Linguistik

Warum werden Sprachen oft so anders geschrieben, als sie gesprochen werden?

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Gábor Paál
Gábor Paál

Im Französischen gibt es fast kein Wort, das man so schreibt, wie man es spricht. Warum schreibt man z. B. "Bordeaux" statt "Bordo"?

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Wir müssen uns klar machen, dass unsere Art, die lateinischen Buchstaben auszusprechen, nicht das Maß aller Dinge ist. Jede Sprache hat ihre eigene Art, Schriftzeichen bestimmten Lauten zuzuordnen. Auch wir haben im Deutschen "komische", "unlogische" Buchstabenkombinationen wie ch, ck und sch.

Aber es stimmt schon: In manchen Sprachen ist die Schrift näher an der Aussprache als in anderen. Im Spanischen zum Beispiel gibt es kaum Doppeldeutigkeiten .Wenn man die Grundregeln erstmal kennt, kann man auch beim Lesen unbekannter Wörter nicht viel falsch machen. Im Türkischen ist es auch so. Die Türkei hat die lateinische Schrift ja erst 1928 eingeführt, ist deshalb noch recht nah an der Sprache, wie sie heute gesprochen wird. Die Regeln sind zum Teil andere als im Deutschen, aber sie lassen trotzdem wenig Raum für Missverständnisse.

Im Französischen dagegen müssen sich alle Schüler mit all diesen scheinbar überflüssigen Buchstaben herumquälen, die geschrieben werden, aber nicht ausgesprochen werden. Oder nehmen Sie das französische Wort für Wasser: Da stehen drei Vokale nebeneinander: e-a-u und gesprochen werden sie als genau der Vokal, der nicht da steht, nämlich als O. Und selbst wenn im Plural ein X dazu kommt – ähnlich wie in Bordeaux – wird das trotzdem nicht gesprochen.

Französische Schrift im 9. Jahrhundert festgelegt

Am Beispiel des Französischen kann man ein deutlich machen, woher das kommt. Die Französische Schrift wurde in den Grundzügen im 9. Jahrhundert festgelegt. Es war das erste Mal, dass im romanischen Sprachraum die Entscheidung fiel zu sagen: Das, was wir sprechen, ist kein Latein mehr, sondern etwas Neues, was auch nach einer neuen Schreibweise verlangt. Dieses "Altfranzösisch", wie wir heute sagen, war aber noch näher am Lateinischen als das heutige Französisch. Manche der heute "stummen" Buchstaben wurden damals noch ausgesprochen.

Seitdem aber hat sich das Französisch deutlich verändert – stärker als die meisten anderen romanischen Sprachen. Die Schreibreformen dagegen blieben, vor allem seit Einführung der Académie française im 17. Jahrhundert, ziemlich konservativ. Das Französische war ja auch die Lingua franca in Diplomatie und Handel – auch deshalb hat man sich mit tiefgreifenden Reformen eher schwergetan. Wir haben das aber auch in der Diskussion um die deutsche Rechtschreibreform erlebt: Die Schrift soll nicht nur die Aussprache abbilden, sondern sie soll auch auf die Abstammung eines Wortes verweisen. Deshalb schreiben wir und die Franzosen noch immer viele Wörter, die aus dem Griechischen stammen, mit ph – anders als die Schweden und Spanier, die sich konsequent für das f entschieden haben.

Man muss allerdings dem Französischen zugute halten: Trotz der vielen "überflüssigen" Buchstaben gibt es dennoch klare Regeln, wann und wie ein bestimmter Buchstabe ausgesprochen wird – im Gegensatz zum Englischen.

Englisch ist extrem

Da kann man sich auf Ausspracheregeln kaum verlassen. Da liest man l-e-a-d und je nachdem kann das LIED ausgesprochen und "führen" bedeuten oder LÄDD – "Blei". Das Problem mit dem Englischen: Dessen Schreibweise wurde – anders als die aller anderen genannten Sprachen – nie wirklich reformiert. Und nachdem das Englische heute die mit Abstand wichtigste Weltsprache ist, sind die Chancen für eine wirklich substantielle Schreibreform denkbar gering.

Insofern werden wir mit diesen Problemen weiter leben müssen. Wenn man sie aus der Welt schaffen wollte, gäbe es nur eine Lösung: Wir müssten die bisherige Rechtschreibung in allen Sprachen durch die internationale Lautschrift ersetzen. Aber das wäre wohl kaum durchsetzbar und würde andere Probleme schaffen.

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Das Wort kommt aus der hebräischen Bibel, also dem "Alten Testament“, und zwar aus dem zweiten Satz. Der erste lautet bekanntlich: Am Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde. "Bereschit bara Elohim et haSchamaim we‘et ha‘arez“, und dann geht es gleich weiter: va ha‘arez hajita tohu vavohu. Und die Erde war wüst und leer. Dieses "wüst und leer“ ist somit nichts anderes die Lutherübersetzung des biblischen "Tohuwabohu“ ("b“ und "v“ werden im Hebräischen durch den gleichen Buchstaben dargestellt)
"Tohu“ bedeutet so viel wie "leer“, "vohu“ entspricht dem deutschen Begriff öde oder eben wüst. Und das "wa“ heißt einfach nur "und“. Also eigentlich steht da, strenggenommen nicht: Die Erde war wüst und leer, sondern umgekehrt: leer und wüst. Aber die Freiheit hat sich Luther genommen.
Diesen Ursprung des Ausdrucks kennen heute viele nicht mehr – heute ist Tohuwabohu einfach ein Synonym für Chaos – was ja in der Bibel auch gemeint war: Die Welt war völlig unsortiert. Es gab keine Trennung von Land und Wasser, noch nicht einmal von Licht und Finsternis. Das war das Tohuwabohu der Bibel.
Sprachlich interessant ist auch, dass der Bibeltext zwei klanglich ähnliche Wörter verwendet, eben "tohu“ und "bohu“. Das ist ein sprachliches Stilmittel, ein "Homoioteleuton“ – das kennen wir im Deutschen auch in Ausdrücken wie: "Klein, aber fein“, "richtig und wichtig“, "Lug und Trug. Aber diesen Gleichklang von Tohuwavohu ins Deutsche zu übertragen, das hat selbst der sprachverliebte Martin Luther nicht geschafft. Auf "wüst“ reimt sich nun mal nichts Passendes. Wenn man es drauf anlegt, könnte man texten: Die Erde war öde und schnöde … aber das trifft nicht wirklich den Zustand des Tohubabohu. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

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