Angesichts der Kriege in der Ukraine, dem Gaza-Streifen und in anderen Teilen der Welt fällt diese Feststellung nicht ganz leicht: Der Mensch zeichnet sich durch die Fähigkeit aus, auch mit Gruppen oder Individuen außerhalb seiner Bezugsgruppe friedlich und ertragreich zusammenzuarbeiten, auch wenn er nicht von Anfang an einen Benefit davon hat.
Bisher galt der Mensch als das einzige „Tier“, das zu dieser kulturell und ökonomisch äußerst sinnvollen Kooperation mit „Fremden“ fähig ist. Schon bei unseren nächsten Verwandten, den Schimpansen, sieht das ganz anders aus. Derartige Formen der Kooperation konnten bei ihnen bisher nicht beobachtet werden. Vielmehr konkurrieren verschiedene Gruppen um Nahrung und Revier und bekämpfen sich dafür mitunter bis auf's Blut.
Bonobos kooperieren auch mit Mitgliedern anderer Gruppen
Doch das trifft nicht auf alle Schimpansen-Arten zu, wie jetzt der in Harvard lehrende Schweizer Evolutionsbiologe Martin Surbeck mit seiner Kollegin Liran Samuni in einer Studie zeigt, die im Fachblatt Science veröffentlicht wurde. Demnach ist die Zwergschimpansenart der Bonobos fähig, mit Individuen außerhalb ihrer Gruppe strategische Partnerschaften zu bilden.
Wie bei uns Menschen bilden sich diese Netzwerke nicht zufällig zwischen beliebigen Tieren. Eine Voraussetzung ist wichtig, wenn auch nicht ganz überraschend, erklärt Surbeck weiter:
Schon länger ist bekannt, dass Bonobos Konflikte innerhalb ihrer Gruppe in der Regel friedlich beilegen. Dabei spielt Sexualität eine wichtige Rolle. Auch, damit Konflikte nicht erst entstehen. Mehrmals am Tag kopulieren die Tiere mit verschiedenen Partnern. Doch diese sexuellen Kontakte sind eher beiläufig und dauern im Schnitt nur 13 Sekunden.
Auch Weibchen pflegen untereinander erotische Kontakte, ebenso die Männchen. Verhaltensforscher gehen davon aus, dass auf diese Weise soziale Spannungen innerhalb der Gruppe klein gehalten werden, was sich in der Evolution dieser Art als sinnvoll erwiesen hat. Das Gleiche gilt offenbar auch für das kooperative Verhalten gegenüber Individuen außerhalb ihrer Horde. Doch warum hat man dieses Verhalten bei den Bonobos erst so spät entdeckt?
Die Erforschung von Bonobos gestaltet sich nicht einfach
Die Erforschung von Bonobos wird außerdem dadurch erschwert, dass es zwei bis drei Jahre dauert, bis sich die Bonobos an die Wissenschaftler gewöhnt haben und in ihrer Gegenwart entspannt ihr normales Sozialverhalten zeigen. Die Beobachtung der Bonobos ist für die Wissenschaftler eine echte Herausforderung:
Bonobos werfen neues Licht auf die Entwicklungsgeschichte des Menschen
Dort angekommen begleiten die Wissenschaftler die Bonobos den Tag über und notieren ihr Sozialverhalten. Bisher vermuteten die Evolutionsforscher durch die Beobachtung der Schimpansen, dass die Feindseligkeit gegenüber Fremden ein entscheidender Zug in der Natur der Frühmenschen war.
Jetzt gehen die Wissenschaftler angesichts der Beobachtungen bei den Bonobos davon aus, dass beide Modelle der Interaktion mit Fremden – die aggressive Taktik der Schimpansen wie auch die kooperative der Bonobos – in der Entwicklungsgeschichte der Menschen eine Rolle gespielt haben.