Bundestagswahl 2025

Rheingold-Studie offenbart Frustration und Ratlosigkeit vor der Bundestagswahl 

Stand
Autor/in
Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell.
Onlinefassung
Emily Burkhart
Portrait Bild der Autorin Emily Burkhart
Richard Kraft
Richard Kraft, Reporter für SWR Wissen Aktuell.

Die Stimmung vieler Wählender ist vor der Bundestagswahl von Verlustgefühlen, Sorgen und Enttäuschung geprägt. Zu diesem Schluss kommt eine tiefenpsychologische Wahlstudie des Kölner Rheingold-Instituts. 

Kurz vor der Bundestagswahl am 23. Februar. Einer Studie des Rheingold-Instituts zufolge, breiten sich Frustration und Ratlosigkeit aus. Im Januar sind dafür 50 Wählerinnen und Wähler in mehrstündigen Interviews nach ihren Ängsten, Sehnsüchten und Wahrnehmungsmustern gefragt worden.

Die Teilnehmenden der Untersuchung des Kölner Rheingold-Instituts waren zwischen 20 und 65 Jahren alt und ihre Parteinähe entsprach der Stimmenverteilung der Wahlumfragen in der ersten Januarhälfte.

Neben den globalen Dauerkrisen wie Kriegen und Folgen des Klimawandels spüren die Wählenden immer stärker auch nationale Krisen, die ihren Lebensalltag unmittelbar treffen, sagt Stephan Grünewald, Diplompsychologe und Gründer des Rheingold-Instituts. Das verstärke das Gefühl unser eigenes Land funktioniere nicht mehr, es ginge uns schlecht.

Der Gründer des Rheingold-Instituts Stephan Grünewald in der Sendung "Hart aber Fair" am 03.01.2020. Das Institut hat nun eine neue Studie veröffentlicht die die Stimmung der Wählenden vor der Bundestagswahl im Februar.
Der Gründer des Rheingold-Instituts Stephan Grünewald in der Sendung "Hart aber Fair" am 03.01.2020. Das Institut hat nun eine neue Studie veröffentlicht die die Stimmung der Wählenden vor der Bundestagswahl im Februar.

Rheingold-Studie: Befragte sehen multiple Krisen 

Das Grundgefühl der Teilnehmenden sei, wir stecken in einem gewaltigen Problemstau fest. Als wichtigstes Thema wird die Migration genannt. Das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger sei durch die jüngsten Anschläge erschüttert. Der Alltag wird durch die marode Infrastruktur, kaputte Straßen und Schienen, Ausfälle an Kitas und Schulen erschwert. Dazu komme die Sorge vor wegfallenden Arbeitsplätzen wegen der stotternden deutschen Wirtschaft und der Kaufkraftverlust durch die Inflation.

Insgesamt herrsche das Gefühl Deutschland sei nicht nur marode, sondern habe auch kein Geld mehr. Das führt zu zugespitzten Verteilungskämpfen, so Grünewald: „Also die Frage ist immer ‚kriege ich noch genug ab‘. Ressentiments sind da: die Fremden, die ins Land kommen, kriegen die nicht viel mehr von unserem Kuchen? Wäre es nicht sinnvoller unsere Verteidigungsfähigkeit zu stärken? (…) Also Glaubensgrundsätze, die lange stabil waren: es ist gut die Ukraine zu unterstützen – die geraten ins Schwimmen und sind Teil der großen Verwirrung, die wir im Moment bei den Wählenden bemerken können.“ 

Multiple Krisen und Probleme bereiten den Wählenden Sorgen. Eine tiefenpsychologische Studie des Rheingold-Instituts hat die Stimmung der Gesellschaft zur Bundestagswahl 2025 untersucht.
Multiple Krisen und Probleme bereiten den Wählenden Sorgen. Eine Studie des Rheingold-Instituts hat die Stimmung der Gesellschaft zur Bundestagswahl 2025 untersucht.

Besonders enttäuscht sind Wählende von der Politik 

Auf die Politik haben viele einen Groll. Von der Ampelregierung fühlten sich Bürgerinnen und Bürger allein gelassen. Durch den ständigen Streit waren die Koalitionsparteien zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Doch auch für die Zukunft fehlten überzeugende Visionen und weder die Kandidaten noch die möglichen Koalitionen überzeugten die Wählenden.  

Dabei sei die Gesellschaft grob in zwei Lager aufgeteilt, so Grünewald: „In eher grünen, linken, bürgerlichen Lagern war so das Gefühl vorherrschend: wenn die AFD drankommt, dann droht der Untergang des Abendlandes und wir müssen jetzt zusammenstehen, wir müssen die Werte der Demokratie verteidigen, und dann, wenn uns das gelingt, dann wird hoffentlich alles wieder gut.“ 

Es zeigt sich also eine idealisierende Tendenz: Man müsse nur zusammenrücken und die Demokratie stärken, dann werde man einen Großteil der Probleme meistern können.

Liberale und konservative Lager unterscheiden sich zur Bundestagswahl deutlich in ihren Ansichten

Das andere, eher konservative oder AfD-nahe Lager dagegen postuliere düster: Der Untergang des Abendlandes sei schon lange da. Jetzt müsse man herausfinden, wer daran schuld ist und den bestrafen.  

Hier gibt es eine starke Sehnsucht nach rigiden Maßnahmen. Dieses Lager fühlt sich gestützt durch Trumps Vorbild, der nach der Wahl zum Präsidenten scheinbar willkürlich durchregiert. Da kommt bei vielen das Gefühl auf: „Sollen wir nicht auch viel egoistischer sein? Sollen wir nicht auch dem Beispiel Tumps folgen und ‚Germany First‘ postulieren? Sollen wir nicht – sagen wir mal ohne Rücksicht auf Verluste – Sachen durchbringen und gucken hinterher erst was passiert?“, erläutert Grünewald.

Seit dem 30. Januar ist Donald Trump wieder im Amt als Präsident der Vereinigten Staaten. Die Stimmung in Deutschland zeigt: In Deutschland wünschen sich viele eine Politik nach seinem Vorbild.

Einen Linksruck habe man nicht feststellen können – eher im Gegenteil 

Dieser Rechtsruck sei in den Interviews klar spürbar gewesen, findet Grünewald. Dabei macht er zwei Gefühle aus, die dazu führen können. Einmal dass der Rückzug ins Private nicht mehr gelingt, weil selbst dort die Probleme nicht mehr ignoriert werden können. Und gleichzeitig das Gefühl, dass der Problemstau riesig ist. Das wecke verzweifelte Sehnsüchte nach einem Befreiungsakt wie ihn Trump in den USA vermeintlich vormacht.  

Beide Lager eint jedoch, dass sie Stillstand und „Weiter so“ für bedrohlich halten. Sie wünschen sich, dass eine zukünftige Regierung die Probleme klar benennt und Lösungen umsetzt, ohne sich parteitaktisch zu zerstreiten. Am besten mit konkreten Handlungsaufforderungen für alle. Das sei wichtig, unterstreicht der Psychologe, denn die Menschen sehnten sich danach mitzumachen. Das habe sich bei der Energiekrise gezeigt, als fast alle Bürgerinnen und Bürger aber auch die Unternehmen mitgeholfen hätten Energie zu sparen, um gut durch den Winter zu kommen.

„Es braucht wirklich die klaren Ziele. Es braucht zweitens das Gefühl, das ist ein Ziel, das für alle gilt, wo auch alle - wie bei der Energiekrise - mitwirken und es muss immer drauf geguckt werden, was kann der Einzelne denn leisten. Wie kann die Selbstwirksamkeit aktiviert werden.  Es gibt eine Sehnsucht nach Vergemeinschaftung, die wir jenseits von Olympia oder Fußballturnieren zelebrieren können in Deutschland“, so Grünewald. Hierfür brauche es aber klare Ansagen. „Und dann sind wir auf einem guten Weg.“ 

SWR1 Sonntagmorgen Wie wählen Menschen mit Migrationshintergrund?

Zwölf Prozent der Wahlberechtigten bei der Bundestagswahl haben eine Migrationsgeschichte. Da liegt ein Riesenpotenzial für die Parteien. Aber was interessiert diese Wählergruppe?

Wahl am 23. Februar 2025 Wahl-O-Mat und Wirby als Wahlhelfer: die Bundestagswahl 2025

Am 23. Februar wird in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt. Du weißt nicht genau, für was die einzelnen Parteien stehen? Dann hilft dir vielleicht der Wahl-O-Mat weiter.

Minderheitsregierung – eine Möglichkeit für Deutschland?

Die scheidende Regierung aus nur noch SPD und Grüne ist faktisch eine Minderheitsregierung. Doch würde solch ein Modell auch nach der Bundestagswahl gut gehen?

Wahlforschung Junge Frauen wählen deutlich linker als Männer

Es gibt große Geschlechterunterschiede im Wahlverhalten. Eine neue Studie zeigt: Jüngere Frauen wählen überdurchschnittlich häufig grün, die Linke oder die SPD.

Kommentare (0)

Bisherige Kommentare
0

Wir freuen uns, dass Sie mit uns und anderen Nutzerinnen und Nutzern über dieses Thema diskutieren möchten.

Bevor Sie loslegen, haben wir eine Bitte: Lesen Sie sich unsere Netiquette durch und beachten Sie diese.

Insbesondere bitten wir Sie um eine faire und sachliche Diskussion. Wir freuen uns besonders über Hinweise, die das Thema dieser Seite weiterbringen, und über eine konstruktive Debatte. Äußerungen, die sich nicht an unsere Netiquette halten, löschen wir ohne Vorwarnung.

Bitte beachten Sie: Die Redaktion prüft alle eingehenden Kommentare. Dies kann die unverzügliche Veröffentlichung verzögern.