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Mit Mentoring zum Schulerfolg – Mehr Chancen für benachteiligte Jugendliche

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Autor/in
Britta Mersch
Britta Mersch
Onlinefassung
Candy Sauer

Vielen Kindern fehlt in der Schule und im Leben ein Vorbild und das Zutrauen, eigene Bildungswege zu gehen. Ehrenamtliche Mentoren können helfen, damit künftig mehr Jugendliche aus Arbeiterfamilien studieren und eine bessere berufliche Qualifikation erreichen.

Mentoring-Programm „Kinderhelden“ setzt auf ganzheitliches Lernen

Das Programm „Kinderhelden“ wird bundesweit an verschiedenen Standorten angeboten. Linn Schöllhorn ist Geschäftsführerin von „Kinderhelden“ und hat die Initiative mitgegründet: „Kinderhelden ist kein Nachhilfe-Programm. Das ist uns ganz wichtig, weil bei uns auch das ganzheitliche Lernen im Vordergrund steht. Aber da sagen wir 50 Prozent auf den schulischen Bereich und 50 Prozent auf den außerschulischen Bereich bezogen. Weil wir gemerkt haben, dass es für die Tandems wichtig ist, auch ein gemeinsames Ziel zu haben. Sei es beispielsweise besser Lesen zu können, das kleine Einmaleins gut umzusetzen. Wir wissen aber, dass diese schulische Förderung nur dann gelingt, wenn ein guter Beziehungsaufbau da ist und dass die Persönlichkeitsentwicklung wichtig ist.“

Deshalb unternehmen die Mentorinnen und Mentoren viel mit den Kindern. Damit die erfahren, was alles in ihnen steckt.

Rund 1.200 Mädchen und Jungen wurden 2021 durch die „Kinderhelden“ gefördert – nicht nur beim Lesen, sondern auch in Mathematik oder den Naturwissenschaften. Alle Mentoren durchlaufen ein mehrstufiges Aufnahmeverfahren. Es gibt vorab Gespräche mit den Kindern, die ins Programm aufgenommen werden, damit die Tandems wirklich zusammenpassen. Um die Effekte beurteilen zu können, wird die Initiative wissenschaftlich evaluiert. Die Ergebnisse eines Tübinger Beratungs- und Forschungsunternehmens zeigen:

„Die Kinder lesen besser und flüssiger, sie verstehen besser das Gelesene und haben da mehr Freude dabei. Wir haben festgestellt, dass das Selbstbewusstsein der Kinder gestiegen ist. Wir haben festgestellt, dass in vielerlei Hinsicht bei den Bereichen, die uns wichtig sind, dass da ja wunderbare Verbesserungen stattfinden.“

Ein Junge und ein Student sitzen im Schneidersitz auf dem Boden und üben lesen: Rund 1.200 Mädchen und Jungen wurden 2021 durch die „Kinderhelden“ gefördert – nicht nur beim Lesen, sondern auch in Mathematik oder den Naturwissenschaften.
Rund 1.200 Mädchen und Jungen wurden 2021 durch die „Kinderhelden“ gefördert – nicht nur beim Lesen, sondern auch in Mathematik oder den Naturwissenschaften

Bildungserfolg hängt noch immer stark vom Elternhaus ab

In Deutschland hängt der Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen stark mit dem Elternhaus zusammen, das zeigen Erhebungen seit der ersten Pisa-Studie immer wieder. Der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft hat diesen Befund im Herbst 2021 noch einmal bestätigt. Für die Studie wurden gemeinsam mit der Unternehmensberatung McKinsey Daten des Statistischen Bundesamts und des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung neu ausgewertet. Heraus kam: Von 100 Arbeiterkindern, die eine Grundschule besuchen, schaffen 27 den Sprung an eine Hochschule. Bei Kindern aus Akademikerhaushalten sind es 79, also dreimal so viele.

Die Studie zeigt auch: Nehmen Arbeiterkinder ein Studium auf, sind sie genauso erfolgreich wie die Kommilitonen, deren Eltern einen Hochschulabschluss haben. Doch vielen Kindern bleibt der Weg an die Uni verwehrt. Entscheidend ist der sogenannte sozioökonomische Status der Eltern.

Der Psychologe Felix Süßenbach arbeitet beim Stifterverband, war an der Auswertung beteiligt und nennt die Ursachen hierfür:

„Weniger Einkommen, weniger Bildung und weniger Erfahrungen mit dem Studium. Das sind die wichtigen Faktoren, vermutlich auch in dieser Reihenfolge.“

Ehrenamt: „Balu und Du“ will fehlende Rollenvorbilder schaffen

Die Studie der Stifterverbands zeigt auch: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind ein Gymnasium besucht, ist für Akademikerkinder deutlich höher als für Kinder aus Nichtakademikerhaushalten. Und es ist schwer, später noch nachzusteuern. Ein Grund sind fehlende Rollenvorbilder: Menschen, die Mut machen, neue Wege zu gehen. Deswegen müssen die Weichen für einen erfolgreichen Bildungsverlauf schon früh gestellt werden, am besten in der Grundschule.

Da setzt das Mentoringprogramm „Balu und Du“ an, das bundesweit an mehr als 100 Standorten angeboten wird. In Trier zum Beispiel vom Caritasverband. Die Idee: Ehrenamtliche Mentorinnen und Mentoren kümmern sich um Kinder im Grundschulalter, die im Alltag etwas mehr Aufmerksamkeit gebrauchen können.

Einmal pro Woche treffen sich die Tandems und unternehmen etwas zusammen. Anders als bei den Kinderhelden geht es alleine um Freizeitaktivitäten. Der Schulstoff bleibt außen vor.

Von der Idee des Mentorings ist Julia Steinert überzeugt; sie ist die Programmverantwortliche von „Balu und Du“ in Trier. Die Kinder profitieren enorm, das habe sie schon bei vielen Tandems beobachten können. Julia Steinert: „Die Moglis kommen ja oft aus Familien, wo es ganz schwierig ist, wo auch in der Freizeit nicht viele Möglichkeiten bestehen, noch mehr von der Welt kennenzulernen, außer das elterliche Haus. Und „Balu“ öffnet ihnen ganz oft eine neue Welt, die sie sonst nicht erfahren würden und wo sie auch zahlreiche Lernerfahrungen machen können. Und zum anderen ist es natürlich auch oftmals „Balu“ die einzige vertrauensvolle erwachsene Person in ihrem Leben, die natürlich auch ein tolles Vorbild abgibt, wenn die Beziehung gewachsen ist.“

Verbessertes Sozialverhalten und neue Bildungsperspektiven durch Mentoring

Diese Beobachtungen werden auch von der Wissenschaft bestätigt. Pia Pinger ist Wirtschaftsprofessorin an der Kölner Universität. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die Bildungsverläufe von Kindern und Jugendlichen. Gemeinsam mit anderen Forschenden untersucht sie, wie das Elternhaus Entscheidungen in der Bildungsbiografie prägt. Pinger hat erhoben, wie das Mentoring-Programm „Balu und Du“ bei Kindern wirkt.

Tatsächlich konnte das Forschungsteam nachweisen: Durch das Mentoring bewegt sich bei den Kindern etwas.

„Die zwei Haupteffekte, die wir gefunden haben in unseren Studien, ist einmal, dass das Kind sich verändert in seiner Prosozialität, also zum Beispiel hinsichtlich seines Vertrauens, hinsichtlich seines Altruismus anderen Menschen gegenüber ganz anders begegnet.“

Die Kinder übernehmen also Verhaltensweisen, die sie bei ihren Mentorinnen und Mentoren beobachten. Das Programm eröffnet aber auch neue Bildungsperspektiven.

„Kinder, die an dem Programm teilgenommen haben, haben eine um elf Prozentpunkte erhöhte Wahrscheinlichkeit, in der fünften Klasse das Gymnasium zu besuchen. […] Wir beobachten die ja weiter und wir sehen, dass diese Effekte auch sehr persistent sind. Also ist es nicht so, dass die dann auf dem Gymnasium scheitern, sondern die haben ähnliche Noten und bleiben nicht öfter sitzen, sind relativ erfolgreich, verbleiben auf dem Gymnasium, sodass quasi diese Effekte auch in dem neunten und zehnten Schuljahr noch weiterhin sichtbar sind.“

Ein erstaunlicher Befund. Schließlich sind die Treffen zwischen Mentoren und Kindern nur auf ein Jahr angelegt. Aus Sicht von Bildungsforscherin Pia Pinger ist der Zeitpunkt der Teilnahme ganz entscheidend für diese Entwicklung. Denn die Kinder kommen mit den Mentoren zusammen, wenn sie die zweite oder dritte Klasse der Grundschule besuchen – also vor dem Übergang auf eine weiterführende Schule.

Mentoring hat nicht nur Abi und Universitätsabschluss zum Ziel

Wie viele Mentoringprogramme es gibt, lässt sich nicht genau beziffern. Doch neben den bundesweiten Anbietern gibt es viele kleine Initiativen. Sie alle haben das gleiche Ziel: Kindern und Jugendlichen die Chance zu geben, den Bildungsweg zu gehen, den sie sich wünschen.

Das soll nicht bedeuten, dass nur das Abitur oder ein Hochschulstudium ein erfülltes Leben ermöglichen. Ein Abschluss an einer Hauptschule, einer Realschule oder eine Berufsausbildung bieten auch viele Chancen, um die eigenen Lebensträume zu erfüllen.

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