Musikstück der Woche vom 17.03.2014

Sinfonie aller Sinfonien

Stand
Autor/in
Kerstin Unseld

Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonie Nr. 40 g-Moll KV 550

Seit ihrer Entstehung war Mozarts Große g-Moll-Sinfonie das, was sie heute noch ist: Der unbestrittene Favorit unter den Werken der Klassik - viel gespielt, gern gehört und oft besprochen. Das Freiburger Barockorchester spielte unter der Leitung von René Jacobs am 5.11.2008 im Konzerthaus Freiburg Mozarts Sinfonie Nr. 40 d-Moll KV 550.

Entstanden in der Zeit "schwarzer Gedanken"

Es ist einer der meistzitierten Sätze, die man über Wolfgang Amadeus Mozart findet, und zwar jener, den Joseph Haydn geradezu visionär gegenüber Mozarts Vater Leopold geäußert haben soll: "Ich sage ihnen vor gott, als ein ehrlicher Mann, ihr Sohn ist der größte Componist, den ich von Person und den Nahmen nach kenne: er hat geschmack, und über das die größte Compositionswissenschaft." Und wenn man passend zu diesem Zitat eine Handvoll Werke von Mozart auswählen müsste, die diese Aussage belegen, dann wäre bestimmt die Sinfonie Nr. 40 dabei.

Für die einen ist sie einfach die "Große g-Moll", für Robert Schumann war sie die mit "griechisch schwebender Grazie", wieder andere, wie etwa Donald Francis Tovey, sahen in ihr Ähnlichkeiten mit Rossinis "Barbier von Sevilla"-Ouvertüre und für den "argentinischen James Last" Waldo de los Ríos war sie in einer Popversion 1971 die Grundlage seines Charterfolgs mit der Single "Mozart Symphony No. 40".

Tatsache ist, dass die Sinfonie KV 550 zu Mozarts bekanntesten Werken der Klassik zählt. Über die Entstehungszeit notierte Mozart in seinem "Verzeichnüß aller meiner Werke", dass sie gemeinsam mit den Sinfonien KV 543 und KV 551 innerhalb weniger Wochen im Sommer 1788 entstand. Wie im Rausch muss Mozart da an der Trias seiner letzten Sinfonien komponiert haben. Mozart quälten in dieser Zeit große Geldsorgen und in den Briefen an seinen Freimauerer-Bruder Puchberg spricht er von "schwarzen Gedanken", die ihn plagten. Hier musikalisch einen düsteren Tonfall wie den von g-Moll in Bezug zu stellen, liegt auf der Hand. Aber Düsterniss ist trotz alledem nicht der vorherrschende Charakter des Werkes. Ob diese g-Moll-Sinfonie KV 550 allerdings direkt nach der Entstehung überhaupt uraufgeführt wurde, kann nicht zweifelsfrei geklärt werden. Sicher ist, dass Antonio Salieri im April 1791 ein großes Benefizkonzert der Tonkünstlergesellschaft in Wien dirigierte und hier jene "große Sinfonie von der Erfindung des Hrn. Mozart" auf dem Programm stand. Für diese Aufführung und den befreundeten Klarinettisten Anton Stadler hatte Mozart das Werk mit Klarinettenstimmen ausgestattet, weshalb es uns heute in zwei Fassungen vorliegt. Meist wird die "Sinfonie aller Sinfonien", wie sie im 19. Jahrhundert begeistert genannt wurde, in dieser späteren Klarinettenfassung gespielt. Bis heute hat die große g-Moll-Sinfonie nichts von ihrer Popularität eingebüßt; keine andere Sinfonie liegt in so vielen Aufnahmen vor, und jede neue Interpretation ist eine Herausforderung, sich diesem Werk wieder neu zu nähern.

Der Dirigent René Jacobs

Mit mehr als zweihundert Aufnahmen und einer intensiven, vielfältigen Tätigkeit als Sänger, Dirigent, Wissenschaftler und Lehrer hat René Jacobs eine bedeutende Stellung im Bereich der barocken und klassischen Vokalmusik erlangt. Er erhielt seine erste musikalische Ausbildung als Chorknabe in der Kathedrale seiner Heimatstadt Gent. Neben weiterführenden Studien der klassischen Altertumswissenschaften an der Universität von Gent setzte er seine Gesangsausbildung fort. 1977 gründete er das Ensemble Concerto Vocale, mit dem er die vokale Kammermusik des 17. Jahrhunderts sowie das Opernrepertoire erkundete. Er begann daraufhin eine Serie von innovativen Aufnahmen bei Harmonia Mundi, die sämtlich von der internationalen Presse ausgezeichnet wurden. 1983 folgte sein Debüt als Operndirigent mit der Produktion von Cestis »L’Orontea« bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik.
René Jacobs wurde zum Ehrendoktor an der Universität von Gent ernannt und erhielt viele herausragende Auszeichnungen von Musikkritikern in Europa (u. a. den Deutschen Schallplattenpreis, den Grammophone Award, den Prix de l’Académie Charles Cros und den Midem Classical Award) und in den USA, wo seine Aufnahme von Mozarts »Le nozze di Figaro« einen Grammy Award für die beste Operneinspielung 2005 gewann.
Während seiner Zeit als Professor an der Schola Cantorum Basiliensis pflegte er eine besonders intensive Beziehung zu dieser Institution, wo er viele Sänger unterrichtete, die jetzt an den führenden internationalen Häusern und Festivals aktiv sind. René Jacobs war von 1997 bis 2009 Künstlerischer Leiter der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik.

Freiburger Barockorchester

Das "Barock" im Namen des Freiburger Barockorchester Orchesters ist mehr als nur eine Epochenbezeichnung: Es steht für die aufführungspraktische Perspektive der Musiker und für ihren Spaß am Musikantischen, an einem kultivierten und zugleich virtuosen Ensemblespiel. Mit diesem musikalischen Selbstverständnis hat das  Freiburger Barockorchester die bekanntesten Konzertsäle der Welt erobert. Aus der barocken Perspektive klingt gerade die Musik des 18. und 19. Jahrhunderts jung und modern und keineswegs nach Alter Musik, sondern so unmittelbar, als wäre die Tinte auf den Notenblättern noch feucht.

Unter der künstlerischen Leitung seiner beiden Konzertmeister Gottfried von der Goltz und Petra Müllejans oder unter der Stabführung ausgewählter Dirigenten präsentiert sich das FBO mit rund einhundert Auftritten pro Jahr in unterschiedlichen Besetzungen vom Kammer- bis zum Opernorchester: ein selbstverwaltetes Ensemble mit eigenen Abonnementkonzerten im Freiburger Konzerthaus, in der Stuttgarter Liederhalle und der Berliner Philharmonie und mit Tourneen in der ganzen Welt.

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Kerstin Unseld