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Kolonialgeschichte im Schulunterricht – Zu weiße Perspektive?

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Andrea Lueg
Andrea Lueg
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Candy Sauer

Mit der wachsenden #BlackLivesMatter-Bewegung wird auch bei uns über alltäglichen Rassismus debattiert. Aber wie kommen Rassismus und die damit verknüpfte Kolonialgeschichte in der Schule zur Sprache? Was steht in den Schulbüchern und wie nehmen Jugendliche das Thema wahr?

Während ein Teil der Lehrerinnen und Lehrer sich bemüht, Kolonialismus und seine Folgen lebensnah und zeitgemäß aufzubereiten, kommt das Thema bei anderen gar nicht oder nur aus einer weißen Perspektive vor.

Kolonialmacht Deutsches Reich: Völkermord an Herero und Nama

Kamerun, Togo, Deutsch-Ostafrika und Deutsch-Südwestafrika – von 1884 bis 1918 hatte Deutschland gleich mehrere Kolonien auf dem afrikanischen Kontinent. Hinzu kamen Schutzgebiete in der Südsee.

Der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts kostete rund 10.000 Nama und 40.000 bis 60.000 Herero im heutigen Namibia ihr Leben und wurde von Deutschen verübt. An drei Tagen im Jahr erinnern die Herero an diesen Genozid.

Soll Deutschland den Völkermord an den Herero und Nama anerkennen und folgt daraus, dass auch Reparationen gezahlt werden müssen? Tatsächlich hat die Bundesregierung im Juli 2016 erstmals das Massaker an Herero und Nama im heutigen Namibia als Völkermord anerkannt. Sie ist aber der Auffassung, dass sich daraus keine Rechtsfolgen ergeben.

Auseinandersetzung mit kolonialer Vergangenheit hängt von Lehrer*innen ab

In Deutschland findet das Thema Kolonialgeschichte jedoch kaum statt. An den Schulen steht Kolonialismus zwar auf dem Lehrplan, doch meist wird er unter der Überschrift Imperialismus behandelt. Da geht es dann zum Beispiel um die Aufteilung Afrikas unter den Kolonialmächten. Wie viel Raum die Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit erhält und aus welcher Perspektive sie betrachtet wird, hängt von Lehrer oder Lehrerin ab.

Eigentlich hat die Bundesregierung angekündigt, die Aufarbeitung des kolonialen Erbes anzugehen. Der Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2018 ist das erste Regierungsprogramm, das sich damit befasst und die koloniale Phase in die Gedenkkultur aufnehmen will. Was den Schulunterricht angeht, haben die meisten Bundesländer, die ja für die Bildung zuständig sind, das Thema Kolonialgeschichte verpflichtend in die Lehrpläne geschrieben. In Baden-Württemberg sollen es in Zukunft vier Unterrichtsstunden sein.

Deutsche und europäische Perspektive dominiert noch immer im Schulbuch

"Liste auf, welche positiven Auswirkungen die deutsche Kolonisierung auf den afrikanischen Kontinent hatte."

Eine Aufgabe aus einem Schulbuch für den Geschichtsunterricht in der 9. und 10. Klasse. Die Perspektive in den meisten Unterrichtsmaterialien ist eine europäische, zum Beispiel wenn es um Konflikte mit den anderen Kolonialmächten Frankreich und Großbritannien geht. Die Perspektive der Opfer, die Gewalt, die man für die Kolonisierung einsetzte, aber auch der Widerstand gegen die Kolonisierung kommen nicht vor.

"Ich frage mich generell, wie es sein kann, dass Schulbücher koloniale Denkweisen reproduzieren, anstatt diese zu dekonstruieren ... Afrika ist mehr als nur AIDS, Kindersoldaten oder wilde Tiere."

Gutes Unterrichtsmaterial ist Mangelware

Wichtig ist, im Unterricht unterschiedliche Perspektiven einzubeziehen und auch Kontroversen einzubringen. Tatsächlich ist es schwierig für Lehrerinnen und Lehrer, Material zu finden, dass die Seite der kolonisierten Menschen darstellt, weil es zum Beispiel kaum Zeitzeugenberichte gibt.

Die Geschichtslehrerverbände in verschiedenen Bundesländern haben auf ihren Internetseiten Informationen zu unterschiedlichen Materialien zusammengestellt. Es geht aber auch darum, das Material, das man hat, kritisch und aus unterschiedlichen Perspektiven einzuordnen.

Neue Perspektiven werden oft von den Jugendlichen selbst in den Unterricht eingebracht, vor allem wenn sie einen Migrationshintergrund mitbringen. Sie greifen öffentliche Debatten auf, zum Beispiel um Straßennamen oder Denkmäler. Und sie stellen andere Fragen, wie Geschichtslehrer Birger Hass festgestellt hat.

Fortbildung für Lehrerinnen und Lehrer notwendig

Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer ist für guten Unterricht zur Kolonialgeschichte wichtig. Der überwiegende Teil von ihnen hat keinen Migrationshintergrund und keine eigenen Rassismus-Erfahrungen. Bildungsforscher Karim Fereidooni schlägt vor, dass sich Lehrkräfte folgende Fragen selbst stellen:

  1. Inwiefern haben Rassismus-relevante Wissensbestände mein Leben beeinflusst? Also was hat Rassismus mir beigebracht?
  2. Was passiert in meiner Schule und in meinem Unterricht Rassismus-Relevantes?
  3. Inwiefern befördern meine Unterrichtsmaterialien, also z.B. das Schulbuch, Rassismus-relevante Wissensbestände?

Karim Fereidooni empfiehlt: "Lehrer*innen sollten Rassismus-Kritik als ganz normale professionelle Kompetenz begreifen. Genauso, wie sie in der Lage sein sollten, ihren Schülerinnen mathematische oder grammatikalische Strukturen beizubringen, sollten Lehrer*innen in der Lage sein, das Analyse-Instrument der Rassismus-Kritik zu verwenden."

Verpflichtende Schulungen für Lehrerkräfte gibt es nicht. Ob und wie sich jemand zu Rassismus-Kritik weiterbildet, hängt allein vom Engagement des Einzelnen ab. Und auch das Angebot solcher Weiterbildungen ist bisher überschaubar.

Insgesamt fehlt bisher ein Konzept, wie mit dem Thema Kolonialgeschichte an Schulen umgegangen werden soll.

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Den vollständigen Text finden Sie hier: http://swr.li/AmandaGorman

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