Komponiert habe sie nichts, schreibt Fanny Hensel 1840. Denn es „kräht ja doch kein Hahn danach“, stellte die hochmusikalische Schwester von Felix Mendelssohn fest. Einige Jahre später aber entstand ihr Klaviertrio d-Moll. Heute finden komponierende Frauen Gehör. Wenn man sie zu Gehör bringt, wie hier das Trio Gaspard.
„Komponiert habe ich in diesem Winter rein gar nichts. Was ist auch daran gelegen, kräht ja doch kein Hahn danach und tanzt niemand nach meiner Pfeife“, bekannte Fanny Mendelssohn-Hensel 1840 in einem Brief an einen Freund.
Diese resigniert wirkenden Worte äußerte die Künstlerin nach Jahrzehnten des Bemühens um Anerkennung nicht nur als ausgezeichnete Pianistin und hochgeschätzte Dirigentin, sondern auch als Komponistin.
Im Gegensatz zu ihrem schnell berühmt werdenden Bruder Felix Mendelssohn Bartholdy, den sie inniglich liebte und unterstützte, befand sich Fanny Mendelssohn, wie auch andere Frauen jüdischer Herkunft, in einem persönlichen Dilemma: Sie wurde zwar intellektuell gefördert und künstlerisch ausgebildet, durfte aber ihre Fähigkeiten nur eingeschränkt weiterverfolgen, da sie von ihrer Familie auf ein bürgerliches Rollenverständnis festgelegt wurde.
Erst spät rang sie sich zur Veröffentlichung ihrer Werke durch, und ihr früher Tod verhinderte weitere Publikationen, die die ganze Bandbreite ihrer Werke hätten deutlich machen können.
Geschätzt als Musikerin und Salonière
In den seinerzeit berühmten „Sonntagskonzerten“ im Berliner Haus der Bankiersfamilie Mendelssohn, halböffentlichen Veranstaltungen unter Beteiligung professioneller Musiker, wurden hauptsächlich Kammermusiken aufgeführt. Aber auch Werke in kleinen Orchesterbesetzungen, Vokalkompositionen und sogar Opern standen auf dem Programm, wozu sich die gesamte gesellschaftliche und geistige Elite Berlins traf.
Nachdem Felix 1829 das Elternhaus für seine Bildungsreisen durch Europa verlassen hatte, übernahm Fanny die Leitung der Reihe, die sie bis zu ihrem überraschenden Tod im Mai 1847 innehatte. Die Sonntagskonzerte waren fast der einzige Ort, an dem man ihre Kompositionen hören konnte.
Mit dem Klavierquartett As-Dur (1822) und der Klaviersonate c-Moll (1824) wagte sich Fanny in den 1820er-Jahren auf ein Gebiet, das damals noch als männliche Domäne galt.
Ihr Mann, der Maler Wilhelm Hensel, stand ihren kompositorischen Ambitionen anfangs skeptisch gegenüber. Doch war er mehr und mehr von ihrem Talent überzeugt, unterstützte sie, wo er konnte, und sorgte dafür, dass einige ihrer Werke auch posthum veröffentlicht wurden.
Nicht die nötige „Consistenz"?
„Ich habe nachgedacht, wie ich eigentlich gar nicht excentrische oder hypersentimentale Person zu der weichlichen Schreibart komme? Ich glaube, es kommt daher, daß wir gerade mit Beethovens letzter Zeit jung waren [...] ich bin drin stecken geblieben [...] meine längern Sachen [sterben] in ihrer Jugend an Altersschwäche, es fehlt mir die Kraft, die Gedanken gehörig festzuhalten, ihnen die nötige Consistenz zu geben."
Diese illusionslose Selbstkritik, geschrieben in einem Brief, den Fanny am 17. Februar 1835 ihrem Bruder Felix schrieb, hat viel zur Verkennung der Komponistin Fanny Mendelssohn beigetragen. Auf der einen Seite lässt sich Fannys in mancherlei Hinsicht berechtigter Eigentadel nicht ganz entkräften.
Doch ohne Zweifel spielte in Fannys musikalischer Entwicklung auch ihr Verhältnis zu ihrem jüngeren Bruder Felix die zentrale Rolle, dessen geniale Leichtigkeit des Komponierens sie zu seiner glühendsten Bewunderin machte.
Fannys letztes größeres Werk war das Klaviertrio d-Moll von 1847. Es folgt im äußeren Zuschnitt ganz dem berühmten Trio ihres Bruders, ist in der Schreibart aber von diesem deutlich verschieden.
Das Klaviertrio zeigt eine Komponistin auf der Höhe einer kraftvollen und „konsistenten“ Schreibweise: Das weiträumige Hauptthema des Kopfsatzes, das Lied (anstelle eines Scherzos) und das rhapsodische Finale offenbaren eine eigenständige Komponisten-Persönlichkeit mit entschieden expressiven Qualitäten.