Sieben Uhr morgens am Flugplatz Binningen am Bodensee. Johannes Fritz und sein Team treffen die letzten Vorbereitungen. Monatelang haben sie auf diesen Tag hingearbeitet: Sie wollen junge Zugvögel auf einen neuen Weg bringen.
Die bisherige Route führt über die Alpen in die Toskana. Fliegen sie später im Jahr los, schaffen die Waldrappe es wegen der fehlenden Thermik jedoch kaum oder nicht mehr, die Alpen zu überfliegen.
Mit dem Klima ändert sich das Verhalten der Waldrappe
Bis ins 17. Jahrhundert war der Waldrapp in Europa weit verbreitet. Durch intensive Jagd drohte die Vogelart mit dem charakteristischen Aussehen auszusterben. Dank des Waldrapp-Projekts gibt es mittlerweile wieder mehrere wildlebende Waldrapp-Kolonien in Deutschland und Österreich, die normalerweise in der Toskana überwintern. Doch mit dem Klima ändert sich auch das Zugverhalten der Vögel.
Weil die Alpen zur Barriere werden, geht es dieses Jahr nach Andalusien. Die Pyrenäen-Überquerung können die Vögel auch später im Jahr noch gut bewältigen.
Im Karlsruher Zoo gewöhnten sich die Waldrapp-Küken Ende April noch an die Anwesenheit ihrer Ziehmütter Helena und Barbara. Mitte Mai begann dann das Flugtraining am Bodensee. Die Waldrappe lernten, ihren Ziehmüttern zu folgen. Auch, wenn sich diese später in die beiden Ultraleicht-Fluggeräte setzen und ihnen aus der Luft zurufen.
Der Weg nach Spanien ist nicht ungefährlich
Doch wird den Waldrappen die weite Reise nach Spanien gelingen? Die erste Etappe ist nicht ohne Risiko. Die Waldrappe fliegen tiefer als in vergangenen Jahren. So weit unten lauert jedoch Gefahr, viele Hochspannungsleitungen durchkreuzen den Weg.
Doch nach 70 Kilometern Flug landen alle 35 Waldrappe sicher am ersten Etappenziel. Auf der Landewiese gibt es Mehlwürmer zur Belohnung. Geduldig warten die Ziehmütter mit ihren Zöglingen in der Mittagshitze - bis die anderen Teammitglieder die Voliere aufgebaut haben.
Das mobile Zuhause der jungen Waldrappe wird am Boden transportiert und immer wieder auf- und abgebaut. Bis auch der allerletzte Vogel in die sichere Unterkunft einquartiert ist, ist nochmals Geduld gefragt.
Nach drei Jahren sollen die Waldrappe wieder zum Bodensee zurückkehren
Nach einem Tag Pause geht es weiter. Knapp 2.300 Kilometer misst die Strecke nach Andalusien, fast dreimal länger als der Weg in die Toskana. Werden es die Waldrappe schaffen - und auch den Weg zurück finden?
Wenn die Waldrappe wieder zurückfliegen, sollen sie sich der Kolonie in Überlingen am Bodensee anschließen. Drei Jahre wird es dauern, bis die Zugvögel geschlechtsreif sind und den Weg zurück in ihre Heimat suchen.
Auf dem Weg nach Spanien müssen sich die Waldrappe und das Team immer wieder neuen Herausforderungen stellen. Mal bringt starker Wind den Zeitplan völlig durcheinander, mal sorgt eine Greifvogelattacke für Gefahr.
Teile der Gruppe gehen zwischendurch verloren und können wiedergefunden werden – drei der Vögel fehlen allerdings bis heute.
Letztlich ist das Ziel erreicht
Sechs Wochen nach dem Start und 19 langen Etappen ist der Süden Spaniens erreicht. In Andalusien gewöhnen sich die Waldrappe langsam an ihre neue Umgebung. Das spanische Partnerprojekt vor Ort wird sie einige Wochen später in ihre sesshafte Waldrapp-Kolonie integrieren.
Der Flug nach Andalusien ist geschafft. Ob die Waldrappe die neue Zugroute beibehalten, wird sich aber erst dann zeigen, wenn die Zugvögel an den Bodensee zurückkehren.