Eiskalte Mörder gab es viele im Vernichtungssystem der Nationalsozialisten: Adolf Eichmann, Josef Mengele, Rudolf Höß, Ernst Kaltenbrunner wurden nach 1945 geradezu weltbekannt wegen ihrer Verbrechen. Gerechnet nach der Zahl der Opfer ist Klaus Barbie als "eine Nummer kleiner" anzusehen.
"Schlächter von Lyon" aus kleinbürgerlichem Millieu in Südwestdeutschland
Doch zeigt schon die Bezeichnung "Schlächter von Lyon" aus seiner Zeit als Gestapo-Beamter in der französischen Stadt: Hinsichtlich seiner Brutalität steht Klaus Barbie, der aus dem typischen katholischen Kleinbürger-Milieu Südwestdeutschlands stammt, in nichts zurück.
Die älteste Spur von Barbie findet sich im Archiv des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums in Trier, wo Barbie 1934 sein Abitur ablegt. Ein Jahr später wird er SS-Mitglied und bewirbt sich für den sogenannten "Sicherheitsdienst" SD, den Geheimdienst der SS.
Das deutsche Besatzungsregime in Frankreich wird für Klaus Barbie zum Karriere-Sprungbrett. 1942 geht es für ihn nach Lyon, dort ist er die "Nummer 2" in der örtlichen SD-Hierarchie. Seine Bekanntheit findet ihre Begründung nicht in erster Linie in seiner Stellung, sondern in seiner Brutalität.
Klaus Barbie foltert Widerstandskämpfer zu Tode
Ob an Tritte oder Peitschenhiebe, Knüppel, glühende Schürhaken oder Elektroschocks – Zeitzeugen erinnern sich noch Jahrzehnte später an die besondere Brutalität der Verhörmethoden von Klaus Barbie. Doch erweisen sich diese als erfolgreich im Sinne der Nationalsozialisten: Die französische Widerstandsbewegung, die "Résistance", erleidet in Lyon und Umgebung schwere Verluste.
Barbies größter Triumph ist die Festnahme von Jean Moulin, Chef des Koordinierungskomitees aller Résistance-Gruppen in Frankreich und Vertrauter von General Charles de Gaulle. Moulin stirbt im Juni 1943 an den Folgen der Folterungen – auch dies ein Grund, weshalb Frankreich Klaus Barbie nach Kriegsende nicht vergisst.
Deportation von 44 jüdischen Flüchtlingskindern aus Izieu
Eine andere Untat Barbies, die im französischen Kollektiv-Gedächtnis geblieben ist, hat Reinhard Mey in einem Lied aufgegriffen. Es heißt "Die Kinder von Izieu".
Izieu ist ein Weiler etwa 80 Kilometer östlich von Lyon. Der kleine Ort beherbergt ab dem Frühjahr 1943 jüdische Flüchtlingskinder, einige sind Deutsche, andere stammen aus Frankreich, Österreich, Belgien und Algerien. Als Unterkunft dient ein ehemaliges Ferienlager.
Es ist Klaus Barbie, der am 6. April 1944 befiehlt, die Kinder von Izieu und ihre Betreuer festzunehmen. Zur Frühstückszeit, morgens gegen halb neun, fahren zwei Lkw vor: Insgesamt 44 Kinder und 7 Erwachsene werden auf die Ladeflächen gepfercht – dann geht es über Lyon ins berüchtigte Sammellager Drancy bei Paris und von dort nach Auschwitz.
Heute ist Izieu eine Gedenkstätte. Neben dem originalgetreu erhalten gebliebenen Haus steht ein modernes Dokumentationszentrum, das pro Jahr mehr als 15.000 Besucher, vor allem Schulklassen, empfängt.
Klaus Barbie genießt Schutz vor der deutschen Justiz
Am 8. Mai 1945 tritt die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht in Kraft. Klaus Barbie geht wenige Monate später nach Marburg. Dort beginnt er eine neue Karriere, bei der er ein großes Netzwerk an ehemaligen SS-Funktionären um sich schart. Dabei sind zu dieser Zeit bereits sowohl Briten wie Franzosen auf seiner Spur.
Auch die Amerikaner wissen, dass er in Lyon Kriegsverbrechen begangen hat. Das hindert den Geheimdienst des US-Heeres, CIC, aber nicht, ihn im April 1947 in Augsburg als bezahlten Informanten "X-3054" unter Vertrag zu nehmen. Man hält ihn wegen seiner angeblichen Kontakte in der französischen und der sowjetischen Zone für einen der besten Agenten. Agent der Amerikaner zu sein, entledigt Barbie der größten Sorgen: Er erhält in Augsburg ein Haus, finanzielle Zuwendungen und ist geschützt vor der Justiz.
Flucht über die Rattenlinie: neue Identität für "Klaus Altmann" in Bolivien
Auch als französische Zeitungen immer präziser berichten, wie schwer Barbie in Kriegsverbrechen verstrickt ist und den Amerikanern ihr Agent hochnotpeinlich wird, lässt man ihn keineswegs fallen, sondern hält eine Art "Abschiedsgeschenk" parat: Er, seine Frau und die beiden kleinen Kinder erhalten im Februar 1951 eine neue Identität. Die Familie heißt fortan offiziell "Altmann" und geht nach Bolivien.
Bolivien ist seit den 1950er-Jahren ein Krisenland. Deshalb beginnt Washington, in Bolivien, Armee und Regierung mit Waffen und Knowhow zu unterstützen – die Supermacht will amerikafreundliche Regime in Mittel- und Lateinamerika. Klaus Barbie verdient an dieser Aufrüstung. Über eine Deutsch-Schweizer Firma namens MEREX vermittelt er Mitte der 1960er-Jahre Waffen aus Beständen der Bundeswehr an Bolivien.
Bundesrepublik wirbt Klaus Barbie als Informanten an
Zur gleichen Zeit wird der Auslands-Spionagedienst der Bundesrepublik BND auf ihn aufmerksam und wirbt ihn als bezahlten Informanten an. Er erhält den Decknamen "Adler"; die Agenten-Nummer V-43118 und 500 Mark – als monatliches Honorar. Zwar weiß der BND zunächst nicht, dass "Klaus Altmann" ein Tarnname ist. Doch bemüht sich der Dienst auch kaum, die Tarnung zu hinterfragen.
Unsicher wird Barbies Versteck in Bolivien erst Anfang der 1970er-Jahre, da sich die deutsch-französische Journalistin Beate Klarsfeld auf Barbies Fährte setzt.
Zwar sind Klarsfelds Aktionen spektakulär – einmal kettet sie sich mit der Mutter eines der Kinder von Izieu in La Paz auf einem Platz an. Doch ein Erfolg bleibt aus, solange Klaus Barbie von den Anführern der Militärdiktatur in Bolivien geschützt wird. Denen dient sich Barbie regelrecht an, indem er sich mit seinen Erfahrungen als Experte bei der Bekämpfung von Widerstandsbewegungen ausgibt.
Abschiebung und Prozess in Frankreich
Anfang der 1980er-Jahre wendet sich das Blatt. Wegen angeblicher Steuerschulden wird der inzwischen 69-Jährige am 4. Februar 1983 mit einer bolivianischen Militärmaschine nach Cayenne in Französisch-Guyana abgeschoben. Erst viele Jahre später wird bekannt, dass Frankreich der Auslieferung mit der Zusage nachhilft, Waffen nach Bolivien zu liefern.
Unmittelbar nach seiner Ankunft auf einer Flughafenbasis in Südfrankreich bringt man Klaus Barbie nach Lyon in ein Untersuchungsgefängnis, wo er vier Jahre wartet, bis die französische Justiz Anklage gegen ihn erhebt. Am 4. Juli 1987, nach einem zweimonatigen Prozess, ergeht das Urteil: Klaus Barbie wird wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gesprochen.
Am 25. September 1991 stirbt Klaus Barbie mit 77 Jahren in französischer Haft in Lyon an Krebs.