Wahnvorstellungen, Halluzinationen und Denkschwierigkeiten: Schizophrenie betrifft allein in Deutschland etwa 800.000 Menschen. Für Schizophrenie gibt es Risikofaktoren, die eine Erkrankung wahrscheinlicher machen:
- Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen
- Mangelernährung
- eher geringe Intelligenz
Auch traumatische Erfahrungen erhöhen die Gefahr, was wohl der Grund dafür ist, dass Flüchtlinge mehr als doppelt so oft unter Schizophrenie leiden als andere.
Doch auch wer von keinem dieser Faktoren betroffen ist, kann schizophren werden. Denn über 60 Prozent des Risikos sind ererbt. Das heißt aber nicht, dass es das Schizophrenie-Gen gäbe, sagt Professor Peter Falkai, Chef der Uni-Psychiatrie der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Oft beginnt die Krankheit mit psychischen Auffälligkeiten, die erst im Nachhinein als Vorboten erkannt werden. Meist bricht sie bei jungen Erwachsenen aus. Nur jeder fünfte Schizophrene schafft es in eine reguläre Beschäftigung. Auch stabile Partnerschaften bleiben oft ein unerfüllter Wunsch.
In einer Studie mit Patientinnen und Patienten aus Mannheim war nur etwa ein Viertel der Schizophrenen verheiratet, bei einer gesunden Vergleichsgruppe waren es zwei Drittel. Zusätzlich leiden Schizophrene besonders oft unter körperlichen Erkrankungen: der Atemwege, des Verdauungsapparates und des Herz-Kreislauf-Systems.
Soziale Beziehungen sind für Schizophrene oft ein großes Problem
Betroffene sterben im Schnitt ein Dutzend Jahre früher als andere. Auch die Medikamente gegen Schizophrenie, sogenannte Neuroleptika, haben schwere körperliche Nebenwirkungen.
Vor allem soziale Beziehungen sind für Schizophrene oft ein großes Problem. Schon als Heranwachsende, wenn sich erste Anzeichen der Krankheit zeigen, haben sie meist nur wenige enge Beziehungen.
Psychotherapeutinnen und -therapeuten wie die Hamburger Psychologieprofessorin Tania Lincoln versuchen daher, die sozialen Fähigkeiten der Betroffenen zu fördern. Denn oft haben die Patienten Erfahrungen gemacht, die ein Stück weit erklären, warum sie sich verfolgt fühlen.
Wo beginnt eine psychische Krankheit?
Ohnehin sind die Grenzen zum Normalen fließend, wie Tania Lincoln in einer Umfrage unter 350 Deutschen ohne psychische Erkrankung herausgefunden hat. So war ein Viertel überzeugt, im Leben eine besondere Mission erfüllen zu müssen. Zehn Prozent glaubten, dass ihre Gedanken manchmal so laut wären, dass andere sie hören könnten. Doch solche Symptome können derart massiv werden, dass kein Weg an der Diagnose einer psychotischen Störung vorbeiführt.
Ein häufiges Symptom der Schizophrenie sind auch Halluzinationen. Viele Patienten und Patientinnen hören Stimmen. Die kommentieren beispielsweise, was sie gerade tun, und machen nicht selten abschätzige Bemerkungen. Oder sie erteilen Befehle, was der Patient tun oder lassen soll. Dann kann es für die Umgebung gefährlich werden, denn die Stimmen können sogar Morde anordnen.
Könnten Psychologen oder Psychiater frühzeitig eingreifen?
Sie können zumindest erkennen, dass Gefahr besteht, sagt Andreas Bechdolf, Psychiatrie-Professor und Chefarzt am Vivantes Klinikum Am Urban in Berlin. Er weiß, dass 75 Prozent der Patienten fünf bis sechs Jahre vorher schon Symptome haben, etwa Veränderungen beim Denken und der Wahrnehmung und fehlende Konzentration.
Eindeutige Zeichen wie Wahn oder Halluzinationen treten allerdings nicht auf. Sollten Ärzte den oft jungen Betroffenen trotzdem vorsorglich Neuroleptika verschreiben? Viele Expertinnen und Experten raten zu größter Vorsicht. Denn wie verlässlich diese Mittel eine Schizophrenie verhindern können, ist unklar.
Einigermaßen sicheren Schutz bieten sie jedenfalls nicht. Dafür drohen schwere Nebenwirkungen wie Bewegungsstörungen und Übergewicht. Vor allem aber: Die meisten jungen Menschen mit den gleichen Symptomen werden auch ohne Behandlung nie an einer Schizophrenie erkranken.
Psychotherapie genauso effektiv wie Medikamente
Mehrere deutsche Experten, unter ihnen Charité-Chefpsychiater Andreas Heinz, forderten daher im Sommer 2019 in der Fachzeitschrift Psychological Medicine, die Hilfeeinrichtungen für Menschen mit diesen Symptomen nicht länger „Früherkennungszentren“ zu nennen.
Laut dem Berliner Psychiatrie-Professor Andreas Bechdolf ist der Literaturstand im Moment so, dass eine Psychotherapie genauso effektiv ist wie eine Pharmakotherapie mit einem Antipsychotikum. Und die Leitlinienempfehlungen sind derzeit die, dass man eher eine Psychotherapie machen sollte, weil diese Therapie weniger Nebenwirkungen hat. Und sie hilft auch den Menschen, die am Ende doch keine Psychose bekommen.
SWR 2019