Die Tuba wurde zum Instrument des Jahres 2024 gekürt. Höchste Zeit, dieses Instrument ins verdiente Rampenlicht zu stellen, findet auch Komponist und SWR2-Autor Gordon Kampe.
Tuba, das heimlich Instrument des Jahrzehnts
Die Tuba ist also Instrument des Jahres 2024. Eine Frechheit ist das. Vielmehr sollte sie nämlich Instrument des Jahrzehnts werden!
Überhaupt sollte ab sofort jedem Stück, egal wie es besetzt ist, eine Tuba beiwohnen. Sie muss ja nicht immer spielen, macht auch optisch schon was her.
Lieber Tuba als halbverhungerte Piccoloflöten-Flageoletts
Kennen Sie das Gefühl, wenn sie im Konzert – zum Beispiel in etwas länglichen Adagiosätzen, trotz zweifelsfrei supertricky gearbeitetem Kontrapunkt – langsam ein ganz kleines bisschen wegdämmern? Der Tag war ja lang.
Und dann sehen sie aus den Augenwinkeln, wie die Körper der Schutzblechfraktion des Orchesters langsam wieder Spannung annehmen, zu den Instrumenten greifen, einatmen und dann: BÄMM! Während die Trompeten den Puls in die Höhe treiben, drückt sie so’n Tubaton ordentlich in den Sitz!
Als Profi müsste ich natürlich von den Vorzügen der Kargheit halbverhungerter Piccoloflöten-Flageoletts in Mittellage schwärmen, aber, was soll’s: Ich liebe es, wenn ich weggeblasen werde. Mild und leise kommt später.
„Ausdruck tierischer Sinnlichkeit“
Tuba ist noch ein recht junges Küken, auch wenn sie nicht so ausschaut. Hätte Mozart die Tuba gekannt, es gäbe ab KV 627 fünfzehn Einträge mit Solo-Tuba.
Vielleicht hätte Hector Berlioz, einer der genialsten Nerds überhaupt, in seiner sensationell ulkigen Instrumentationslehre ihr dann auch ein ausführlicheres Kapitel geschenkt. Leider finden sich nur ein paar Sätze, die dann aber schon aus der Feder von Richard Strauss entstammen, der das Berlioz-Buch kommentierte.
Mit ihren „heiser grollenden Tönen“, schreibt er, sei die Tuba „ebenso das Symbol des unauslöschlichen Hasses und des Neides des Nibelungen Alberich, wie der drohenden Zornesader auf Wotans Stirn.“
Über die Basstuba heißt es später, sie sei in der Tannhäuser-Ouvertüre überhaupt nur in mezzoforte „erträglich“. Immerhin wirke sie „wunderbar“ als „Ausdruck tierischer Sinnlichkeit“ im Bacchanal der Venusberg-Szene. Der Glitzerkönig Rimsky-Korsakoff meint, dass sich die Tuba hauptsächlich zur Verdopplung eigne.
Schenke der Tuba eine schöne Stelle!
Potztausend! Kollegen, also bitte: Hass, Neid, tierische Sinnlichkeit – und – horribile dictu: Verdopplung? Noch so’n paar Sätze und ich muss euch leider canceln.
Dass die Tuba nämlich nur grollt und drückt und föhnt – ist Quatsch! Wer noch nie eine Solo-Tuba in höchster Lage gehört hat, hat noch nix gehört. Wenn ich vor Orchesterpartituren sitze, dann klebt immer ein Zettel mit dem § 56b der Lex Kampe als Erinnerung darin: Schenke der Tuba eine schöne Stelle!
Im Tuba-Himmel
Wenn sich eine hohe Tuba aus einem schlammigen Blubberakkord gestopfter Hörner heraus schält, begleitet von ein paar gedämpften Bratschen, sich am Ende einer Linie noch ein paar Kuhglocken unisono dazumischen und die Passage mit vier sehr, sehr hohen Kontrabässen abgerundet wird – hach, dann ist das der Tuba-Himmel.
Also, Anregung fürs neue Jahr: Werfen Sie ihre Konzertblümchen nicht einfach auf die Bühne. Zielen sie auf den Tubatrichter – zack – da gehören sie hin!