Ein neuer Ansatz ist die Telemedizin, also Gespräche per Video. In einem Forschungsprojekt der Uni Heidelberg haben rund 400 Betroffene jetzt Psychotherapie per Telemedizin getestet. Jedoch nicht zu Hause, sondern in den Räumen ihrer jeweiligen Hausärzte.
Dort haben die Probanden per Video mit einer Psychotherapeutin oder einem Therapeuten gesprochen. Das Fazit dazu fiel sowohl von Seiten der Patienten als auch der Therapeuten positiv aus.
Woran das liegt und ob dieses Konzept die Versorgung von Menschen mit psychischen Krankheiten verbessern kann, erklärt Doktor Markus Haun, Oberarzt an der Uniklinik Heidelberg. Er leitet das Heidelberger Institut für Psychotherapie und auch das Forschungsprojekt.
Christine Langer, SWR: Ich gehe zu meiner Hausärztin und hab dann dort einen Videotermin mit einer Psychotherapeutin. Warum haben Sie das so kombiniert?
Dr. Markus Haun: Wir wissen, dass viele Menschen den Weg in die spezialisierte psychosoziale Versorgung, insbesondere Psychotherapie, nur sehr schwer erreichen. Beispielsweise weil sie Zusatzerkrankungen haben aus dem körperlichen Bereich. Wir wissen auch, dass die Empfehlung des Hausarztes, sich in spezialisierte psychosoziale Versorgung zu begeben, ein wesentlicher Faktor ist, dass Menschen das auch tatsächlich tun.
Testgruppe redete mit Therapeutinnen & Therapeuten per Videoanruf
SWR: Wie lief das dann genau ab, dieses Projekt?
Haun: Es gab eine diagnostische Einschätzung durch den Hausarzt. Dort wurde geklärt, inwieweit es Hinweise auf übermäßige Angst oder depressive Symptome gibt. Dann gab es eine Vermittlung seitens des Studienteams zu Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten für die Gruppe, die die neue Therapieform erhalten sollte. Die andere Hälfte der Patienten wurde der Kontrollgruppe zugelost, in der es die übliche Behandlung durch den Hausarzt gab.
Das ist auch die methodische Stärke dieser Studie. Wir erreichen durch die zufällige Zuteilung zu diesen beiden Gruppen den Effekt, dass alle anderen Störfaktoren rausgefiltert werden und wir am Ende mögliche Effekte auf die Behandlungsform auch zurückführen können. In diesem Umfang und auch mit dieser Art des Modells ist die Studie eine der ersten insbesondere im europäischen Raum.
Videoanruf hatte kaum Auswirkungen auf Patienten
SWR: Ich kann mir jetzt persönlich vorstellen, dass eigentlich so ein Videogespräch mit einem Therapeuten, dass man da vielleicht als Patientin eine Hürde hat. Wie haben denn die Probandinnen und Probanden im Projekt darauf reagiert?
Haun: Man muss sich ja überlegen, dass das Projekt noch weit vor der Covid 19 Pandemie begonnen hatte und es damals wesentlich weniger geläufig war, sich per Video auch zu treffen. Das hat sich aber so nicht bestätigt für die Patienten und Patientinnen hat einfach die Erfahrung überwogen, dass man möglichst rasch an einen Therapeuten, an eine Therapeutin verwiesen wird.
SWR: Was konnte denn jetzt diese Art der zusätzlichen Psychotherapie leisten?
Haun: Beide Gruppen haben sich verbessert, sprich waren nach 6 Monaten und auch nach 12 Monaten weniger depressiv und weniger ängstlich. Man hat jetzt aber zusätzlich gesehen, dass die Menschen, die eben unser spezifisches Videokonsultationsmodell erhalten haben, sich nochmal deutlich mehr verbessert haben.
Und zwar um 2 Punkte auf der Skala, auf der wir das gemessen haben. Die Skala hat insgesamt 27 Punkte, das mag jetzt erstmal nicht viel klicken, ist aber für diesen Behandlungsrahmen ein sehr erfreulicher Effekt.
KI-Chatbot vermittelt Psychotherapie-Plätze
Video-Psychotherapie erleichtert Zugang zu Behandlung
SWR: Inwiefern ist es denn besser, dieses Gespräch per Video in der Hausarztpraxis zu führen im Vergleich dazu, dass ich das vielleicht auch zu Hause machen könnte?
Haun: Wir wollten spezifisch die hausärztliche Beziehung und auch die vertraute Umgebung der Hausarztpraxis nutzen. Es ist auch einfach die Erfahrung, dass es immer noch Stigmatisierungsängste gibt und man sich einfach leichter tut, in die Haushaltspraxis zu gehen und dort den Besuch zu machen.
SWR: Was sind denn jetzt so die größten Vorteile ihres Ansatzes? Weil dieses Grundproblem, dass es einfach nicht genug Therapeutinnen und Therapeuten gibt, das ist, damit ja nicht gelöst.
Haun: Genau, und das ist also völlig korrekt, was Sie sagen. Die Zahl der Therapeuten wird dadurch nicht verändert, aber wir haben sozusagen einen besseren Angriffspunkt und kriegen eben bestimmte Gruppen jetzt auch in Psychotherapie oder in psychosoziale Behandlung, die wir vorher nicht erreicht haben, beziehungsweise können wir auch mit wenigen Sitzungen doch auch nachhaltig relevante Effekte erzeugen.
Das kann digitale Psychotherapie leisten
Auch die Therapeuten sahen positive Effekte
SWR: Bei ihrem Forschungsprojekt haben 29 Hausarztpraxen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mitgemacht. Was sagen Sie denn jetzt nach diesen Erfahrungen, ist es aus Ihrer Sicht sinnvoll, dieses Projekt auszuweiten und in die Breite zu bringen?
Haun: Die Hausärzte haben wir danach befragt und dort hat sich gezeigt, dass sie sowohl die positiven Effekte wahrgenommen haben als auch eine gewisse Entlastung.
Es gab natürlich auch eine gewisse Skepsis, insbesondere beim Studienbeginn. Stellen sie sich vor, es kommt zu einer Notfallsituation. Das haben wir spezifisch adressiert, indem wir Notfallprozedere für solche Situationen etabliert hatten, und mit diesen konnten sich die Hausärzte und Hausärzte auch sehr darauf einlassen.