Evolution

Warum schrumpeln Finger, wenn sie lange im Wasser sind?

Stand
Autor/in
Gábor Paál
Gábor Paál

Audio herunterladen ( | MP3)

Auffallend: nur Finger schrumpeln – Rest des Körpers bleibt glatt

Auffallend ist ja, was alles nicht schrumpelt: Die Haut am Rest des Körpers – den Armen, den Beinen, dem Rücken – bleibt im Wasser glatt. Aber die Finger und die Zehen schrumpeln, werden wellig.

Über die Gründe gibt es verschiedene Ansichten. Die Standard-Lehrmeinung besagt: Das Schrumpeln geschieht passiv: Die Hornhautzellen können viel Wasser aufnehmen und quellen dadurch. Der tiefere Grund ist: Die Hornhautzellen sind zwar biologisch abgestorben, aber sie enthalten noch relativ viele Salze – Wasser strebt, wenn es kann, immer Richtung Salz nach dem Prinzip der Osmose. Also dringt Wasser in die Zellen und die quellen auf.

Warum bildet sich ein Wellenmuster – die Haut könnten ja einfach dicker werden?

Das liegt unter anderem daran, dass wir praktisch überall dort, wo sich viel Hornhaut bildet, auch Papillarlinien haben – die dünnen Rillen, die unseren Fingerabdruck ausmachen. Die gibt es auch an den Zehen. Überall, wo wir diese Papillarlinien haben, sind die oberen Hautschichten eng mit der Unterhaut verbunden. Sie kann sich somit nicht einfach frei ausdehnen. Deshalb schlägt sie, wenn sie aufquillt, dieses Wellenmuster. Das ist jedenfalls die Standarderklärung.

Im Jahr 2011 kamen aber US-Forscher noch mit einer anderen möglichen Erklärung. Sie sagen: Das Schrumpeln ist vielleicht doch ein Vorgang, an dem der Körper aktiv beteiligt ist. Der evolutionäre Sinn könnte sein, dass, wenn die Hände nass sind, ein Gegenstand, den man mit schrumpeligen Fingern hält, nicht so leicht aus der Hand rutscht. Die Furchen im Schrumpelfinger hätten somit die gleiche Funktion wie die Rillen in einem Autoreifen. Wären die Finger nass und trotzdem glatt, wäre immer ein Wasserfilm zwischen Haut und Gegenstand – der würde leicht aus der Hand rutschen. Die Schrumpelfinger dagegen geben der Hand zusätzlich "Profil" und bewirken, dass das überschüssige Wasser abfließen kann – jedenfalls hat der Neurowissenschaftler Mark Changizi diese Möglichkeit ins Spiel gebracht.

Belege für die "Rutsch-Stop-Theorie"

Mark Changizi belegt seine Theorie mit zwei Indizien. Das eine ist ein uralter wissenschaftlicher Aufsatz, der ihn überhaupt erst auf den Gedanken gebracht hat. Viele Forschungen aus früheren Jahrzehnten geraten ja völlig in Vergessenheit, wenn sie nicht weiter verfolgt werden. Und so hat Changizi einen Artikel aus den 1930ern entdeckt, in dem schon mal jemand festgestellt hat, dass Finger nicht schrumpeln, wenn Nerven, die in die Fingerspitze führen, beschädigt oder durchtrennt sind.

Das würde im Umkehrschluss bedeuten, dass das Schrumpeln zumindest auch durch Nervenimpulse ausgelöst wird und nicht nur eine passive Quellreaktion auf das Eindringen von Wasser ist.

Zweiter Hinweis: Bei allen Menschen ähnelt sich das Schrumpeln mehr oder weniger. Es entsteht kein wirres zufälliges Muster, wie man es vielleicht bei einem rein passiven physikalischen Vorgang erwarten würde, sondern es entstehen immer relativ gerade Furchen, die von der Fingerspitze wegführen. Genau dieses Muster wäre zur "Entwässerung" der Finger auch besonders effektiv. Auch das wäre also eine interessante Erklärung, auch wenn sie noch nicht bewiesen ist.

Vielleicht kommt ja auch beides zusammen, in dem Sinn, dass der Körper das Schrumpeln zwar aktiv steuert, dass aber trotzdem das eindringende Wasser erst die Voraussetzungen schafft, dass er das überhaupt kann.

Genetik Haben eineiige Zwillinge identische Fingerabdrücke?

Nein! Die Handlinien und Fingerabdrücke sind zwar oft ähnlich, aber nie identisch. Man hat bisher noch keine Zwillinge gefunden, die tatsächlich identische Fingerabdrücke hatten. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Körper Warum sind unsere Finger unterschiedlich lang?

Weil das am besten unseren Bedürfnissen entspricht. Andernfalls wären sie ja entweder alle gleich lang oder gleich kurz. Lauter kurze Finger wären unpraktisch. | Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Musik Warum sind die Klaviertasten so merkwürdig angeordnet?

Früher gab es in der europäischen Musik nur die weißen Tasten. Doch dann brauchten die Stücke mehr Möglichkeiten und Klangräume, um sich entwickeln zu können. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Gelenke Ist Fingerknacken schädlich?

Viele denken, dass es die Gelenkteile sind, die aneinander reiben. Aber die Medizin sagt, dass das Geräusch auf Gase zurückgeht, die freigesetzt werden. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Popkultur Warum haben die meisten Comicfiguren nur vier Finger?

Viele Comicfiguren haben nur einen Daumen und drei weitere Finger. Natürlich sind vier Finger leichter zu zeichnen, aber das ist nicht der einzige Grund. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Gesten Warum ist der Mittelfinger der "böse" Stinkefinger?

Das geht auf die Antike zurück. Die Römer kannten den Finger als "digitus impudicus". Von Gábor Paál. Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Derzeit gefragt

Redewendung Man sagt: "Das kommt mir spanisch vor." Warum nicht italienisch oder französisch?

Als Karl V. im Jahr 1519 zum König von Deutschland gewählt wurde, zog er mit seinem spanischen Hofstaat nach Deutschland. Zur Verwunderung der Deutschen. Karl sprach nicht gern Deutsch und wenn, dann nur mit seinem Pferd. Von Rolf-Bernhard Essig

Hygiene Wie sollte man Perlatoren und den Duschkopf reinigen?

Kalk ist eine gute Grundlage für mikrobielles Wachstum und schafft eine große Oberfläche. Mit der Säure, die man benutzt, um den Kalk wegzumachen, holt man die Mikroben heraus. Von Markus Egert | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Linguistik Wie hat sich die Grammatik von Sprachen entwickelt?

Die Sprachentwicklung sieht man anhand von Spuren. Die Vergangenheitsform lautete zum Beispiel früher: "Ich reden tat", die heute zu dem Wort "redete" mit Endung verschliffen ist. Von Gábor Paál. Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Redensart Warum haben Adelige "blaues Blut"?

Der Ausdruck "blaues Blut" hat seinen Ursprung wohl in Spanien ("sangre azul"). Das hat mit den Adern zu tun, die bläulich durch die Haut schimmern. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Redewendung Woher kommt die Redewendung "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing"?

Minnesänger zogen früher von Hof zu Hof, um mit Singen für ihren Unterhalt zu sorgen. Und da war es besser, den Grafen oder Fürsten, dem der Hof gehörte, nicht zu verärgern. Von Rolf-Bernhard Essig

Sexualität Wie entsteht Homosexualität?

Eine endgültige Erklärung gibt es noch nicht, aber es sieht so aus, dass Homosexualität zwar in gewisser Weise angeboren ist, aber trotzdem nicht direkt vererbt wird. Von Gábor Paál | Dieser Beitrag steht unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Klima Versprühen Flugzeuge am Himmel Aluminium, um eine weitere Klimaerwärmung zu verhindern?

Nein, stimmt nicht. Es ist eine Verschwörungstheorie, die sich seit Jahren hält: Die „bösen Amerikaner“ sprühen, damit sie an ihrer Klimapolitik nichts ändern müssen, stattdessen Metalle in die Atmosphäre, sodass die die Sonnenstrahlen reflektieren und sich das Klima auf diese Weise wieder abkühlt ... Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.