1827 beginnt die Irrfahrt einer kleinen Melodie, die in den Ohren der Öffentlichkeit nicht sofort dem richtigen Heimathafen zugeordnet werden kann.
Lieder von Mendelssohn? Dahinter muss doch der geniale Felix stecken!
Im Jahr 1827 wird Felix Mendelssohn Bartholdy 18 Jahre alt. Man weiß seit vielen Jahren um sein phänomenales Talent, es wird daher niemanden wundern, dass er just in diesem Jahr eine Sammlung von 12 Liedern veröffentlicht unter dem schlichten Titel 12 Gesänge op. 8. Herrliche Musik, so ist er halt, der Felix. Der Stern der Familie Mendelssohn.
Die Schlussnummer des Zyklus op. 8 ist eine einfache Melodie auf ein einfaches Liebesgedicht von Goethe, „Suleika und Hatem“. Der poetische Hintergrund: Goethe hat sich als 65-Jähriger einmal mehr heftig verliebt, und schmachtet unter dem exotischen Decknamen Hatem eine 35-jährige Suleika an, die in Wirklichkeit Marianne von Willemer heißt.
Diese wunderschönen Worte richtet am Ende der schwer verliebte Hatem an seine Angebetete, also eigentlich Goethe an die verheiratete Marianne. Und aus dem Hause Mendelssohn stammt die schöne Melodie der Vertonung, so viel ist sicher.
Mendelssohn ist nicht gleich Mendelssohn
Gleich mehrere der Lieder aus op. 8 stammen nun aber nicht von Felix Mendelssohn Bartholdy, sondern von seiner Schwester Fanny, später verheiratete Fanny Hensel. So auch die Nummer 12, „Suleika und Hatem“.
Obwohl Fanny Hensels Musik zu ihren Lebzeiten weitgehend nicht gedruckt und öffentlich aufgeführt wird, ist sie auf Grund ihrer Verbreitung durch Briefe, Stammbücher und Widmungsexemplare im Rahmen privater Öffentlichkeit bekannt. Auch von Fanny Hensels Beitrag zu den ersten Liedsammlungen ihres Bruders Felix, in denen mehrere ihrer Lieder erscheinen, wissen viele ihrer Zeitgenossen.
Eine Ersteinspielung
Das SWR2 Musikstück der Woche ist insofern eine Ersteinspielung, als es vom gesungenen „Suleika und Hatem“, natürlich einige Aufnahmen gibt, aber die Übertragung für Klavier solo, die textlose Fassung des musikalischen Materials, erst nach Fanny Hensels Tod veröffentlicht wurde. Sie ist in der neuen Einspielung von Sontraud Speidel erstmals in dieser Form zu hören.
Sontraud Speidel
Sontraud Speidel ist Pianistin und Pädagogin sowie Professorin für Klavier und Mitglied des Hochschulrates der Hochschule für Musik Karlsruhe. Sie gehört zu den namhaften Pianistinnen und Pädagoginnen der Gegenwart, hat über 40 Tonträger aufgenommen und wurde 2005 mit dem Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.
Weitere Musikstücke von Fanny Hensel
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Fanny Mendelssohn als auch ihr dreieinhalb Jahre jüngerer Bruder Felix saßen sonntags regelmäßig am Klavier im Speisezimmer der Familie und gaben Konzerte fürs staunende Publikum.
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Komponiert habe sie nichts, schreibt Fanny Hensel 1840. Denn es „kräht ja doch kein Hahn danach“, stellte die hochmusikalische Schwester von Felix Mendelssohn fest. Einige Jahre später aber entstand ihr Klaviertrio d-Moll. Heute finden komponierende Frauen Gehör. Wenn man sie zu Gehör bringt, wie hier das Trio Gaspard.