DNA-Analysen in der Lebensmitteluntersuchung

Honig: Viel weniger von der Biene als gedacht?

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Gordian Arneth / SUPER.MARKT rbb, 27.01.2025
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Stefan Warbeck

Gepanschter Honig könnte verbreiteter sein, als viele annehmen - auch bei Markenprodukten. Eine neue Analysemethode soll Fälschungen entlarven.

Honig ist beliebt: Wir Deutschen essen im Durchschnitt etwa ein Kilogramm Honig pro Jahr, weltweit steigt der Konsum. Um Deutschlands Hunger auf Honig zu decken, müssen 58 Prozent des Honigs importiert werden. EU-weit sind es 40 Prozent. Vor allem aus der Ukraine, Mexiko, Argentinien und China kommen die Importe. Aber das erfahren Verbraucher meist nicht - auf dem Etikett steht lediglich, ob der Honig aus EU- oder Nicht-EU-Ländern stammt.

Dabei gibt es sowohl in Super- als auch in Biomärkten große Preisunterschiede: 500-Gramm kosten zwischen drei und acht Euro. "Genau deshalb ist der Honigmarkt so umkämpft, weil man damit auch hohen Gewinn machen kann", erläutert Britta Schautz, Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Berlin. Gleichzeitig sei die weltweite Honigproduktion eingeschränkt, denn sie hinge davon ab, wie die Witterung sei, wie gesund die Bienen seien und ob der Imker davon überhaupt leben könne.

Fast jede zweite getestete Probe Honig ist gepanscht

Eine 2023 veröffentlichte Untersuchung der Europäischen Kommission ergab, dass fast jede zweite getestete Honigprobe gestreckt war, zum Beispiel mit Sirup auf Mais, Reis- oder Zuckerrübenbasis. So wird die Herstellung verbilligt. Besonders betroffen: Importe aus China. Bei dem geschützten Naturprodukt Honig ist das Mischen - etwa mit Zuckersirup - jedoch verboten.

Doch die Kontrollbehörden sind machtlos gegen die betrügerischen Einfuhren. Laut Schautz seien Untersuchungen immer nur stichprobenartig möglich - so werde längst nicht jede Fälschung entdeckt. Gleichzeitig wüssten auch die Fälscher, wie analysiert werde, ergänzt Schautz. Die Betrugsmethoden würden dementsprechend ständig angepasst.

Onlinehandel für Fälscher-Zutaten

Die Sirup-Produkte, mit denen der Honig gepanscht wird: Flüssige Süßstoffe, Bienen-Enzym, Glukose, Mais, Hochfruchtsirup für Honig. Sie alle können zum Beispiel auf chinesischen Online-Plattformen gekauft werden. Eine Lieferung nach Deutschland ist problemlos möglich.

Dass diese Produkte im Internet verkauft würden, sei nicht in Ordnung, so Schautz. Aber: "Der Onlinehandel ist riesengroß, und die Kontrollbehörden kommen da überhaupt nicht hinterher."

Um gefälschte Honige aufzuspüren, nutzen Labore bislang chemisch-physikalische Methoden, die Zuckerprofile bestimmen und Zuckersirup-Rückstände aufspüren. Doch immer mehr Experten halten diese Verfahren für unzureichend.

DNA-Analysen sollen echten Honig erkennen

Erste Labore setzen daher auf moderne DNA-Analysen, bei denen die im Honig enthaltene DNA untersucht wird, um Pflanzenarten zu identifizieren, die die Bienen besucht haben. Ein detailliertes DNA-Profil spricht für echten Honig, während wenige Informationen auf Verfälschungen hinweisen.

Der Deutsche Berufs- und Erwerbsimkerbund hat die DNA-Analysemethode an 30 zufällig ausgewählten Honigen aus deutschen Supermärkten getestet. Das Ergebnis: 80 Prozent der Proben seien gefälscht. "Und was ebenso schockierend war: Es waren namhafte Marken dabei, darunter Bio-Honige und fair gehandelte Honige", berichtet Bernhard Heuvel, Vizepräsident des Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbundes. Bei den günstigen und sehr, sehr billigen Honigen sei das aufgrund des Preises zu erwarten gewesen, "aber die Verfälschung zog sich wirklich durch die gesamte Bank."

Doch durch die Konkurrenz der gefälschten Honige gingen die Preise derart in den Keller, dass Imker nicht mehr davon leben könnten, so Heuvel. "Wir bräuchten eigentlich mindestens acht Euro oder mehr pro Glas", folgert er.

72.000 Pflanzenarten für detaillierte DNA-Proben

Michael Traugott vom Institut für Ökologie Innsbruck leitet eines von zwei führenden Laboren in Europa, die auf DNA-Analysen für Honig spezialisiert sind. Laut ihm ist die DNA-Analytik "bestens dazu geeignet", Honige zu charakterisieren, das hätten Untersuchungen verschiedener internationaler Forschungsgruppen gezeigt.

Weltweit seien von Tausenden von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Tiere, Pflanzen, Mikroorganismen gesammelt, bestimmt und bestimmte Abschnitte der DNA abgelesen worden. An die 72.000 Pflanzenarten seien bereits auf diese Art mit ihren DNA-Codes erfasst worden.

Prüfprozesse für Honig sind umstritten

Auch das ARD Kompetenzcenter Verbraucher hat ein Labor mit der Untersuchung einer Stichprobe beauftragt. Mit dabei: Eine Auswahl von Honigen von Edeka und Rewe, darunter zwei Eigenmarken, zwei mittelpreisige Produkte und ein Fairtrade-Honig. Dazu im Test: ein regionaler Honig aus einem Biomarkt. Das Ergebnis der DNA-Analyse des Labors: Vier der sechs Honige fallen durch. Ihr DNA- Profil weiche zu stark vom typischen Profil eines Honigs ab. Damit bestätigt das Labor die bisherigen Untersuchungen nach diesem Verfahren.

Die Industrie zeigt sich vom Ergebnis unbeeindruckt. Langnese antwortet auf die Bitte nach Stellungnahme, die Prüfprozesse seien nicht voll ausgereift und die verwendeten Datenbanken nicht international repräsentativ. "Wir gehen davon aus, dass die von unseren Laboren genutzten (…) Methoden zur Qualitätskontrolle einwandfreie Ergebnisse liefern." Die Antwort von Edeka liest sich ähnlich: "Unsere eigenen Analysen geben keinen Anlass, an der Reinheit des Produkts zu zweifeln.“ Auch Breitsamer und Rewe sind von ihren Testmethoden überzeugt. Sie kritisieren zudem den neuen DNA-Test. Hersteller Breitsamer bezweifelt, dass die diskutierte DNA-Methodik geeignet sei, zuverlässig echte Honige von gestreckten Honigen zu unterscheiden. Auch Rewe ist der Ansicht, dass die DNA-Methode keine wissenschaftlich fundierte Grundlage bietet.

Lebensmittelaufsicht in der Pflicht beim Honig-Krimi

Dr. Matthias Kopetzky beschäftigt sich als Wirtschaftsforensiker unter anderem mit der Aufdeckung von Lebensmittelbetrug. Er verteidigt die neue DNA-Analyse beim Honig: "Bei den Gerichten ist die DNA-Methode so eingeführt, dass wir Leute, die damit überführt werden, ein Leben lang ins Gefängnis stecken. Aber für den Honig soll es nicht reichen." Das könne er sich nicht vorstellen.

Wen sieht Kopetzky in der Pflicht, eindeutige Honig-Ergebnisse zu liefern? Die Lebensmittelaufsicht der einzelnen Länder wird seiner Meinung nach stärker gefordert werden: "Die wird in der nächsten Zeit genauer hinschauen müssen, wird auch aufrüsten müssen." Derzeit sei es mehr oder minder eine Initiative der Bienenwirtschaft, diese neuen Methoden überhaupt ins Spiel zu bringen.

Europaweit gibt es schon Bewegung. Das finnische Ministerium für Land- und Forstwirtschaft erklärt, der DNA-Methode aufgeschlossen gegenüberzustehen. In Österreich hat Spar Eigenmarken aus dem Sortiment genommen, um sie zu überprüfen.

Lässt sich echter deutscher Honig am Geschmack erkennen?

Die Kunden wünschen sich echten Honig, am besten aus Deutschland. Die Realität sieht vielfach anders aus. Worauf können Verbraucher also achten, um echten Honig zu kaufen - und keinen gefälschten? Der Berufsimker Martin Müller aus dem brandenburgischen Briesen geht davon aus, dass der gepanschte Honig weniger Eigengeschmack hat: "Ich habe bei mir im Angebot 15, 16 Sorten Honig, und ich könnte jeden von der Sorte her irgendwie auch rausschmecken."

Die Geschmacksprobe fällt vielleicht nicht jedem so leicht. Deshalb rät der Imker Verbrauchern, deutschen Honig zu kaufen, auch wenn dieser bis zu acht Euro pro Glas kosten könne. Ein Qualitätsmerkmal laut Müller: die Imkeradresse auf dem Etikett.

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Gordian Arneth / SUPER.MARKT rbb, 27.01.2025
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Stefan Warbeck