Das Archivradio bietet den Archivarinnen und Archivaren ein Sprachrohr. Hier spricht der langjährige Dokumentar beim SWR, Andreas Vetter, über seine Auswahl für den Archivradio-Schwerpunkt zum Ersten Weltkrieg im März 2014.
Historische Originaltöne aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gibt es im SWR-Archiv nicht, denn der Südwestfunk wurde erst 1946 gegründet. Andreas Vetter betont darum, dass die Recherche weitgehend mithilfe des Deutschen Rundfunkarchivs stattfand.
Tonträger sind Wachszylinder
Für die älteren Originaltöne ist in der ARD das Rundfunkarchiv in Frankfurt und Potsdam zuständig. Dort wurden die Tonträger digitalisiert, erschlossen und in die Archivdatenbank eingespeist. Im Fall des Ersten Weltkriegs waren die Originaltonträger vor allem Wachszylinder mit einer Länge von typischer Weise 2 Minuten.
Andreas Vetter fand bei seiner Recherche für ihn erstaunlich viele Originaltöne und wählte solche aus, die deutschsprachig, einigermaßen verständlich und politisch relevant waren.
Dilemma der Archivarbeit
In dem Archivgespräch klingt auch ein Grunddilemma von allen Archivarbeitenden an, nämlich sich mit einer politischen Wertung bei der Verschlagwortung zurückzuhalten. In einigen Fällen waren in den Abstracts zu den Tonträgern Wertungen wie "Deutsches Großmachtsgebaren" zu finden, die sich aber als gar nicht schlecht herausstellten, weil sie zu Diskussionen innerhalb des Archivradio-Teams führten. In zwei konkreten Fällen kam man zu geradezu diametral unterschiedlichen Einschätzungen.
In dem Gespräch werden auch Besonderheiten diskutiert, etwa warum große Reden nicht direkt aufgenommen, sondern Monate oder Jahre später "nachgesprochen" wurden, warum bestimmte Originaltöne so schlechte, andere für ihr Alter hervorragende Tonqualität aufweisen.
Erstaunlich wenig Zensur bei kritischen Stimmen
Ein weiteres Thema sind die "Couplets", die von Anfang des Kriegs an kritisch mit der kaiserlichen Politik umgingen. Den Tondokumenten zufolge fand erstaunlich wenig Zensur statt.
Vetter berichtet auch grundsätzlich über den Digitalisierungsstand im Tonarchiv in seinem Hause, dem SWR im Mainz: Dort sind weniger als 20 Prozent der Tonbänder digitalisiert; erfasst sind jedoch praktisch alle. Die Digitalisierung geschieht nach Schwerpunktthemen und technischen Erfordernissen. So wurden jetzt all die Bänder digitalisiert, die mit 76 cm/s abgespielt werden, denn diese Bandmaschinen werden allmählich rar. Im SWR Mainz gibt es nur noch ein Exemplar.
Das Gespräch mit Andreas Vetter führte Maximilian Schönherr am 20. März 2014 in Mainz.