei schwersten Depressionen anwendbar und wirksam ist.

Tiefe Hirnstimulation ist mit Operation verbunden

Die tiefe Hirnstimulation ist als Therapie stigmatisiert, da sie eine Operation am Hirn nötig macht, wie Thomas Schläpfer erklärt: "Das ist ein Verfahren, wo wir mit Elektroden rechts und links symmetrisch das Belohnungssystem stimulieren. Es ist eine Hirnoperation, wo wir durch kleine Löcher im Schädel Elektroden einbauen müssen. Der große Vorteil ist aber, wenn die Löcher verheilt sind, gibt es keine Nebenwirkungen mehr und wir haben bisher gut nachgewiesen, dass es eine Langzeittherapie ist."

Der Vorteil sei, dass Patienten, die den Hirnschrittmacher implantiert bekommen, nicht dauernd Tabletten nehmen müssen. Die so behandelten Patienten und Patientinnen seien geradezu euphorisch, sagt Schläpfer.

Depression: Was hilft gegen behandlungsresistente Formen? Nicht immer ist eine Depression mit einer Psychotherapie behandelbar. Ein Hirnschrittmacher könnte manchen Betroffenen helfen. Aber die Operation hat deshalb ein schlechtes Image.  Psychotherapie-Sitzung
Nicht immer ist eine Depression mit einer Psychotherapie behandelbar. Ein Hirnschrittmacher könnte manchen Betroffenen helfen. Aber die Operation hat deshalb ein schlechtes Image.

Verschiedene Formen von Krampftherapien gegen Depression

Weitere erfolgversprechende Behandlungsformen bei therapieresistenter Depression sind die Elektrokrampftherapie und die Magnetkrampftherapie.

Bei der Elektrokrampftherapie werden die Betroffenen in Narkose versetzt und erhalten über Elektroden am Kopf kurze elektrische Reize, die einen Krampfanfall auslösen. Etwa zehn bis zwölf Sitzungen sind nötig, damit sich Netzwerke im Gehirn neu organisieren können. Die Magnetkrampftherapie funktioniert ähnlich - nur dass der Krampf nicht elektrisch, sondern magnetisch ausgelöst wird.

Aber bisher werden diese Verfahren - genau wie die tiefe Hirnstimulation - nicht in den ärztlichen Leitlinien empfohlen und gelten daher als experimentelle Therapien.

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