Schülerinnen und Schüler leiden unter Krisenzustand
Die Verhaltensauffälligkeiten der Schülerinnen und Schüler haben stark zugenommen - das macht den Lehrkräften die meiste Sorge und bereitet die größten Probleme beim Unterrichten. Und das hat auch Auswirkungen auf die anderen Schülerinnen und Schüler, die keine Auffälligkeiten zeigen.
Die Coronazeit mit den Lockdowns und gleich darauf der Ukraine-Krieg, die Furcht, dass die Wohnungen nicht geheizt werden können. Jetzt die Beobachtung, dass alles und vor allem die Dinge des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel viel teurer werden und ihre Eltern anfangen, unter der Finanzlast zu stöhnen. Das geht eben nicht spurlos an Kindern und Jugendlichen vorbei.
SWR-Umfrage beendet Wie geht es Ihnen und Ihrer Familie mit den aktuellen Krisen?
Der SWR wollte wissen, wie es Familien in BW geht und wie sie mit den Krisen umgehen. Die Befragung ist beendet, die Ergebnisse kommen bald - darum geht es bei dem Projekt.
Zu wenig Therapieplätze und Unterstützungsangebote
Sie haben weniger Puffer mit positiven Erfahrungen dagegen zu setzen, denn sie sind noch so jung. Sie haben noch nicht mitbekommen, dass es auch wieder aufwärts gehen kann - denn für viele von ihnen ist es seit Corona immer weiter nach unten gegangen. Und wer kann ihnen da raushelfen?
Therapieplätze sind Mangelware und die unterbesetzten Schulsozialarbeiter und Schulpsychologen kriegen diese große Menge an Betroffenen auch nicht gestemmt. Mehr als drei Viertel der Lehrkräfte beobachten Konzentrationsprobleme in ihren Klassen und beklagen eine übermäßige Online-Nutzung. Und die Ängste der Schülerinnen und Schüler nehmen zu - und zwar stark.
Kinder kommen ohne Frühstück zur Schule
Bei vielen bemerken die Lehrkräfte auch Sorgen um die finanzielle Situation ihrer Familie. Das zieht sich durch alle Bevölkerungsschichten. Aber natürlich am stärksten spürbar in sozial schwierigen Lagen. Dort beobachtet jede dritte Lehrkraft, dass den Schülerinnen und Schülern Schulmaterialien fehlen und sie ohne Frühstück in die Schule kommen.
Was könnte da helfen? In der Expertenrunde zur Vorstellung der Lehrkräftebefragung zog Lehrer Stefan Brömel ein ganz klares Fazit: Es braucht eine Revolution, was den Unterricht angeht. Kids, die immer gespiegelt bekommen, 'du weisst nicht genug', 'du kannst nicht genug' - da sucht sich der Frust andere Ventile.
Unterricht braucht Generalüberholung
Ein wertschätzender und individualisierter Unterricht, der jedes Kind dort abholt, wo es steht. Das wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Dazu Schulspeisung und komplette Lehrmittelfreiheit, wie es andere Länder schon vormachen. Das würde verhindern, dass Kinder schon von vornherein schlechtere Chancen haben.
Aber von diesen Idealzuständen sind wir weit entfernt. Und sie werden auch nicht wirklich angestrebt. In unserer krisengebeutelten Zeit sind immer andere Baustellen wichtiger. Das ist schade, denn die Schülerinnen und Schüler von heute sollen uns einmal die Zukunft sichern. Aber wie soll das gehen, wenn wir sie schon so früh verlieren?
Schulen haben zu selten oberste Priorität
Und nun stehen dieser verunsicherten, verängstigten und oft verhaltensauffälligen Schülerschaft Lehrkräfte gegenüber, die bereits heute ihrer Anzahl nach viel zu wenige für die bereits vorhandenen Aufgaben und den Unterricht nach Plan sind. Sie geben als zweites großes Problem die Arbeitsüberlastung an und erklären, viel zu wenig über Inklusion und Integration zu wissen.
Auch hier müsste eigentlich dringend was getan werden, damit die Lehrkräfte mit gutem Gefühl unterrichten können und der Arbeitsplatz Schule wieder attraktiver wird. Dazu müssten aber auch die Sorgen der Lehrkräfte endlich ernst genommen werden und ihre Forderungen nach anderen Arbeitszeitmodellen müssten umgesetzt werden. Auch das wird wieder Geld kosten, das dann zur Krisenbekämpfung an anderen Orten fehlt.
Bildungswesen am Kipppunkt?
Aber in der Bildungskrise ist jetzt auch eine Art Kipppunkt erreicht. Ändern wir jetzt nichts, werden wir scharenweise Lehrkräfte verlieren und letztlich massenhaft Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss und Kompetenzen zurücklassen. Da hilft kein rascher Wumms oder Doppelwumms, sondern nur ein kompletter Umbau.
Bildung Verzweifelt an der Schule – Warum Lehrkräfte aussteigen
Erschöpft, überfordert, desillusioniert: Quer durch alle Schulformen geben Lehrkräfte ihren Beruf auf, obwohl sie ihn lieben. Dabei herrscht schon jetzt Lehrermangel.
Denn wir sind ja leider schon ordentlich tief gefallen - das zeigt sich auch bei den Leistungstests. Jedes vierte Kind kann nach der Grundschule nicht ausreichend lesen und schreiben. Noch weiter abrutschen lassen sollten wir unser Bildungssystem jetzt wirklich nicht mehr.
Hier geht es zum aktuellen Schulbarometer der Robert Bosch Stiftung.