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Witzig, intelligent und sexuell: „Kiss me Kate“ wird 75

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Autor/in
Markus Bruderreck

In der Nachkriegszeit erlebt der New Yorker Broadway eine Blüte: Ein Musical nach dem nächsten geht über die Bühne, und jedes ist randvoll mit Songs, die zu Evergreens geworden sind. „Kiss Me, Kate“ ist eines dieser Stücke. Es ist 1955 übrigens auch das erste Musical überhaupt, das auf einer deutschen Bühne gezeigt wird. Als Vorlage dient William Shakespeares Komödie „Der Widerspenstigen Zähmung“.

Reich gegen frech

Wenn es um Geld geht, lassen manche Männer ihre Prinzipien beiseite. Für Petruchio zum Beispiel muss eine Frau nicht schön sein. 

Mich stört es nicht, wenn sie X-Beine hat oder schielt. Hauptsache, das Mädel wird mein Weib. Im Dunkeln sind ja eh alle gleich.  

Ganz schön frech, dieser Petruchio. Doch bald wird er seine Meisterin kennenlernen: Es ist die zänkische, widerborstige Kate. Sie hasst Männer, ist schlau und – als wichtigste Eigenschaft – vor allem reich.

Bald wird die stachelige Jungfrau Petruchio einen Bastard nennen, ihn in den Magen boxen, ihn ohrfeigen und in die Hand beißen. Petruchio revanchiert sich, indem er ihr den Hintern versohlt. 

Durchbruch oder letzte Chance

An „Kiss me Kate“ arbeiten Ende 1947 vor allem Künstler, die an einem Wendepunkt ihrer Karriere sind. Das hat der kanadische Theaterfachmann Richard Ouzounian festgestellt.

Für die meisten großen Namen, die hier beteiligt waren, bedeutete diese Show entweder den Durchbruch oder die letzte Chance. Dieses Musical musste sie berühmt machen – oder sie endgültig aus dem Geschäft kegeln.  

Alle suchen hier ihre Chance. Für die B-Film-Schönheit Patricia Morison zum Beispiel ist die Kate die Rolle ihres Lebens. Cole Porter dagegen gilt als am Broadway als Vulkan, der ausgebrannt ist. Ein Shakespeare-Stück als Musical, das ist für ihn Kassengift. Bella Spewack, die Textbuch-Autorin von „Kiss me Kate“, hat Mühe, ihn zu überzeugen. Aber es gelingt ihr. 

Patricia Morison in Kiss Me Kate.
Patricia Morison spielt Kate in Kiss Me Kate. Für sie wird es zur Rolle ihres Lebens.

Witzig, intelligent und sexuell

Cole Porter schreibt seine Musik zu „Kiss me Kate“ unter quälenden Schmerzen. Sie rühren von einem Reitunfall her, den er 1937 erlitten hat. Er behandelt sich mit viel Alkohol. Trotzdem sind seine Songs die besten, die er je geschrieben hat. Mal klingen sie operettig und melodiös, dann wieder jazzig und wild. Seine Texte sind witzig, intelligent und sexuell oft nicht nur mehr- sondern auch eindeutig. 

In „Kiss me Kate“, dem Stück im Stück, spiegelt die Kunst das Leben – und umgekehrt. Mit diesem anspruchsvollen Konzept kommt die Autorin Bella Spewack am Ende nicht zurecht. Sie muss die Hilfe ihres Mannes in Anspruch nehmen. Sam Spewack möbelt das Stück auf, indem er vor allem zwei Gangster auftreten lässt. Sie sorgen für Klamauk und einen der größten Hits.  

Begeisterung im Publikum und in den Medien

Noch kurz vor den Probeaufführungen in Philadelphia rechnet das Ensemble nur mit einem Achtungserfolg. Doch die Rezensenten und das Publikum sind begeistert, nicht nur in Philadelphia, auch in New York. Richard Watts von der „New York Post“ fast die Stimmung des Premierenabends zusammen:

Die elektrische Erregung, die sich in einem Theater ausbreitet, wenn alles richtig läuft – das gab es gestern Abend im Century-Theater zu erleben. Von der ersten Nummer an war es jedem offensichtlich, dass die Premierenbesucher gerade einen Sensationserfolg von epischen Ausmaßen erlebten.“

Cole Porters Vermächtnis

Für mich ist Cole Porter einsachtzig groß, trägt eine goldene Rüstung und ein Schwert statt einem Stock.  

So feiert Patrica Morison, die Sängerin der Kate, den Komponisten auf der Premierenparty. Doch es sollte der letzte große Ausbruch an Kreativität im Leben von Cole Porter werden. Neben „Anything Goes ist „Kiss Me Kate sein bestes Musical geblieben. 

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Markus Bruderreck