Musikstück der Woche vom 25.03.2013

Zwischen Stockholm und Napoli

Stand
Autor/in
Kerstin Unseld

Seine Es-Dur-Sinfonie hat Joseph Martin Kraus geschrieben, wie andere Leute Postkarten. Doch eigentlich sollte er auf seiner Reise nicht komponieren sondern Europas Opernhäusern auskundschaften.

Das Freiburger Barockorchester spielte am 30.9.2008 im Konzerthaus Freiburg diese in Rom entstandene Es-Dur-Sinfonie von Joseph Martin Kraus.

Vom Odenwald nach Schweden und dann in die Welt 

"Stockholm ist gewiß reicher an Malerischem als Neapel und an großen Aussichten mannigfaltiger, als vielleicht jemals eine der andern berühmten Städte in Europa." Das schrieb Joseph Martin Kraus seiner Familie nach hause, nach Amorbach im Odenwald. Er lebte gerne in Stockholm als des schwedischen Königs Hofkapellmeister und wollte sich in das Musikleben seiner neuen Heimat einmischen. "Ich lern jetzt schwedisch auf Mord", verkündete er und schaffte es immerhin, schon nach kurzem sich an  kulturpolitischen Debatten in den schwedischen Zeitungen auf schwedisch sich sehr aktiv und prononciert zu beteiligen.

Suche nach Glück als Komponist

In Schweden regierte König Gustav III., ein Reformer. Der absolute Monarch ging als "Theater-König" in die Geschichte ein. 1771 gründete er die schwedische Musikakademie, zwei Jahre später die Schwedische Hofoper und dazu holt er sich die Komponisten aus dem Ausland. 1786 ließ er Abbé Vogler von der berühmten Hofkapelle des Kurfürsten Carl Theodor aus Mannheim kommen. Im Jahr drauf den Dresdner Hofkapellmeister Johann Gottlieb Naumann. Kraus dagegen kam 1778 mit 22 Jahren ungefragt nach Stockholm, ein schwedischer Kommilitone beim Jurastudium in Göttingen hatte ihm dazu geraten. Kraus, der nie Musik studiert hat und zu dieser Zeit bestenfalls ein begabter Dilettant ist, gab sich dort als Komponist aus und suchte sein Glück.

"Schwedischer Mozart"?

Es sind die Lebensdaten, die Kraus hartnäckig den Vergleich mit Mozart und ihm den Beinamen des "Schwedischen Mozart" einbringen. Aber das ist eine falsche Fährte. Kraus und Mozart sind sich in ihrer Musik völlig fremd, betont Volkmar Braunbehrens, der Freiburger Mozartforscher und engagiertes Mitglied der Joseph Martin Kraus-Gesellschaft.

Kraus scheint Mozart nicht sehr interessiert zu haben. Und: Ich glaube, dass Kraus die Vorstellung hatte, dass Mozart so etwas wie ein höfischer Komponist sei. Ein totales Missverständnis natürlich. Mit einem galanten höfischen Stil wollte Kraus überhaupt nichts zu tun haben. In seiner Musiksprache ist er eher schroff und abweisend, kommt viel stärker aus dem Sturm und Drang.

Schwedische Opern für Stockholm

Aber dem König gefällt's: 1781 ernannte König Gustav III. Kraus zum zweiten Kapellmeister, und Kraus arbeitet an der und für die Stockholmer Oper. Denn der König förderte sehr ambitioniert sein neues Opernhaus. Er wollte keine italienischen Opern sondern schwedische Opern sehen. Dazu sandte er 1782 seinen Kapellmeister Kraus auf 'Expeditionsreise' durch Europa. Nicht um die Musik zu studieren, befahl der König, sondern um in Dresden und Mannheim, Wien und Bologna, Rom und Neapel, Paris und London die neuen Theater zu inspizieren und Sänger zu engagieren.

Ende 1783 kreuzten sich die Reisewege von Kraus und König Gustav III.. Gemeinsam reisten sie nach Rom weiter. Dort wohl schrieb Kraus seine Sinfonie in Es-Dur, die uns heute in zwei Fassungen des Larghetto vorliegt (hier gespielt in einer Version mit großem Oboensolo). Nach einem Abstecher nach Neapel reiste das königliche Gefolge nach Paris, wo Kraus zwei Jahre lang blieb. Er nutzte die Gelegenheit, von Paris aus die Händel-Säkularfeiern 1785 in London zu besuchen, traf ein letztes Mal im August 1786 mit Eltern und Geschwistern in Amorbach zusammen, ehe er endgültig im Dezember nach Stockholm zurückkehrte.

Kraus meldete wenig Neues über Opernhäuser, klagte dafür umso mehr über Missstände, und seine große Reise war – aus Sicht des schwedischen Hofes – ein Flopp. Mit einer Ausnahme: In Paris lernte Kraus drei Sinfonien von Mozart kennen und revidierte wohl ganz grundsätzlich sein Bild von Mozart. 

Freiburger Barockorchester

Das "Barock" im Namen des Freiburger Barockorchester Orchesters ist mehr als nur eine Epochenbezeichnung: Es steht für die aufführungspraktische Perspektive der Musiker und für ihren Spaß am Musikantischen, an einem kultivierten und zugleich virtuosen Ensemblespiel. Mit diesem musikalischen Selbstverständnis hat das  Freiburger Barockorchester die bekanntesten Konzertsäle der Welt erobert. Aus der barocken Perspektive klingt gerade die Musik des 18. und 19. Jahrhunderts jung und modern und keineswegs nach Alter Musik, sondern so unmittelbar, als wäre die Tinte auf den Notenblättern noch feucht.

Unter der künstlerischen Leitung seiner beiden Konzertmeister Gottfried von der Goltz und Petra Müllejans oder unter der Stabführung ausgewählter Dirigenten präsentiert sich das FBO mit rund einhundert Auftritten pro Jahr in unterschiedlichen Besetzungen vom Kammer- bis zum Opernorchester: ein selbstverwaltetes Ensemble mit eigenen Abonnementkonzerten im Freiburger Konzerthaus, in der Stuttgarter Liederhalle und der Berliner Philharmonie und mit Tourneen in der ganzen Welt.

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Kerstin Unseld