Diese Abkürzung kannte bis vor kurzem kaum jemand: mRNA oder messenger-RNA war etwas für Spezialisten. Doch die Corona-Pandemie hat das Forschungsfeld nach vorne gebracht. Denn der Erfolg des mRNA-Impfstoffs gegen Covid-19 zeigt, dass das Prinzip funktioniert, und dass die Impfstoffe gut verträglich sind und gut schützen.
Lässt sich dieses Erfolgsrezept auf den Schutz vor anderen Krankheiten übertragen, so könnte die mRNA-Technologie die Medizin regelrecht revolutionieren. Aktuell forschen Gruppen weltweit an diversen Anwendungen der medizinischen mRNA. Das geht von der Behandlung von Erbkrankheiten über die Krebsforschung bis hin zu Impfungen gegen Krankheiten wie Malaria.
So funktioniert die mRNA-Technologie
Chemisch gesehen unterscheidet sich die mRNA kaum von ihrer „großen Schwester“, der DNA. In der DNA sind die Baupläne für jegliche Proteine gespeichert – ähnlich wie auf einer Festplatte. Wenn die Baupläne im Körper gebraucht werden, wird aber nicht die Festplatte transportiert. Stattdessen wird der Bauplan ausgedruckt. Dieser Ausdruck, also die mRNA, enthält die gleiche Information, kann aber viel besser transportiert werden.
Der Körper lernt dann von der mRNA, welche Proteine er bilden soll. So kann man mRNA zur Behandlung von Krankheiten nutzen, bei denen ein Protein fehlt oder beschädigt ist. Der wesentlicher Vorteil ist, dass man bei der mRNA zur Anpassung nur die Sequenz verändern muss. Das spart Zeit, so Curevac-Gründer Ingmar Hoerr. Bei anderen Impfstoffen müsse man lange Tierversuche machen.
Krebstherapie mit mRNA
Bei den mRNA-Krebstherapien geht es darum, dem Immunsystem beizubringen, Krebszellen im Körper zu erkennen. Denn die haben eine spezielle Oberfläche, die sich zum Teil von Mensch zu Mensch unterscheiden kann. Durch eine individuell angepasste mRNA kann der Körper lernen, wie der eigene Tumor aussieht und ihn zerstören, bevor er sich ausbreitet.
Curevac testet mRNA-Medikament aus dem Drucker
Auch die Tübinger Firma Curevac forscht an mRNA-Krebstherapien. Gemeinsam mit Tesla entwickelt sie einen mRNA-Drucker. Wie ein 3D-Drucker könnte der das entsprechende, individuelle Krebs-Medikament im kleinen Maßstab produzieren.
In Zukunft könnten die Medikamente so unter Umständen sogar direkt in der Apotheke hergestellt werden. Die Onkologie liefert das individuelle Rezept. In der Apotheke müssen dann nur die Chemikalien eingefüllt werden und das Gerät druckt das Medikament aus, so die Idee.
Biontech entwickelt mRNA-Impfstoff gegen Krebs
Schon lange vor der Pandemie forschte Biontech an einem Impfstoff gegen Krebs. Vor kurzem eröffneten sie eine Phase-2-Studie, bei der Menschen nach einer Darmkrebs-Behandlung mithilfe einer mRNA-Impfung vor einer Rückkehr des Krebses geschützt werden sollen. Bisher wurden solche Patienten dafür nur beobachtet und regelmäßig gescreent. Mit insgesamt 19 Krebsmedikamenten und -produkten ist Biontech in klinischen Studien, vier davon in Phase 2 von 3.
Erste Erfolge bei mRNA-Therapie gegen Leberzirrhose
An der Medizinischen Hochschule Hannover erforschen Professor Michael Ott und Professor Amar Sharma das Schlüsselprotein HNF4-alpha, das bei Menschen mit Leberzirrhosen nur noch wenig vorhanden ist. Bei Mäusen mit dem gleichen Mangel versuchten sie die HNF4-Reserven mit der mRNA-Technik wieder aufzufüllen. Dafür verpackten sie die mRNA so, dass sie nur in der Leber abgelesen werden konnte.
Die Ergebnisse unterm Mikroskop waren eindeutig. Die Schäden in der Leber gingen durch die Therapie zurück, die Leber heilte. Für die Forscher ein wichtiges Zeichen, denn bisher gibt es keine Medikamente gegen eine Leberzirrhose, in schlimmen Fällen bleibt nur die Transplantation.
Doch noch ist die mRNA-Gabe von HNF4-alpha Grundlagenforschung, die Ergebnisse in der Maus kann man nicht eins zu eins auf Menschen übertragen. Auch bei der Verabreichung gibt es noch Probleme. Denn um ein fehlendes Protein bei einem Patienten mit einem genetischen Defekt durch mRNA zu ersetzen, müsste diese alle drei bis vier Tage verabreicht werden – eine Zumutung für den Patienten, so Ott.
mRNA-Technologie hat großes Potential
Noch ist die Forschung nicht so weit, mRNA großflächig zur Therapie einzusetzen. Doch das Potenzial ist groß. Der mRNA-Forscher John Cooke ist sich sicher: In zehn Jahren werden wir viele mRNA-Medikamente und Impfungen zur Verfügung haben und Krankheiten behandeln, gegen die es aktuell keine wirksamen Therapien gibt.