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David Bowie – Chamäleon der Popkultur

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Autor/in
Manfred Heinfeldner
Onlinefassung
Ulrike Barwanietz
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.
Candy Sauer

David Bowie prägte den Pop wie kaum ein anderer Solo-Künstler. Er brachte die Kunst-Performance auf die Bühne, überwand die Grenzen zwischen Pop und Rock, spielte mit sexuellen Identitäten. Am 8. Januar 2022 wäre er 75 Jahre alt geworden.

David Bowie – Grenzgänger und Revolutionär des Rock

Selten lagen Triumph und Tod bei einem Künstler so nahe beieinander wie bei David Robert Jones, besser bekannt als David Bowie. Am 8. Januar 2016 feierten seine Fans in den Berliner Hansa-Studios das neue Album "Black Star". Es war Bowies 69. Geburtstag. Zwei Tage später wurde sein Tod bekanntgegeben.

Der Stern eines Mannes war erloschen, der die Pop-Musik so stark geprägt hat wie die Beatles und die Rolling Stones. Ein Grenzgänger und Revolutionär des Rock, ein Vagabund der Verwandlung mit vielen, oft widersprüchlichen Gesichtern.

Pseudonym: aus David Jones wird 1965 David Bowie

David Jones wird 1947 im Londoner Stadtteil Brixton geboren. Den Namen, unter dem wir ihn heute alle kennen, nimmt er 1965 an. Er ist ein Erbe seiner Teenager-Zeit, als er mit ein paar kurzlebigen Kneipenbands alle möglichen Stile der aufkommenden Beat-Musik ausprobiert und die Musik erfolgreicher Gruppen kopiert, von den Rolling Stones bis zu den Yardbirds.

David Jones bzw. David Bowie im Alter von 19 Jahren
David Jones bzw. David Bowie im Alter von 19 Jahren

Damals spielt er mit Pseudonymen wie "Luther" oder "Calvin", doch seine Vorliebe für amerikanische Popmusik lässt ihn schließlich den Nachnamen des texanischen Pioniers James Bowie annehmen, nach dem ein berühmtes Messer benannt ist.

Als David Bowie also erklimmt er 1969 die ersten Stufen zum Ruhm – mit einer eher depressiven Weltraum-Ballade: "Space Oddity". Ein Song, zu dem ihn Stanley Kubricks Film "2001" inspiriert hat. Und der im Jahr der ersten Mondlandung die damit verbundene Euphorie in Frage stellte. "Space Oddity" besingt die Einsamkeit im All.

Problematische Familie

David Bowie steigt damit vom Vorstadt-Rocker zum Pop-Star auf. Und findet einen Weg, persönlichen Traumata mit seinen künstlerischen Interessen zu verbinden. Bowie war schon in der Jugend ein Einzelgänger und musste sich mit einer exzentrischen Familie herumschlagen.

Der Großvater war ein gewohnheitsmäßiger Hochstapler, der Vater trank sich früh zu Tode, der Halbbruder hatte psychische Probleme. Bowie interessierte sich für Okkultismus und düstere Science-Fiction, spielte aber auch in Laien-Theatergruppen mit, schätzte Pantomime und entdeckte als junger Musiker im Swinging London der frühen 1960er-Jahre seinen Hang zur Mode.

In diesen Jahren lernt David Bowie auch den Pop-Künstler Andy Warhol in New York kennen – und mit ihm seine Kunst-Kommune in einer Fabrikhalle, zu der auch die Band "Velvet Underground" gehört. Von ihnen übernimmt David Bowie ein Konzept, das er zur Perfektion entwickeln sollte: Künstlichkeit als Performance-Prinzip. Das musikalische Resultat ist eine düster-heftige Musik, die Jahrzehnte Hardrock, Punk und Grunge vorwegnimmt.

Ein schüchterner Außerirdischer

Für seine Show entwickelt David Bowie mithilfe seiner Frau Angela etwas, was wir heute als "Avatar" bezeichnen würden. Eine unverwechselbare Bühnenpersönlichkeit, hinter der sich der damals noch schüchterne Musiker großartig verstecken kann: "Ziggy Stardust", konzipiert als Außerirdischer, der der Menschheit ihren bevorstehenden Untergang musikalisch ankündigt, in einer bis dahin noch nie gesehenen Bühnenshow. Die Zeitgenossen hielten den Atem an.

David Bowie: Ziggy Stardust and the Spiders from Mars 1973
Ziggy Stardust and the Spiders from Mars 1973

Das Album "The Rise And Fall Of Ziggy Stardust" schrieb Geschichte: Bowie wurde die Galionsfigur des "Glam Rock" - ein Musikstil, der eine Revolution auslöste. In den 1960er-Jahren war der Beat – wie zuvor der Rock’n’Roll – männerdominiert, seine Helden waren breitbeinige Gitarren-"Götter".

Mit Bowie und den Glamrockern änderte sich das: Sie trugen Kleider und legten opulentes Makeup an. Machten Travestie bühnenfähig, verkörperten mit ihrem androgynen Auftreten augenfällig sexuelle Mehrdeutigkeit. Auf der Bühne tauchten Glanz und Glitter auf. Die bislang alleinherrschenden Rock-Machos bekamen erfolgreiche Konkurrenz.

Neue Sounds

Mitte der 1960er-Jahre entdeckt die Londoner Beat-Szene die Tradition der Musikhallen und der Bänkelsänger wieder. Einer dieser Musiker, Tony Newley, hat es David Bowie besonders angetan, er kopiert sogar dessen Cockney-Akzent – erste Gehversuche in Richtung "Ziggy Stardust".

Gleichzeitig überschwemmen musikalische Außenseiter wie der "Marquis of Kensington", "Screaming Lord Sutch" oder "Napoleon XIV" die Popmusik. Vor allem Napoleon, ein amerikanischer Toningenieur, experimentiert mit neuen Sounds und Techniken, mit Vocoder und Bandmaschinen. Auch davon lässt sich David Bowie inspirieren.

Gleichzeitig unternimmt er Ausflüge in die Welt des Theaters, spielt selbst immer wieder in Aufführungen mit. Und er ist fasziniert vom Buddhismus. Ein Ausfluss der Hippie-Bewegung Ende der 1960er-Jahre, deren Vision einer friedlichen Welt und einer Kultur fern der konservativen Gesellschaft eine eigene Jugendkultur geformt hat.

Durchdachtes Kunstkonzept

Vor dem Hintergrund des Vietnamkriegs und den Gewalt-Exzessen des Satanisten und Mörders Charles Manson lässt sich David Bowie von Bands inspirieren, die mit düsteren Sounds experimentieren, wie "Velvet Underground". Deren Mentor Andy Warhol hat dem aufstrebenden Popstar aus Großbritannien vermittelt, wie wichtig ein durchdachtes Kunstkonzept ist.

Bowie kreiert für sich ab Anfang der 1970er-Jahre eine Reihe von Außenseiterrollen. Der ständige Wandel gehörte wesentlich zu David Bowies Konzept. War eine Figur ausgereizt, folgte eine neue, manchmal verbunden mit einem Wechsel des Musikstils.

David Bowie lebt damals auf der Überholspur, überwiegend in den USA, im ständigen Rhythmus von Studio, Touren und Partys. Erfolgreich, aber meist zugedröhnt und künstlerisch ausgebrannt. Er sieht, dass es so nicht weitergehen kann.

Ruhe in Berlin

Diese Zweifel und seine Kokain-Hölle in Hollywood veranlassen Bowie, auf der Höhe seines Ruhms sein Leben total umzukrempeln. 1976 zieht er in die Schweiz und nach West-Berlin. Bowie sucht die Anonymität – und neue musikalische Erfahrungen.

Deutsche Experimental-Musiker wie "Kraftwerk", "Neu!" oder "Faust" erregen seine Neugier, Bowie sucht den Kontakt zu ihnen. Drei Jahre lebt der zum Anti-Helden gewordene Star in West-Berlin und produziert dort mit seinem Ton-Ingenieur Tony Visconti, dem Ambient Music-Pionier Brian Eno und dem Gitarristen Robert Fripp drei Alben: "Low", "Heroes" und "Lodger".

Fans wie Musikkritiker zählen sie heute zu Bowies innovativster Musik. Bowie experimentiert mit frühen Formen des Synthesizers und komponiert Stücke, die viele Musiker beeinflusst haben: elektronische Sound-Landschaften ebenso wie dynamisch ungewöhnliche Songs mit zersplitterten Melodien.

Der schwarze Stern im Himmel

Als Rockstar war Bowie an die Spree gezogen, verlassen hat er Berlin als vielseitiger Künstler: Schauspieler, Maler, Performer – und als Vaterfigur nachfolgender Musiker-Generationen des New Wave, Britpop und Grunge. Er hat avantgardistische Techniken in den Mainstream eingeschleust und so die Popmusik grundlegend verändert.

Damals jedoch waren seine in Berlin produzierten Platten für viele Zeitgenossen zu experimentell. Und folglich finanzielle Flops.

David Bowie lebte seit 1979 wieder in den USA. Dort produzierte er einen weiteren weltweiten Hit: "Let’s Dance" – ein Flaggschiff-Song der hedonistischen 1980er-Jahre. Gleichzeitig experimentierte er mit Bands wie "Tin Machine" ungeniert weiter.

Daneben sammelte und produzierte er Kunst, Bilder und Skulpturen. Und verfolgte eine durchaus beachtliche Filmkarriere: Bowie spielte bei der Kultserie "Twin Peaks" mit und verkörpert im Film über den New Yorker Künstler Jean-Michel Basquiat dessen – und seinen eigenen – Mentor Andy Warhol.

Um die Jahrtausendwende wird seine Musik quasi "geadelt", als der Komponist Philip Glas Teile von Bowies Werk neu vertont. Wegen schwerer Krankheit trat Bowie in seinen letzten Jahren kürzer. Mit seinem letzten Album "Black Star" hat er – gespenstisch genau getimt – einen experimentellen Schluss-Akkord für sein künstlerisches Werk gesetzt.

Dessen zentrale Themen sind heute virulenter denn je: Entfremdung, Isolation und gestohlene Identitäten.

SWR 2017 / 2022

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Manfred Heinfeldner
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Ulrike Barwanietz
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.
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