2018 war das bisher wärmste Jahr in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Und eines mit besonders geringem Niederschlag. Felder und Weiden vertrockneten.
Über Wochen wusste Landwirtin Annabelle Gérard darum nicht, wie sie ihre Milchkühe satt bekommen sollte. Einige ließ sie deshalb außerplanmäßig schlachten, die übrigen fraßen, was sie finden konnten: vertrocknetes Gras, Laub, Hecken.
Gérard bewirtschaftet, gemeinsam mit anderen, den biologischen Demeter Hof Tangsehl in Ostniedersachsen – einer der ohnehin schon trockensten Region Deutschlands. Um an diesem Standort auch in Zukunft ausreichend Futter für ihre Milchkühe zu haben, machte sie sich auf die Suche und wurde fündig.
Ganzheitliches Weidemanagement aus Afrika
Das Holistic Management, auch bekannt unter dem Begriff "ganzheitliches Weidemanagement", wurde im südlichen Afrika entwickelt und kann dabei helfen, auch in Trockenzeiten ausreichend Gras auf den Weiden zur Verfügung zu haben.
Stark vereinfacht sieht die neue Art der Beweidung so aus: Die Tiere fressen nicht mehr, wie üblich, eine große Weidefläche komplett ab, sondern werden jeden Morgen und jeden Abend auf eine neue, kleine Fläche getrieben. Dadurch wird das Gras nie ganz abgefressen, kann sich schneller erholen und wächst gleich wieder nach. Zusätzlich wird die Fläche durch Harn und Kot der recht eng stehenden Tiere gut gedüngt. Ihre Hufe treten einen Teil des Grases in den Boden ein, wodurch eine Mulchschicht entsteht, die vor Austrocknung schützt.
Mehr Futter trotz größerer Herde
Und der Effekt der ganzheitlichen Weidewirtschaft? Mehr Futter und eine sicherere Versorgung mit Futter. Und das, obwohl Gérard ihre Herde sogar noch einmal vergrößert hat. Zwar hat sich Gérards Arbeitsaufwand um eine Stunde pro Tag erhöht, für die dadurch wiedergewonnene Handlungsfähigkeit nimmt sie das jedoch gerne in Kauf.
Seit dem Dürrejahr 2018 und den ebenfalls sehr trockenen Jahren 2019 und 2020 beginnen immer mehr Betriebe mit einer Umstellung auf das ganzheitliche Weidemanagement. Aus ganz Deutschland berichten Landwirtinnen und Landwirte von großen Erfolgen durch diese Art des veränderten Beweidens.
Wasserversorgung aus Rüben
Eine andere Alternative zur Wasserversorgung gibt es im Osten Niedersachsens: Das im Wasserspeicher Stöcken gespeicherte Wasser mit einer Wasserfläche von circa 15 Hektar stammt aus den Rüben der nahegelegenen Zuckerfabrik Uelzen, der größten in Deutschland.
Nach der Ernte im Herbst werden die Rüben bis in den Winter hinein verarbeitet. Große Mengen Wasser fallen dabei an, denn Zuckerrüben bestehen zu etwa 75% aus Wasser. Durch ein zehn Kilometer langes Rohr wird eben dieses Rübenwasser dann in das Speicherbecken gepumpt, insgesamt 750.000 Kubikmeter im Jahr. Im April beginnen die umliegenden Landwirte mit der Beregnung ihrer Flächen, spätestens Ende Juli sind die Becken dann wieder leer.
Wasserspeicher aus Holzabfällen
Einen ganz anderen Ansatz, mehr Wasser im Boden zu halten, hat Gibson Nyanhongo, Dozent an der Universität für Bodenkultur in Wien, entwickelt. Aus Holzabfällen stellt er ein biologisch abbaubares sogenanntes Biogel her. In Granulatform wird es auf dem Acker verteilt, in die obere Bodenschicht eingearbeitet und verbessert so die Wasserhaltefähigkeit des Bodens für etwa zehn Jahre.
Das junge StartUp AgroBiogel startet gerade mit der Produktion von zwei Tonnen Biogel pro Tag. Noch sind die Mengen zu gering, um es im großen Stil an alle Interessenten verkaufen zu können. Ende des Jahres, mit dem Bau einer zweiten Produktionsstätte, soll das jedoch möglich sein. Großes Interesse gibt es daran vor allem in Afrika und dem Nahen Osten, aber auch aus Australien und Südamerika haben sich schon Interessenten gemeldet, sagt Keith Nyanhongo, Marketingmanager von AgroBiogel und Sohn von Gibson Nyanhongo.
Wo Deutschland zu viel Wasser hat
Zeitgleich kommt ein Wasserproblem ganz anderer Art auf uns zu. Denn während einige Landwirte viel Geld dafür bezahlen, um mehr Wasser auf ihre Äcker zu bekommen, kämpfen die Küstenregionen zunehmend damit, weniger Wasser auf ihren Flächen zu haben.
Durch den Klimawandel steigt der Meeresspiegel an und die Zeiten, in denen das Wasser frei ins Meer laufen kann, werden immer kürzer. Anstelle einer passiven Entwässerung mit Ackergräben und Kanälen muss also mit Hilfe von Schöpfwerken und Pumpen zunehmend aktiv entwässert werden. Das jedoch kostet viel Energie.
Währenddessen erinnert in Deutschland das Frühjahr 2022 wieder daran, wie wichtig es ist, sich schnell an die veränderten Niederschlagsmuster anzupassen. Denn allein im März 2022 hat es so wenig geregnet wie noch nie seit dem Beginn der Aufzeichnungen.