Gewaltaufrufe in heiligen Schriften – nicht nur im Islam
Ich will Sie nicht beunruhigen, aber: Ja. Es steht im Koran. Es steht aber auch in der Bibel "Aug um Auge, Zahn um Zahn". Solche Passagen, die zu Gewalt auffordern, finden sie in jeder heiligen Schrift, auch wenn sie sich aus unserer heutigen Sicht schlimm anhören und lesen.
Texte aus dem Kontext ihrer Zeit verstehen
Die Frage ist ja, wie wir mit solchen Versen umgehen und sie verstehen. Heißt das, ich muss heute jeden Ungläubigen töten, der meinen Weg kreuzt? Diese Frage ist natürlich mit "nein" zu beantworten, denn auch die Bibel und andere spirituelle Texte versteht man nur im Kontext ihrer Zeit. Man kann sie ja gar nicht vollständig in die heutige Zeit übertragen. Das haben die Christen mit ihrer Bibel geschafft und die Juden zum Teil mit ihrer Thora.
Das müssen die Muslime zum Teil auch noch schaffen. Ich will nicht sagen, dass es alle bisher hinbekommen haben, aber zumindest was das Töten von Ungläubigen betrifft, sehe ich in Europa momentan keine wirkliche Bedrohung oder Gefahr, dass dieser Vers jemals wortwörtlich ausgelegt wird.
Steckt darin eine Geringschätzung Andersgläubiger, die gefährlich sein könnte?
Diese Bedenken brauchen Sie nicht zu haben. Wenn wir von der Kernaussage ausgehen, dass Allah der einzige Gott ist, müssen wir bedenken, dass Christen im Orient "Allah" als Wort für Gott verwenden. "Allah" ist ein arabisches Wort, das nicht nur die Muslime für sich gepachtet haben, sondern auch Christen. Das heißt, "Allah" ist lediglich die arabische Übersetzung des Wortes "Gott". Das ist eine Sache, die in den Medien auch falsch transportiert wird. Arabische Christen, Freunde von mir, sagen auch "Allah" zu ihrem Gott, der übrigens unser aller Gott ist.
Zum anderen machen solche Verse, die im Koran enthalten sind, nicht die Mehrheit aus. Außerdem sind sie zu ganz bestimmten Zeiten offenbart worden, zum Beispiel zu Kriegszeiten. Da war es im damaligen Verständnis schlüssig, solche Verse zu offenbaren, dass man also Feinde bekämpfen und unter Umständen sogar töten darf. Heute allerdings befinden wir uns nicht in einem Krieg, auch wenn immer wieder der "Kampf der Kulturen" heraufbeschworen wird.
SWR 2010
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Mit dem Tod Mohameds begannen politische und strategische Überlegungen: Wer sollte legitimer Nachfolger des Propheten werden? Infolgedessen wurde der ein oder andere Kalif ermordet und es kam zur Spaltung. Von Lamya Kaddor