Menschenaffen

Studie erforscht Aggressivität bei Bonobos und Schimpansen

Stand
Interview
Martin Surbeck, Biologe an der Uni Harvard
Moderator/in
Martin Gramlich
Martin Gramlich, SWR Kultur Moderator
Onlinefassung
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.

Bisher wurden Bonobos im Vergleich zu Schimpansen als eher friedfertig eingestuft. Eine neue Studie zeigt allerdings, dass insbesondere Bonobo-Männchen gegenüber anderen Männchen auch aggressiv werden können.

Unsere nächsten Verwandten im Tierreich, das sind zwei Arten von Menschenaffen: die Schimpansen und die Bonobos. Bei Schimpansen und Bonobos herrschte bisher die Vorstellung, dass die beiden Arten in ihrem Verhalten recht unterschiedlich sind.

Von Schimpansen hieß es, dass sie recht schnell aggressiv werden. Bonobos dagegen galten als ziemlich friedliche Artgenossen, als so eine Art "Hippie" unter den Menschenaffen. Doch eine neue Studie rüttelt jetzt an diesem Bild. Veröffentlicht wurde sie kürzlich im Fachmagazin current Biology.

Einer der Autoren der Studie ist der Evolutionsbiologe Martin Surbeck, der an der Harvard Universität lehrt. Impuls-Moderator Martin Gramlich hat mit ihm über die Studienergebnisse gesprochen.

Bonobo-Weibchen sorgen für den Ruf des "Hippie" Affen

Impuls: In ihrer Studie haben Sie gezeigt, dass Bonobos doch gewalttätiger sind als bislang angenommen?

Surbeck: Dieses Bild vom Bonobo als "Hippie Menschenaffen" müssen wir korrigieren, zumindest ein bisschen verfeinern, denke ich. Was wir zeigen, ist einfach, dass Männchen gegenüber anderen Männchen öfters aggressives Verhalten zeigen, als eigentlich dem Ruf entsprechen würde.

Bonobos lösen Konflikte über Sex - dabei machen sie keinen Unterschied beim Geschlecht. Dass sie dennoch auch aggressive Konflikte austragen, ist neu.
Bonobos lösen Konflikte über Sex - dabei machen sie keinen Unterschied beim Geschlecht. Dass sie dennoch auch aggressive Konflikte austragen, ist neu.

Impuls: Bisher hieß es, Bonobos würden Konflikte auch unter Männchen friedlicher regeln als Schimpansen, beispielsweise über Sex, aber auch auf andere Weise. Woher kam dieses Bild von den friedlichen Bonobos?

Surbeck: Wir betrachten in unserer Studie vor allem die Beziehungen zwischen Männchen und Männchen. Ich glaube schon, dass eben diese Weibchen-Weibchen-Verhaltensrollen dazu beigetragen haben, dass wir eben zu diesem Bild gekommen sind: Sie lösen Konflikte durch sexuelles Verhalten.

Auch Weibchen sind sozialer bei Bonobos, leben häufiger in größeren Gruppen. Ich glaube schon, dass der Ruf eigentlich da drauf begründet war.

Weniger Aggressionen gegenüber Bonobo-Weibchen

Surbeck: Ganz anders ist natürlich auch die Beziehung zwischen Männchen und Weibchen. Was wir nach wie vor bei Bonobos sehen, ist, dass die Männchen viel weniger aggressiv gegenüber den Weibchen sind als bei den Schimpansen.

Also wir sehen nach wie vor keine Vergewaltigungen von Weibchen bei Bonobos; Das ist nicht beschrieben, auch nicht in dieser Studie - jetzt, wo wir wirklich sehr viel aggressives Verhalten angeguckt haben. Also dieses Bild bleibt weiter bestehen. Und das macht es auch spannend: Männchen sind gegenüber Männchen öfters aggressiv. Aber auf keinen Fall gegenüber den Weibchen.

Gegenüber weiblichen Bonobos sind die Männchen nicht aggressiv.
Gegenüber weiblichen Bonobos sind die Männchen nicht aggressiv.

Schimpansen und Bonobos zeigen unterschiedliche Ausprägungen von Agession

Impuls: Wie definieren Sie in dieser Studie zu Schimpansen und Bonobos Aggression und Gewalt in Bezug auf diese Gruppen?

Surbeck: Ich glaube, das ist eine wichtige Frage. Es besteht nämlich nach wie vor ein Unterschied zwischen Bonobos und Schimpansen, wenn es darum geht, wie intensiv diese Aggression ist.

Schimpansen verhalten sich so aggressiv, dass sie sogar manchmal Artgenossen innerhalb ihrer eigenen Gruppe und sogar Jungtiere töten. Bei Bonobos wird das nicht beobachtet.
Schimpansen verhalten sich so aggressiv, dass sie teilweise sogar Artgenossen in der eigenen Gruppe und Jungtiere töten. Bei Bonobos wird das nicht beobachtet.

Nur bei Schimpansen ist bislang beschrieben, dass Mitglieder von Gruppen sich gegenseitig umbringen, also tödliche Gewalt zwischen den Gruppen auch innerhalb der Gruppe. Und auch Infantizid - also Kindstötung - ist nur bei Schimpansen beschrieben und nicht bei Bonobos.

Wir haben da nichts in der Beziehung gefunden. Wie wir Aggression definieren, das ist einfach, wenn jemand jemanden jagt. Und das andere ist, wenn die sich schlagen, beißen, berühren, Kontakt-Aggression - die zwei Arten.

Ob es wir haben, beispielsweise nicht geguckt, wie häufig die zu Wunden führen und so weiter. Und ich glaube, es ist nach wie vor in Ordnung, von den Bonobos als friedfertiger zu sprechen, wenn wir eben genau diese intensiven Arten von Aggressionen irgendwie mit ins Bild nehmen.

Langfristige Beobachtung von Bonobos im Kongo mit lokalen Kräften

Impuls: Wie haben Sie das genau untersucht? Wie gehen Sie bei so einer Studie vor?

Surbeck: Diese Forschung kann man nur betreiben, wenn man ein Camp etabliert, wo eigentlich eine permanente Präsenz von Leuten oder von Aktivitäten ist. Da kann man nicht einfach mal hingehen und dann wieder weg und wieder hin, das funktioniert nicht.

Und so haben wir im Kongo jetzt für den für den Bonobo-Teil der Studie eine Feld-Station seit 2017, wo die lokale Bevölkerung Arbeit findet. Die gehen den Bonobos jeden Tag nach. Die sind sehr gut ausgebildet, die zeichnen das Verhalten dieser verschiedenen Bonobo-Gruppen und auch der einzelnen Individuen auf.

Und das hat es ja auch in dieser Studie jetzt ermöglicht, über Jahre hinweg einfach diese Daten zu haben und analysieren zu können.

Agressivere Schimpansen-Männchen haben größeren Paarungserfolg

Impuls: Ihre Beobachtungen in dieser Studie haben jetzt auch ergeben, dass aggressivere Männchen bei den Bonobos, aber auch bei den Schimpansen einen höheren Paarungserfolg hatten. Wie lässt sich das erklären?

Surbeck: Bei den Schimpansen geht man schon davon aus, dass dieses aggressive Verhalten vor allem dazu gebraucht wird, um Rangverhältnisse zwischen den Männchen zu klären, um eben auch um den Zugang zu Weibchen direkt zu kämpfen.

Männliche Bonobos könnten ihren Rang vererbt bekommen, statt ihn sich aggressiv zu erkämpfen.
Männliche Bonobos könnten ihren Rang vererbt bekommen, statt ihn sich aggressiv zu erkämpfen.

Bei den Bonobos bin ich nach eigener Beobachtung noch nicht ganz überzeugt, dass das wirklich das ist, was geschieht. Das kann gut sein, denke ich, dass es bei Bonobos einfach so ist, dass die Männchen einen höheren Rang haben, wenn beispielsweise ihre Mütter sehr hochrangig sind. Der hohe Rang ermöglicht es ihnen dann einfach ein bisschen aggressiver zu sein als niederrangige Männchen.

Es gibt einige Hinweise, die darauf hindeuten, dass die Aggression bei Bonobos mehr eine Konsequenz als ein Ursprung von diesen Rangverhältnissen sind, die wir bei den Männchen sehen.

Männliche Schimpansen verteidigen gemeinsam ihr Territorium gegen Nachbarn

Impuls: Über Ihre Studie ist bereits in einigen großen Medien berichtet worden. Die Schlagzeile heißt dann oft: "Bonobos sind aggressiver als gedacht". Sind sie mit dieser Zusammenfassung zufrieden? Oder müssen wir sagen: Es ist nicht ganz so einfach, wie wie bisher gedacht hatten.

Surbeck: Ja, ich glaube, beides stimmt. Es ist nicht ganz so einfach, wie wir bisher gedacht haben. Ich glaube, es ist nach wie vor extrem faszinierend, dass Männchen am aggressivsten sind gegenüber anderen Männchen, aber eben deutlich weniger gegenüber den Weibchen.

Und ich glaube auch, dass diese Studie zeigt: Das Bild, das wir bisher von den Schimpansen hatten, eben vielleicht auch als sehr aggressiv zwischen den Männchen, dass das eben vielleicht auch nicht ganz so passt.

Also es ist nicht nur so, dass wir das Bonobo-Bild ändern müssten. Vielleicht müssen wir uns auch noch so ein bisschen mehr zum Schimpansen-Bild überlegen.

Weil es scheint schon so, dass die Beziehungen zwischen den Männchen deutlich wichtiger sind bei den Schimpansen, weil Männchen, gemeinsam ein Territorium gegenüber den Nachbarn verteidigen.

Und der Fortpflanzungserfolg jedes Männchens hängt davon ab, dass diese Grenze mehr oder weniger effektiv verteidigt wird. Dazu müssen eigentlich alle mithelfen, mehr oder weniger. Und wenn man jetzt irgendwie zusammen kooperieren will, dann guckt man vielleicht auch zwei, drei Mal vor einen Konflikt.

Das heißt, die Konflikte innerhalb der Gruppe versucht man dann schon auch ein bisschen tiefer zu halten, weil das natürlich dann Auswirkungen hat, wie gut man zusammenarbeitet, um irgendwie dieses Territorium zu verteidigen.

Und dementsprechend denke ich schon, dass es auch Sinn macht, das Schimpansenmännchen mehr in Beziehungen zu anderen Männern investieren und eben auch das kommt, dass sie auch versuchen, die Aggressionraten innerhalb der Gruppen, diese sinnlose Aggression, ob jetzt vielleicht der eine oder andere eine Feige frisst, spielt vielleicht dann nicht so eine weentliche Rolle bei den Schimpansen, vielleicht mehr bei den Bonobos.

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