Nichts für Bandscheiben-Geplagte!
Wer die Uraufführung von Mozarts Oper "Lucio Silla" hören wollte, musste sieben Stunden Zeit mitbringen: Davon drei Stunden Wartezeit auf die Ankunft des Erzbischofs von Mailand, der sich ein wenig verspätet hatte und ohne den man leider nicht beginnen konnte; und vier weitere Stunden für die Aufführung der Oper samt dreier Ballettmusiken. Wer durchhielt, wurde aber reichlich belohnt: Von der erstaunlich reifen Musik des erstaunlich jungen Mozart – er war an diesem zweiten Weihnachtstag im Jahr 1772, dem Datum der Uraufführung, noch keine 17 Jahre alt. Bereits deutlich ausgeprägt ist in dieser Oper Mozarts große Begabung, die menschlichen Seelenregungen in Musik zu übersetzen; mehr noch: mit der Musik emotionale Extreme auszudrücken und auch Zwischentöne anzudeuten, die dem Text der Oper und der dargestellten Handlung eine zusätzliche Bedeutungsebene hinzufügen.
Die Handlung in Kurzform
Mozarts Librettist Giovanni da Gamerra verknüpft einen Stoff aus der Antike mit einer frei erfundenen, ziemlich verwickelten Liebesgeschichte. Wie (fast) immer in der Oper, fällt die Liebe nicht dahin, wo sie sollte, und beschert so allen Beteiligten Schwierigkeiten. Der römische Diktator Silla will mit Gewalt das Herz der schönen Giunia erobern. Die hält aber ihrem Verlobten Cecilio die Treue. Cecilios Freunde planen ein Attentat auf Silla – das misslingt. Jetzt hat der Diktator einen guten Grund, seinen Nebenbuhler aus dem Weg zu räumen: er verurteilt Cecilio zum Tode. Doch am Ende geht alles gut aus: Silla gewährt mit großer Geste seinem Widersacher Gnade und tritt vom Herrscherthron zurück.
Proben mit Allüren
Die Probenzeit in Mailand verlief für Mozart höchst unerfreulich: Er hatte zwar die besten Sänger der Stadt zur Verfügung, musste sich aber auch mit deren Launen und Sonderwünschen abplagen. Einzig die Primadonna des Abends, Anna de Amicis, war zufrieden. Für sie komponierte Mozart die Partie der Giunia - mit drei großen Arien, die alle in psychische Grenzsituationen führen. Mozarts Vater berichtet in einem Brief: "die Sgra: de Amicis […] ist mit ihren 3 Arien, die sie bis dermahlen hat, ganz ausserordt: zu frieden. der Wolf. Hat ihr ihre Haupt=Arie [nicht 'unsere' Musikstück-Arie] mit solchen Passagen gemacht, die neu und ganz besonder erstaunlich schwer sind; sie sind solche, daß man erstaunen muß."
Arie der Giunia: Frà i pensier più funesti di morte
In den finstersten Gedanken an den Tod
Scheine ich den todesbleichen Gatten zu sehen,
Wie er mir mit eiskalter Hand
Die noch warme Wunde zeigt
Und mir sagt: "Was zögerst Du noch zu sterben?"
Schon schwanke, schwinde, sterbe ich,
Und beeile mich, dem treuen Schatten
Meines geliebten toten Bräutigams zu folgen.
Freiburger Barockorchester
Das "Barock" im Namen des Freiburger Barockorchester Orchesters ist mehr als nur eine Epochenbezeichnung: Es steht für die aufführungspraktische Perspektive der Musiker und für ihren Spaß am Musikantischen, an einem kultivierten und zugleich virtuosen Ensemblespiel. Mit diesem musikalischen Selbstverständnis hat das Freiburger Barockorchester die bekanntesten Konzertsäle der Welt erobert. Aus der barocken Perspektive klingt gerade die Musik des 18. und 19. Jahrhunderts jung und modern und keineswegs nach Alter Musik, sondern so unmittelbar, als wäre die Tinte auf den Notenblättern noch feucht.
Unter der künstlerischen Leitung seiner beiden Konzertmeister Gottfried von der Goltz und Petra Müllejans oder unter der Stabführung ausgewählter Dirigenten präsentiert sich das FBO mit rund einhundert Auftritten pro Jahr in unterschiedlichen Besetzungen vom Kammer- bis zum Opernorchester: ein selbstverwaltetes Ensemble mit eigenen Abonnementkonzerten im Freiburger Konzerthaus, in der Stuttgarter Liederhalle und der Berliner Philharmonie und mit Tourneen in der ganzen Welt.