Als „Schumanns legitimen Nachfolger“ betitelte „Die Zeit“ einmal Heinz Holliger. Ein Leben lang hat sich der Oboist, Komponist und Dirigent mit Schumanns Musik auseinandergesetzt. Gerade hat Holliger seinen 80. Geburtstag gefeiert. Wir gratulieren mit unserem Musikstück der Woche: Schumanns selten aufgeführte Violin-Phantasie in einer Aufnahme SWR-Aufnahme mit Holliger als Dirigenten. Solistin ist Isabelle Faust, die oft und gern mit Holliger arbeitet.
Schumann, der Schatzhüter
Mit Beethovens Violinkonzert fing alles an: Clara und Robert Schumann hörten es, gespielt von Joseph Joachim. Der war damals – 1853 – Anfang 20, auf dem Weg zum Jahrhundertgeiger und erregte beim Publikum und bei den Schumanns einen „ungeheuren Enthusiasmus“.
Kurz darauf schrieb Joachim an Robert Schumann: „Möchte doch Beethoven’s Beispiel Sie anregen, den armen Violinspielern, denen es, ausser der Kammermusik, so sehr an Erhebendem für ihr Instrument fehlt, aus Ihrem tiefen Schacht ein Werk an’s Licht zu ziehen, wunderbarer Hüter reichster Schätze!“
Eine glänzende Uraufführung
Und Schumann komponierte: zunächst die Phantasie für Geige und Orchester, dann sein Violinkonzert in d-Moll. Zur Phantasie schrieb er Joachim, er habe „während des Schaffens ... an Sie gedacht ... es ist mein erster Versuch. Schreiben Sie mir, was daran vielleicht nicht praktikabel.“
Joachim machte ein paar wenige Verbesserungsvorschläge, richtete auf Wunsch Schumanns die Noten der Geigenstimme mit Bogenstrichen und Fingersätzen ein und spielte am 27. Oktober 1853 eine glänzende Uraufführung, bei der Schumann selbst dirigierte.
Mehr zu Schumanns Violin-Phantasie op. 131
Und ein leider mattes Nachleben
Nach Schumanns Tod 1865 interpretierte man seine seelische Krankheit in die Musik hinein und hörte in der Violin-Phantasie ein „Gemälde von düsterer Färbung“, ein „Gelegenheitsstück, und zwar durchaus kein glückliches“. Noch heute lebt die Phantasie im Schatten von Schumanns Violinkonzert; selten taucht sie im Konzertleben auf.
Rettungsversuch für eine Phantasie
Zwei Gründe mag es dafür geben: zum einen die Länge – mit 15 Minuten ist die Phantasie für viele Solisten zu kurz, um sich angemessen auf der Bühne zu präsentieren, und die meisten Programm-Macher mögen eben doch die großen Brocken von Solokonzerten. Zum anderen die Zurückhaltung in Sachen Brillanz: Schumanns Geigenpart ist im Verhältnis mit dem technischen Schwierigkeitsgrad eher undankbar; in anderen Solostücken kann der Geiger sich bequemer in ein glänzendes Licht rücken.
An der Qualität von Schumanns Komposition kann’s jedenfalls nicht liegen. Alles, was wir auch an seinen späten Sinfonien und Konzerten schätzen, findet sich hier: die harmonische Finesse, die Tonarten oft nur flüchtig streift und der Musik eine schwebende Grazie verleiht, der melancholisch-glühende Grundton, die Schlüssigkeit, mit der Schumann seine musikalischen Themen behandelt, die Freiheit und dennoch Stringenz der Form und der dramatisch-drängende Gestus.