Otto Hahn war einer der bedeutendsten deutschen Chemiker des 20. Jahrhunderts. Sein Name ist, im Positiven wie im Negativen, eng verbunden mit den zerstörerischsten Kriegstechnologien. Im Ersten Weltkrieg arbeitete er an der Entwicklung von Giftgas mit, das dann auch eingesetzt wurde.
Zwischen den Weltkriegen setzte er seine Forscherkarriere fort und erbrachte den ersten direkten Nachweis der Kernspaltung. Dafür bekam er 1945 den Nobelpreis.
Transkript der Rede von Otto Hahn
Ansage:
Erinnerungen eines Radios-Chemikers. Unter diesem Titel, meine Damen und Herren, bringen wir Ihnen heute die wesentlichen Ausschnitte eines Vortrages, den Nobelpreisträger Professor Doktor Otto Hahn auf dem letzten deutschen Apothekertag in Karlsruhe gehalten hat.
Otto Hahn
"Als ich vor mehr als 65 Jahren nach Marburg ging, um dort Chemie zu studieren, da war das Gebiet, dem ich später den größten Teil meines Lebens widmen sollte, doch noch weitgehend unbekannt. Zwar hatte ein Jahr vorher, im Jahr 1896, Henri Becquerel in Frankreich die fotografische Wirkung des Strahlen des Urans erkannt. Aber zunächst blieb das Echo dieser Entdeckung der sogenannten Becquerel-Strahlen oder genauer dann der Radioaktivität nur klein. Aber das Interesse wurde doch immerhin sehr viel größer, als einige Jahre später das Ehepaar Curie in Paris die beiden neuen stark radioaktiven Elemente Polonium und Radium entdeckten und anreicherten. Und doch blieb das nun einsetzende Studium dieser neuen rätselhaften Erscheinungen zunächst noch einem relativ kleinen Kreis von Physikern und Chemikern vorbehalten. Und auf dem Studiengang eines normalen Chemikers hatten die neuen Erscheinungen keinerlei Einfluss.
Nach vierjährigem Studium in Marburg und in München, wo ich noch beim Altmeister Adolf von Baeyer Chemie hören konnte, schloss ich mit einer Doktorarbeit aus dem Gebiete der organischen Chemie mein Studium in Marburg ab. Und da ich beabsichtigte, Chemiker in einer der chemischen Fabriken in der Nähe von Frankfurt am Main zu werden, war auch der weitere Entwicklungsgang eigentlich der übliche.
Nach meiner Militärzeit war ich zwei Jahre Assistent bei meinem Chef, bei Geheimrat Zinke. Und nach dieser Zeit konnte man annehmen und hoffen, in der Industrie einen Platz zu bekommen – unter der Voraussetzung, mir noch einige Sprachkenntnisse, möglichst etwas Englisch zuzulegen, um eventuell mal später ins Ausland gehen zu können für die Fabrik.
Und so ging ich mit einer Empfehlung meines Marburger Chefs nach London zu Sir William Ramsay, dem Mitentdecker des Argons und dem Entdecker der sogenannten Edelgase Helium, Krypton, Xenon usw. Ramsay interessierte sich damals für das neue Gebiet der Radioaktivität. Er hatte in Gemeinschaft mit Frederick Soddy den experimentellen Nachweis der Umwandlung des Radiums in Helium erbracht.
Ramsay fragte mich, als ich zu ihm kam, ob ich über Radium arbeiten wolle. Und als ich ihm antwortete, dass sich eigentlich außer dem Namen von Radium gar nichts wüsste, da meinte er: Das ist die richtige Voraussetzung, [Publikum lacht] dann haben Sie keine falschen Vorbehalte und so weiter und gehen unbefangen an die Sache heran. Und er gab mir eine Schale mit einem, wie er sagte, radiumhaltigen Barium. Und daraus sollte ich nun das Radium rein herstellen, etwa zehn Milligramm, und eine Atomgewichtsbestimmung damit machen und die von der Frau Curie vorläufig gemachte nachprüfen.
Es kam aber weder zur Herstellung des reinen Radiums, noch weniger zur Wiederholung der von Madame Curie bereits gemachten Atomgewichtsbestimmung. Ich fand nämlich außer dem erwarteten Radium eine unbekannte radioaktive Substanz. Das mir von Ramsay gegebene Präparat stammte nämlich nicht aus einem reinen Uran-Mineral, in dem sich Radium bildet, sondern aus einem Mineral, das das im Periodischen System der Elemente dem Uran damals benachbarte Element Thorium enthielt. Und da fand ich also zwangsläufig ein Umwandlungsprodukt des Thoriums. Und ich nannte diese damals als neues Element immer noch bezeichnete Substanz Radiothorium. [...]"
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Mitschnitt der Festansprache beim Deutschen Apothekertag in Karlsruhe am 7.10.1962
Erstausstrahlung: 21.4.1963 im Süddeutschen Rundfunk
Lebendige Wissenschaft: Erinnerungen eines Radiochemikers
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Im Bild: Otto Hahn bei einem Gespräch in Hamburg, um 1962
August 1945 "We don't mind about 100.000 Japs": Otto Hahn irritiert über Reaktion eines Engländers auf Hiroshima
August 1945 | Der Chemiker Otto Hahn erfährt vom Atombombenabwurf in Hiroshima als Gefangener in einem britischen Internierungslager. Dort saß er zusammen mit anderen hochrangigen deutschen Naturwissenschaftlern wie Carl Friedrich von Weizsäcker. Später erinnert er sich an diesen Moment im August 1945.
14.8.1947 Otto Hahn über die Entdeckung der Kernspaltung
14.8.1947 | Zuerst hatten die Chemiker Otto Hahn und Fritz Straßmann Zweifel an ihrer Entdeckung der Kernspaltung. Sie experimentierten 1938 mit Uran, dem schwersten in der Natur vorkommenden Element. Dass das Uran in zwei leichtere Atome zerfallen könnte, damit haben die Forscher nicht gerechnet – aber die Beobachtungen ließen keinen anderen Schluss zu. Hahn wurde für diese Entdeckung 1944 der Nobelpreis für Chemie zugesprochen – doch offiziell gab die Schwedische Akademie der Wissenschaften dies erst nach dem Krieg 1945 bekannt. Sie wollte Hahn nicht in die Verlegenheit bringen, den Preis ablehnen zu müssen, wozu er unter der Nazidiktatur gezwungen gewesen wäre. Zwei Jahre später schildert Hahn dem Journalisten Jobst Klinkmüller, wie er zusammen mit Lise Meitner der Atomspaltung auf die Spur kam. | Kernenergie
Porträt Nobelpreisträgerin Marie Curie – Radikales Leben für die Radioaktivität
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Die erste promovierte Chemikerin Deutschlands, Clara Immerwahr, nahm sich früh das Leben. Sie konnte nicht weiter forschen; ihr Mann, Fritz Haber, entwickelte Giftgas für den Ersten Weltkrieg. Manuskript zur Sendung: http://swr.li/clara-immerwahr