Mobbing ist allgegenwärtig: Die PISA-Studie von 2015 hat gezeigt, dass 15 Prozent aller Schüler gemobbt werden. Die Auswirkungen sind gravierend. Mobbing beeinträchtigt das Lernklima und führt zu schlechteren akademischen Leistungen. Und:
Obwohl jede Schule und wohl auch jede Klasse von Mobbing betroffen ist, wird dem Thema bislang nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Die Schulen verstehen sich nach wie vor in erster Linie als Ort der Wissensvermittlung.
Zwar gibt es vermehrt Schulsozialarbeiter und auch immer wieder einzelne Aktivitäten an Schulen zu diesem Thema, doch keine grundlegende Auseinandersetzung damit. Mit dem "Olweus Präventions-Programm gegen Mobbing und antisoziales Verhalten" kann das anders werden.
Drei Schlüsselkriterien des Mobbings
Dan Olweus (*1931) war ursprünglich Schulrektor in Stockholm (Schweden) und erhielt dann eine Professur in Bergen (Norwegen). Als im Jahr 1982 drei norwegische Jungen Selbstmord begingen, nachdem sie anhaltend und schwer gemobbt worden waren, begann er mit Studien zum Mobbing. Bislang wurde sein Programm vor allem in skandinavischen Ländern und den USA eingesetzt und evaluiert.
Mobbing unterscheidet sich von anderen Konflikten durch drei Schlüsselkriterien: Es geht dabei um negative Handlungen eines Einzeltäters bzw. einer Einzeltäterin oder einer Gruppe, welche wiederholt und über einen längeren Zeitraum stattfinden und mit einer schädigenden Absicht in einem Kräfte-Ungleichgewicht handeln.
Olweus-Programm: kontinuierliche Arbeit mit allen Beteiligten
Ein grundlegender Unterschied zwischen dem Olweus-Programm und anderen Präventionsprogrammen gegen Mobbing ist, dass die Auseinandersetzung mit den sozialen Themen in der Schule durchgängig während des gesamten Schuljahres und mit allen stattfindet. Also mit Lehrkräften, den Kindern und allen anderen am Schulleben Beteiligten. Das kostet Zeit. Aber unter dem Strich wird diese Zeit an anderen Stellen wieder hereingeholt.
Vier knappe Regeln
Das Olweus-Programm besteht aus vier knappen Regeln:
- Erwachsene fungieren als Vorbilder, und zwar Lehrkräfte und Eltern. Sie greifen ein, wenn sie sehen, dass etwas nicht stimmt.
- Es gibt klare Ansagen, welches Verhalten an der Schule nicht akzeptiert wird.
- Wer sich nicht daran hält, muss mit Konsequenzen rechnen.
- Es gibt eine positive Anteilnahme an die Schüler. Das heißt, dass auch Schülerinnen und Schüler aufeinander achten. Alle stehen in einer Beziehung zueinander.
Falsche Vorstellungen vom "typischen" Opfer oder Täter
Über Mobbing gibt es immer noch viele falsche Vorstellungen. Ein Mythos lautet, dass manche Kinder ein bestimmtes Verhalten an den Tag legten, das sie zu prädestinierten Tätern oder Opfern machen würde.
Studien belegen zwar, dass gemobbte Kinder tatsächlich häufiger körperlich eher unterlegen sind. Doch alle anderen angeblichen Besonderheiten lassen sich auch bei drei Vierteln der anderen Kinder finden. Auch die Vorstellung, dass Mobber im Innersten eigentlich unsicher seien, lässt sich nicht belegen.
Mobber und Gemobbte – Mitläufer und Passive
Ein weiterer Mythos lautet, Mobbing würde ständig zunehmen und sich zu einem immer dramatischeren Problem entwickeln. Tatsächlich gibt es seit den 1980er Jahren quantitative Studien dazu. Sie zeigen, dass der Prozentsatz an Mobbing-Vorfällen im Prinzip relativ stabil bleibt. Vielleicht ist Mobbing eben bis zu einem gewissen Grad unvermeidbar, wenn Kinder sich als soziale Wesen entwickeln und Gruppenverhalten lernen.
In den Klassengesprächen, die Teil des Olweus-Programms sind, lernen die Kinder, dass zum Mobbing nicht nur der Mobber und der Gemobbte gehören. Alle sind mit verantwortlich dafür, dass Mobbing möglich ist. Allen voran die Mitläufer des Mobbers, aber genauso die Unbeteiligten, die sich raushalten und nicht aktiv werden.
Olweus-Programm: Mobbing geht in Norwegen um 35 Prozent zurück
Das Olweus-Programm hat sich in mehreren Meta-Studien als der effektivste aller bestehenden Ansätze erwiesen. In Norwegen reduzierte sich Mobbing an Schulen, die das Programm einsetzen, um 35 Prozent. Durch das Olweus-Programm nimmt zudem die Schwere und die Dauer von Mobbing ab. Und die Gemobbten wissen besser, wie sie Hilfe bekommen können.
SWR 2019