Seit Anfang Mai ist die Priorisierung bei Covid-19-Impfungen mit dem Mittel von Astrazeneca aufgehoben. Das heißt, in Praxen können die Ärzt*innen selbst entscheiden, wer den Impfstoff wann erhält. Auch den Zeitraum zwischen Erst- und Zweitimpfung können sie in Absprache mit den Patient*innen frei festlegen. Hier sind aufgrund der Impfstoffzulassung vier bis zwölf Wochen möglich.
Die Impfkommission gibt aber eine klare Empfehlung ab: Zwölf Wochen sollten demnach zwischen den Dosen liegen. Hintergrund sind Beobachtungen, dass der längere Abstand zu einer besseren Wirksamkeit führt. Die Wirksamkeit einer zweimaligen Impfung im Abstand von vier bis acht Wochen liege laut einem Bericht der europäischen Zulassungsbehörde EMA bei 50,4 Prozent. Bei zwölf und mehr Wochen steige sie auf 72,1 Prozent bis 82,4 Prozent an.
Darum wurden die Astrazeneca-Impfungen im März ausgesetzt
Noch im März hatte die Bundesregierung die Astrazenaca-Impfungen vorsorglich ausgesetzt. Der Grund: Meldungen von Thrombosen in den Hirnvenen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung in Deutschland. Inzwischen liegt der Verdacht nahe, dass der Impfstoff die Thrombosen auch tatsächlich verursacht hat. Darauf weisen beispielsweise Forschungsergebnisse der Universität Greifswald hin. Laut der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) sei der Nutzen der Impfung aber in jedem Fall größer als mögliche Risiken.
Hirn-Thrombosen nach Astrazeneca-Impfung: Das wissen wir darüber
Dem Paul-Ehrlich-Institut waren bis zum 29. März 31 solcher Fälle nach einer Astrazeneca-Impfung gemeldet worden. Sie betrafen Frauen zwischen 20 und 63 Jahren, außerdem zwei Männer (36 und 57 Jahre alt). Zunächst hatten deshalb einzelne Bundesländer und Landkreise die Impfungen bei Frauen unter 60 beziehungsweise 55 Jahren ausgesetzt. Dann wurden Menschen unter 60 Jahren hierzulande nur noch in Ausnahmefällen mit dem Mittel geimpft.
Nach eingehender Analyse der Impfdaten sehen Expert*innen inzwischen nur noch geringe Unterschiede zwischen Geschlechtern und Altersgruppen. Der Grund für die Häufung der Fälle bei jüngeren Frauen war wohl, dass gerade diese besonders häufig mit dem Mittel geimpft worden waren – beispielsweise Krankenschwestern und Altenpflegerinnen.
Doch schon bevor diese Fälle bekannt wurden, ist über den Impfstoff von Astrazeneca viel berichtet worden – meistens negativ. Wir sind den Schlagzeilen auf den Grund gegangen.
Klinische Studien: Falsche Dosierung löst Skepsis aus
Impfstoffe gegen Covid-19 sind knapp. Viele Menschen haben noch keine Chance auf einen Impftermin. Doch manche Personen, die schon mit dem Mittel von Astrazeneca hätten geimpft werden können, haben den Impfstoff abgelehnt – zum Beispiel Pflegekräfte.
Dass das Mittel nicht so gut ankommt, liegt wohl auch an handelspolitischen Fragen, wie den Lieferengpässen für die EU. Auch, dass in einer der klinischen Studien versehentlich eine falsche Dosierung verabreicht wurde, trägt wohl nicht zur Vertrauenswürdigkeit bei. Die Zulassung hat das Vakzin aber für die ursprünglich vorgesehene Dosierung mit zwei vollen Impfdosen erhalten. Die fehlerhafte Studie wurde dafür also nicht berücksichtigt.
Der Impfstoff von Astrazeneca wurde in der EU mit einer Wirksamkeit von knapp 60 Prozent zugelassen. Im Vergleich dazu sind die Mittel von Moderna und Biontech mit rund 95 Prozent deutlich wirksamer. Der Astrazeneca-Impfstoff könnte aber trotzdem entscheidend dazu beitragen, die Pandemie zu beenden. Denn je mehr Menschen geimpft sind, desto weniger schwere Verläufe, Krankenhausaufenthalte und Todesfälle gibt es. Damit kann letztlich auch ein überlastetes Gesundheitssystem verhindert werden.
Astrazeneca-Impfstoff verhindert schwere Verläufe
In der klinischen Studie aus dem Dezember kam es bei den mit dem Vakzin geimpften Probandinnen und Probanden zu keinen schweren Covid-19-Verläufen. 21 Tage nach der ersten Impfung gab es unter ihnen keine Covid-19-bedingten Krankenhausaufenthalte und keine Todesfälle. Bei der Kontrollgruppe, die nur ein Placebo gespritzt bekommen hatte, mussten zehn der Menschen ins Krankenhaus, eine Person verstarb. Allerdings sind die Studiendaten noch nicht aussagekräftig genug, um den Schutz vor schweren Verläufen prozentgenau anzugeben.
Übrigens: Eine Wirksamkeit von 60 Prozent bedeutet nicht, dass vier von zehn Menschen trotz Impfung erkranken. Es handelt sich dabei um eine Risikoreduktion. Das heißt, dass es unter den Geimpften 60 Prozent weniger Fälle als unter den nicht Geimpften gab. Bei der Grippeimpfung ist das ein üblicher Wert.
Außerdem wird sich erst noch zeigen, ob die angegebenen Werte zur Wirksamkeit der bisher zugelassenen Impfstoffe so bestehen bleiben. Neue Erkenntnisse von viel mehr geimpften Personen können da noch zu Schwankungen führen. Für Astrazeneca liegt inzwischen ein Pre-Print vor, also eine noch nicht gegen-geprüfte Studie. Sie weist auf eine deutliche höhere Wirksamkeit hin, wenn der Abstand der beiden Impfungen auf zwölf Wochen vergrößert wird.
Impfstoff auch bei Älteren wirksam
In der für Zulassung entscheidenden Studie waren nur wenige Geimpfte älter als 65. Die EU-Kommission ließ auf Empfehlung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) den Impfstoff trotzdem auch für Ältere zu. Für die Ständige Impfkommission war die Datenlage allerdings zu dünn. Deshalb gab sie für Deutschland eine Empfehlung nur für Erwachsene bis 65 Jahre ab.
Neuere, noch unveröffentlichte Studienergebnisse überzeugten die Stiko allerdings. Anfang März sprach sie deshalb auch eine Empfehlung für Seniorinnen und Senioren aus. Gleichzeitig empfahl sie, den zeitlichen Abstand der beiden Impfungen auf zwölf Wochen auszuweiten.
Wirksamkeit gegen Virusvarianten
Gegen die Mutante, die zum ersten Mal in Großbritannien entdeckt wurde, ist das Mittel von Astrazeneca ähnlich wirksam wie gegen die ursprüngliche Variante von SARS-CoV-2. Was die wohl aus Südafrika stammende Variante angeht, sieht es zwar so aus, als ob milde Krankheitsverläufe kaum verhindert werden können. Allerdings war die (ebenfalls noch nicht gegen-geprüfte) Studie klein und Erkenntnisse zu schweren Verläufen gibt es noch gar nicht. Laut Experten gibt es keinen Grund zur Annahme, dass diese nicht mehr verhindert werden können.
Welche Nebenwirkungen sind häufig?
Was Nebenwirkungen angeht, unterscheidet sich der Impfstoff von Astrazeneca kaum von den anderen Mitteln. Begleiterscheinungen wie Müdigkeit, Kopfschmerzen und Fieber kommen bei allen Covid-19-Impfstoffen ziemlich oft vor. Beim Mittel von Astrazeneca treten sie aber tatsächlich etwas häufiger auf. Genau genommen sind solche Nebenwirkungen aber sogar erwünscht: Sie deuten darauf hin, dass das Immunsystem auf die Impfung anspringt und sich ein Schutz entfaltet.
Was ist mit anaphylaktischen Schocks?
Auch in Zusammenhang mit dem britisch-schwedischen Vakzin wurden jetzt schwere allergische Reaktionen beobachtet. Laut der EMA seien 41 Fälle (Stand 12.3.) anaphylaktischer Schocks bei einer Gesamtzahl von fünf Millionen Impfungen beobachtet worden. Das Sicherheitskommitee konnte zumindest in einigen Fällen einen Zusammenhang mit der Impfung nicht ausschließen. Dass solche schweren allergischen Reaktionen auftreten, ist aber keine Spezialität des Mittels von Astrazeneca. Im Gegenteil: Anaphylaktische Schocks sind bei den Impfstoffen von Biontech und Moderna schon länger bekannte Nebenwirkungen.
Und was ist mit Blutgerinnseln?
In mehreren europäischen Ländern sind nach einer Astrazeneca-Impfung Fälle von Thrombosen – also Blutgerinnseln – aufgetreten. Als Vorsichtsmaßnahme haben beispielsweise Dänemark und Norwegen Anfang März mit Impfstopps reagiert. Teilweise wurde das Impfen mit dem Mittel komplett eingestellt, in einigen Ländern wurden nur bestimmte Chargen ausgesetzt. Am 15. März folgte dann auch ein kurzfristiger Impfstopp in Deutschland, wegen überdurchschnittlich vieler Hirnvenenthrombosen nach der Impfung.
Dass es einen zeitlichen Zusammenhang zwischen den Symptomen und den Impfungen gab, muss nicht unbedingt heißen, dass der Impfstoff die Ursache für die Blutgerinnsel war. Ob es eine Verbindung zwischen Impfstoff und Thrombosen gibt, wird jetzt geklärt. Die Impfstopps seien den Behörden zufolge reine Vorsichtsmaßnahmen gewesen.
Weil Ende März in Deutschland aber noch deutlich mehr Fälle bekannt wurden, vor allem bei Frauen unter 60 Jahren, wurden die Impfungen für diese Altersgruppe gestoppt. Es ist inzwischen wahrscheinlicher geworden, dass die bis Ende März 31 gemeldeten Fälle von Sinusthrombosen im Gehirn tatsächlich durch den Impfstoffs von Astrazeneca ausgelöst wurden. Eine Arbeitsgruppe um Andreas Greinacher von der Universität Greifswald hat einen möglichen Mechanismus entdeckt, wie die Thrombosen entstehen könnten. Die noch nicht gegen-geprüfte Studie enthält aber noch einige offene Fragen.
Astrazeneca selbst sieht kein erhöhtes Risiko von Blutgerinnseln in Verbindung mit seinem Corona-Impfstoff (Stand 14.3.). Eine Analyse aller verfügbaren Sicherheitsdaten von mehr als 17 Millionen Menschen, die in der Europäischen Union und in Großbritannien bis zu diesem Zeitpunkt mit diesem Vakzin geimpft wurden, habe keine Hinweise dafür ergeben. Die Zahl der Thrombosen sei geringer als sie unter natürlichen Umständen zu erwarten wäre.
Thrombosen kommen generell häufig vor
Clemens Wendtner, Hämatologe an der München Klinik Schwabing, stimmt dem zu. Bis zum 10. März wurden laut der EMA 30 Fälle von thromboembolischen Ereignissen bei mehr als fünf Millionen mit dem Astrazeneca-Impfstoff geimpften Personen im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gemeldet. Das entspricht einem Risiko von circa 1:170.000.
Außerdem betont Wendtner, dass das Risiko, an einer durch Covid-19 ausgelösten Thrombose Schaden zu nehmen, um ein Vielfaches höher sei.
In zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung wurden beim Mittel von Biontech in Großbritannien übrigens ähnlich viele Fälle wie beim Astrazeneca-Impfstoff gemeldet (Stand 8.3.): Da waren es 14, zwei davon verliefen tödlich. Beim Biontech-Impfstoff waren es 17, ein Fall verlief tödlich.
Bedenken zur Charge in Österreich wurden von der EMA inzwischen übrigens ausgeräumt. In Großbritannien wurde durchgehend weitergeimpft. Also dort, wo der Impfstoff von Astrazeneca entwickelt wurde und wo schon viele Menschen das Mittel verabreicht bekommen haben. Phil Bryan von der britischen Aufsichtsbehörde für Arzneimittel (MHRA) sagte einer Mitteilung zufolge: