Psychische Gesundheit

Wie steht es um die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen?

Stand
Autor/in
Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell.
Onlinefassung
Richard Kraft
Richard Kraft, Reporter für SWR Wissen Aktuell.

Den Kindern und Jugendlichen geht es nach wie vor psychisch schlechter als vor der Corona-Pandemie. Das ist das Ergebnis der sogenannten Copsy-Studie.

Im Herbst 2024 hat jedes fünfte Kind angegeben, dass es Angst habe und auch psychisch belastet fühlt. Die psychische Gesundheit der Heranwachsenden hat sich seit dem Abflauen der Corona-Pandemie zwar etwas verbessert, ist aber längst nicht so gut wie vor der Pandemie. Grund dafür ist die andauernde weltweite Krisenlage und die kontinuierliche Konfrontation damit auf Social Media. Das zeigt die sogenannte Copsy-Studie.

"Denn nach der Corona-Pandemie belasten die Kinder und Jugendlichen nun andere Krisen", erklärt die Autorin der Studie Anne Kaman. So haben die Sorgen der Heranwachsenden in den letzten zwei Jahren deutlich zugenommen.

Verstärkte Zukunftssorgen führen zu höherer psychischer Belastung

72 Prozent der Befragten machen sich große Sorgen in Bezug auf Kriege und Terrorismus. Mehr als 50 Prozent macht sich Sorgen über die wirtschaftlichen Krisen und die Klimakrise. "Diese Zukunftsängste gefährden die Psyche", erklärt Studienautorin Anne Kaman.

Das bedeutet, das Risiko der Kinder und Jugendlichen, durch diese Zukunftssorgen und Ängste, psychische Erkrankungen wie eine Depressionen zu entwickeln, ist dreifach erhöht. "Im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit gibt es daher 5 Prozent mehr psychisch belastete Heranwachsende", berichtet die Psychologin Ulrike Ravens-Sieberer, Leiterin der Forschungsgruppe.

Junge sitzt mit traurigem Gesicht auf dem Boden.
Nach der Corona-Pandemie folgten weitere Krisen, die einen negativen Einfluss auf die psychische Gesundheit von Heranwachsenden haben.

Nicht genug therapeutisches Angebot für belastete Kinder und Jugendliche

"Gleichzeitig gibt es enorme Versorgungsengpässe bei Behandlung und Therapie", so Marcel Romanos, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Er warnt, das System sei bereits stark überlastet und könne vielen Kindern und Jugendlichen, die eine Behandlung brauchten, nicht mehr gerecht werden:

"Man muss bedenken, wenn viele Kinder belasteter sind, bedeutet das, wir haben auch mehr Kinder, die schwerstbelastet sind, mehr Kinder, die suizidal werden, mehr Kinder die intensiver Therapie bedürfen. Das bedeutet das Versorgungssystem ist auf allen Ebenen dadurch mehr belastet."

Damit die Zahl der psychisch belasteten Heranwachsenden nicht noch weiter ansteigt, fordert Romanos nicht nur den Ausbau der Behandlungsplätze, sondern auch eine nationale Strategie zur Prävention. Leider gebe es nur wenige Programme, die zudem kaum auf ihre Wirksamkeit untersucht seien.

Frau mit traurigem Kind. Durch die Stärkung der Selbstwirksamkeit von Kindern und Jugendlichen in der Schule könnte sich die psychische Gesundheit verbessern.
Um Kinder und Jugendliche besser vor zu starker Belastung zu schützen ist es wichtig, dass „Heranwachsende in der Schule lernen sollten, wie sie selbst aktiv werden können, wenn es ihnen psychisch schlecht geht“, sagt die Psychologin Ulrike Ravens-Sieberer.

Schulen sind gefragt, die Selbstwirksamkeit und Selbstregulation der Kinder zu stärken

Dabei sind einige der Schutzfaktoren gut bekannt, findet Ravens-Sieberer: "Wir sehen auch ganz deutlich, dass wenn Kinder und Jugendliche Ressourcen haben, also Möglichkeiten haben selbst auf ihre Gefühle und ihr Befinden einzuwirken, eine hohe Selbstwirksamkeitskompetenz, dann schützt das vor seelischer Belastung."

Selbstwirksamkeit, aber auch Selbstregulation sind wichtige Schutzfaktoren gegen die Überwältigung durch zahlreiche gesellschaftliche Krisen. Ravens-Sieberer fordert daher, dass "Heranwachsende in der Schule lernen sollten, wie sie selbst aktiv werden können, wenn es ihnen psychisch schlecht geht".

Zum Teil gebe es das schon, aber leider nicht flächendeckend und auch nicht gleich gut. Der Unterschied zwischen den Schulen kann teilweise sehr groß sein. „Ich glaube wir brauchen ein allumfassendes und wirklich für ganz Deutschland gutes Konzept und nicht so ein Nebeneinander von Modellprojekten, die dann auch immer wieder aussterben, sondern das muss ein größerer Wurf werden.“

Mädchen liegt im Bett und schaut auf ihr Handy. Durch den ungefilterten Konsum vieler schlechter Nachrichten auf Social Media verschlechtert sich die psychische Gesundheit vieler Kinder und Jugendlicher.
Die konstante Konfrontation mit den andauernden Krisen auf der Welt auf Social Media verstärkt die Zukunftsängste von Kindern und Jugendlichen.

Auch ein gutes familiäres Umfeld ist wichtig für die psychische Gesundheit

Was Heranwachsende noch gegen zu starke psychische Belastungen schütze, seien ein eingeschränkter Konsum von sozialen Medien, ein ökonomisch gesicherter Status der Herkunftsfamilie und gute familiäre Beziehungen.

„Wir sehen ganz deutlich, dass die Kinder, die über ein gutes Familienklima berichten, also die einen strukturierten Tagesablauf haben, aber die sich auch geliebt und unterstützt fühlen, die viel Zeit mit ihren Eltern und in der Familie verbringen, dass die besonders resilient sind und widerstandsfähig diesen Krisen gegenüber.“

Mehr zum Thema

DAK Gesundheitsreport Jeder fünfte Arbeitnehmer leidet unter psychischen Risikofaktoren

Fast ein Fünftel leidet unter Stress, Ängsten oder Depressionen und hat ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zu diesem Ergebnis kommt der neue Gesundheitsreport der DAK.

Psychologie Traumatisiert – Die Psyche im Ausnahmezustand

Traumatische Erlebnisse können sich massiv auf Seele und Körper auswirken. Wissenschaftler erforschen unter anderem, wie sich traumatisierte Kinder entwickeln.

SWR2 Wissen SWR2