Musikstück der Woche

Christopher Park spielt Debussys „Children's Corner“

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Autor/in
Bettina Müller-Hesse

Für manche ist es ein fernes Land: Die Kindheit. Wer sich zurückerinnern will, versucht es vielleicht mal mit Claude Debussys Klavierzyklus „Children's Corner“. Da erwartet einen eine Welt, die zu schade wäre, sie nur den Kindern zu überlassen.

Emma und Miss Dolly

Debussy hat eine Tochter, Claude-Emma. Er nennt sie zärtlich Chouchou – Schätzchen. Sie stammt aus seiner Beziehung zu Emma Bardac, seiner letzten großen Liebe (von denen es viele gab); bis zu seinem Tod ist er mit ihr zusammen.

Claude-Emma ist drei Jahre alt, als ihr Vater ihr einen Zyklus von sechs Klavierstücken schenkt. Sie beschreiben Claude-Emmas Kuscheltiere und Spielsachen und tragen englische Titel. Der Franzose Debussy liebte alles, was englisch war, außerdem hatte Chouchou eine englische Gouvernante, Miss Dolly Gibbs, vielleicht auch eine Widmung an sie!

Von Elefanten und tanzenden Schneeflocken

Auf der Erstausgabe von „Children's Corner“ sieht man einen Plüschelefanten, das dürfte Jimbo sein, Chouchous Elefant. Ihm komponiert Debussy im zweiten Stück ein Schlafliedchen. Davor eine kleine pianistische Fingerübung, Debussy nennt sie „Doktor Gradus ad Parnassum“, so hieß schon ein (eher trockenes) barockes Kontrapunkt-Lehrbuch von Johann Joseph Fux – Debussy spart nicht an Humor!

Dann folgen ein Abendständchen für Chouchous Puppe, ein Blick in die Schneekugel („The snow is dancing“). Ein kleiner Hirte – eine Spielfigur, die „nach Harz und frischem Lack“ riecht – bekommt ein Stück, und zum Schluss tanzt noch Golliwogg, eine kleine Puppe mit dunkler Hautfarbe, einen Cakewalk.

Kaleidoskop einer Kindheit

„Meiner lieben kleinen Chouchou, mit den liebevollsten Entschuldigungen ihres Papas für das, was folgt“. Auch das steht auf dem Autografen. Nun, es gibt schlimmere Vergehen, als die, wofür Debussy sich hier entschuldigt.

Ja, wofür eigentlich? Vielleicht dafür, dass Claude-Emma diese Stücke – zumindest im Alter von drei - nicht wird spielen können, sie sind viel zu schwer. Vielleicht dafür, dass er Fux‘ Lehrstücke auf die Schippe nimmt? Das wird Chouchou egal sein.

Der Rest aber ist einfach nur schön für Kinderohren, und nicht nur die. Debussy leuchtet die Gemütszustände eines Kindes in allen Schattierungen aus: Begeisterung, Ungeduld, Neugier, Schüchternheit.

„Sie haben gelacht!“

Zur Uraufführung am 18. Dezember 1908 im Pariser „Circle musical“ erscheint Debussy nicht – wie üblich übrigens. Er kann nicht gut umgehen mit Kritik oder gar Buh-Rufen. Skeptisch darf er diesmal ja wirklich sein, immerhin hat er musikalisch einige Parodien in seine Klavierstücke eingebaut.

Der Pianist der Uraufführung, Harold Bauer, trifft Debussy nach dem Konzert. „Und – wie hat man´s aufgenommen“, fragt ihn Debussy nervös. „Sie haben gelacht“, antwortet Bauer. Und Debussy fällt ein Stein vom Herzen! Die Uraufführung wurde bejubelt.

Christopher Park

Christopher Park ist 1987 in Bamberg geboren und hat deutsch-südkoreanische Wurzeln. Mit 12 wurde er Jungstudent an der Saarbrücker Musikhochschule, später studierte er in Frankfurt. Wettbewerbe passen für ihn nicht zur Idee von Kunst, darum meidet er sie. Sein Credo: „Ich versuche immer, mit Zeit und Ruhe auf meine Arbeit zuzugehen“. Ein Lehrer habe ihm mal gesagt: „Christopher, du musst mit dem Stück spazieren gehen!“. Das versuche er jedes Mal neu umzusetzen.

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