Justiz

Der Hohenasperg – Geschichten aus einem deutschen Gefängnis

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Autor/in
Pia Fruth
Pia Fruth
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Wenzel Steinig

Nur 90 Meter erhebt sich der Hohenasperg über das Neckarland bei Ludwigsburg. Trotzdem ist der mit Reben bepflanzte Fels herausragendes Symbol der südwestdeutschen Freiheitsbewegung, zugleich Ort politischer Willkür und Ausdruck moderner Demokratie.

Postkarte (undatiert): Blick auf die Festung Hohenasperg mit Festungshof und Gefängnis

Der Hohenasperg – Geschichten aus einem deutschen Gefängnis

Trutzburg, Gefängnis, Krankenhaus

In der Keltenzeit, ab 500 v.Chr., war der Hohenasperg Fürstensitz, später mittelalterliche Burg, dann als Landesfestung trutziges Bollwerk. Seine Lage machte es militärisch im Prinzip uneinnehmbar.

Im Dreißigjährigen Krieg flohen 2000 Menschen in die Burg und wurden von kaiserlichen Truppen so lange belagert, bis Hunderte verhungerten und verdursteten. Später wurde die Burganlage zum Staatsgefängnis, heute ist sie Strafvollzugskrankenhaus und sozialtherapeutische Anstalt der baden-württembergischen Justiz.

Vom Kerker zum Luxusgefängnis

Die ersten Gefangenen waren mittelalterliche „Verbrecher“ aller Couleur: Wilderer, Kupplerinnen, protestantische Separatisten, Hochstapler, Landstreicher, Raubmörder, aber auch Unruhestifter, Systemkritiker und Widerstandskämpfer.

1842 wurde der Hohenasperg ein Priviligiertengefängnis für unliebsame Adelige und Angehörige der gebildeten Schicht. So wurden hier Studenten festgehalten, die sich als Mitglieder Schlagender Verbindungen zu Duellen hinreißen hatten lassen. Sie mussten ihre Zellen für viel Geld mieten, durften sich aber innerhalb der Festungsanlagen frei bewegen und sogar die dortigen Gasthäuser besuchen.

Neben den gebildeten Schichten wurden bald auch solche von geringerem Stand hier inhaftiert. Um diese Zeit bekam der Hohenasperg einen weiteren seiner vielen Spitznamen: „Demokratenbuckel“. Besonders um 1848/49 war die Festung überfüllt mit „Republikanern“, die sich prompt über die desolaten Haftbedingungen beschwerten – sogar mit Erfolg.

Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg
Der Hohenasperg wird scherzhaft als höchster Berg Baden-Württembergs bezeichnet. "In zehn Minuten ist man oben, aber es braucht Jahre, bis man wieder unten ist", sagt der Volksmund.

Nazi-Haftanstalt, Internierungslager, Strafvollzugskrankenhaus

1940 richteten die Nationalsozialisten auf dem Hohenasperg ein Durchgangslager für Sinti und Roma ein. Ein Sammelpunkt auf dem Weg in den Osten, in Konzentrationslager, Zwangsarbeit und Tod.

Sinti und Roma am 22. Mai 1940 im Hof des Hohenasperg-Gefängnisses vor der Deportation in ein Lager in Polen
Sinti und Roma am 22. Mai 1940 im Hof des Hohenasperg-Gefängnisses vor der Deportation in ein Lager in Polen

Die US-Militärregierung unterhielt danach ein Internierungslager für Mitglieder der NSDAP und der Gestapo. 1949 machte die neu gegründete württembergische Landesregierung daraus das Zentralkrankenhaus für den Strafvollzug.

Gefängnis für "besondere Fälle"

Die Liste prominenter Insassen reicht von Dichtern und Musikerinnen wie Christian Schubart oder Marianne Pirker, Politikern wie Staatspräsident Eugen Bolz oder Nationalökonom Friedrich List bis zum Serienmörder Heinrich Pommerenke, hungerstreikenden RAF-Mitgliedern und dem "Remstalrebellen" Helmut Palmer.

Produktion 2018

Schubart auf dem Asperg - Holzstich nach Johann Jakob Kirchhoff
Christian SchubartAm 24. Januar 1777 wird Christian Friedrich Daniel Schubart inhaftert. Er ist Journalist, Dichter, Komponist und Herausgeber des politisch-künstlerischen Wochenblatts „Teutsche Chronik“. Zudem begeisterter Wirtshausgänger und Kritiker des württembergischen Herzogs Carl Eugen. Vorwurf: Lose und gotteslästerliche Schreibart. Es wird keine Anklage erhoben. Ein Prozess findet nicht statt. Ein politischer Häftling wie er im Buche steht. Entlassung nach 10jähriger Haft.In einem Gedicht beschrieb Schubart den Hohenasperg als „Tränenberg“:Schön ist's, von des Thränenberges HöhenGott auf seiner Erde wandeln sehen,Wo sein Odem die Geschöpfe küßt.Auen sehen, drauf Natur, die treue,Eingekleidet in des Himmels Bläue,Schreitet, und wo Milch und Honig fließt!Schön ist's, in des Thränenberges LüftenBäume sehn, in silberweißen Düften,Die der Käfer wonnesummend trinkt;Und die Straße sehn im weiten Lande,Menschenwimmelnd, wie vom SilbersandeSie, der Milchstraß' gleich am Himmel, blinkt… Bild in Detailansicht öffnen
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Geschichte Christian Friedrich Daniel Schubart: Kämpfer gegen Fürstenwillkür

Der württembergische Aufklärer gründete die sozialkritische Zeitschrift "Teutsche Chronik" und forderte Meinungsfreiheit. Mit einer Novelle lieferte er die Vorlage für Friedrich Schillers "Die Räuber".

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