Das Prinzip der Feuerorgel-Mechanik ist rein thermodynamisch: eine normale Orgelpfeife klingt, indem durch Druckluft eine Luftsäule entsteht, die eine bestimmte Tonhöhe erzeugt. Die Feuerorgel erreicht dasselbe durch das naturphysikalische Gesetz, daß warme Luft aufsteigt, damit gibt es keinen Bedarf an externen Kräften. Da alle Flammen in mundgeblasenen Glasgefäßen und Röhren eingeschlossen sind, entsteht keinerlei Gefahr.
Wenn eine Gasflamme in einer Röhre plaziert wird, geht die Luft über sie hinweg, und die Flamme wird in Vibration versetzt – musikalische Klänge sind die Folge. Die jeweilige Tonhöhe basiert auf demselben Prinzip wie diejenige einer Orgelpfeife – mit anderen Worten: die Länge der Röhre bestimmt den entstehenden Klang. In diesem Fall spielt die Temperatur der Flamme ebenfalls eine Rolle. Die Vibration der Flamme besteht, während der Klang fortdauert, aus einer Folge von periodischen, totalen oder partiellen Auslöschungen, wobei die Flamme stets zwischen je zwei Auslöschungen ihre Helligkeit zurückerlangt. Neben dem Grundton der entsprechenden Röhre kann die Flamme also auch Obertöne der Röhre anregen. Indem man die Größe der Flamme (ihre Temperatur) variiert, kann man eine Folge von Tönen erzeugen, deren Vibrationen sich im Verhältnis 1:2:3:4:5 verhalten – den Grundton und seine ersten vier Obertöne.
Projektbeschreibung
Die akustischen und optischen Experimente quasi aller meiner Arbeiten basieren nicht auf Metaphern oder rein philosophischen Gedanken oder Aussagen – sie gehen meistens auf Kindheitserfahrungen zurück. Dies formte meine Arbeiten, in denen ich mehrere Disziplinen simultan miteinander kombinierte, um auszudrücken oder zu demonstrieren, wie Gedanken, Ideen oder Erinnerungen in andere Medien transfomiert werden können. Eine Kombination von visuellen Elementen (kinetischen oder plastischen) und Musik (Klang und Raum) bildet die Basis, aber die individuelle Wahrnehmung jedes Hörers ergibt einen anderen oder dritten Aspekt, einen gedanklichen Weg, der nur von dem jeweiligen Hörer an einem bestimmten Ort und Zeitpunkt verstanden wird.
Zum ersten Mal wurde ich – mindestens unbewußt – dieser Erscheinung gewahr, als ich als Junge von etwa zehn Jahren an einem jährlichen Dorffest teilnahm. Dies war der Auslöser für das FireOrgan-Projekt und auch für einige andere Konzepte, die ich in meinem eigenen System re-interpretieren wollte. Alle diese lebenslangen Ansammlungen von Erfahrungen und Gedanken werden schließlich in verschiedenen musikalischen Formen, Installationen oder Performances ihren Ausdruck finden.
Hintergrund
Im Rheintal im Süden Deutschlands, wo ich aufgewachsen bin, war es Brauch, daß die Jungen bereits Anfang November in den nahegelegenen Wäldern Äste und Sträucher schlugen, die für ein besonderes Freudenfeuer-Fest in der Woche nach Karneval, normalerweise im Februar, gebraucht wurden. Das Fest markierte das Ende des Winters, und es wurde seit ein paar Jahrhunderten gefeiert – man sagte uns, es diene dazu, "die Winterdämonen zu vertreiben", aber es hatte wahrscheinlich seine Ursprünge in einer alten Zeremonie der Hexenverbrennung. Das große Feuer wurde immer auf dem höchsten Hügel entzündet, so daß die Leute im Dorf das Spektakel aus der Ferne beobachten konnten.
Beim Freudenfeuer wurden handgespaltene quadratische Holzkeile "aerodynamisch" geformt, mit einem Loch in der Mitte, so daß sie mit acht Fuß langen Stöcken aus Haselnußholz geschleudert werden konnten. Die Scheiben wurden angezündet und umhergewirbelt, bis sie glühten, und dann so hoch und weit wie möglich in den Nachthimmel katapultiert, wobei sie in alle Richtungen über die darunterliegenden Weinhänge wirbelten. Die verschiedenen Klänge, die von den fliegenden, glühenden Scheiben ausgingen, waren ganz erstaunlich – es war ein gleichzeitig akustisches wie optisches Spektakel. Aber die noch viel größere Klang- Polyphonie kam von dem riesigen Feuer selbst. Es war faszinierend, dem "Chor" der heißen Flammen zu lauschen, den kurzen Ausbrüchen von Dampfpfeifen- Klängen und den sich ständig verändernden Tonhöhen und Geräuschen, die stundenlang andauerten. Farben, Licht, Reflexionen, Wärme, singende Klänge in der kalten Nacht: ein in meiner Erinnerung unvergleichliches Ereignis. Es hatte zweifellos eine starke Wirkung auf mich – und es war die früheste Erfahrung einer umfassenden Kombination der Elemente in meinem Kopf. Bis heute werden solche Freudenfeuer entzündet, und sie inspirieren vielleicht andere Menschen heute ebenso wie damals mich.
- Festivaljahrgänge
- Donaueschinger Musiktage 1998
- Themen in diesem Beitrag
- Trimpin, FireOrgan
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- Werke des Jahres 1998: Trimpins "Conloninpurple", Werke des Jahres 2007: Trimpins "Klangquelle", Werke des Jahres 2007: Trimpins "Jackbox"