Seit meinem letzten Stück "La chambre claire" (Das helle Zimmer) interessiere ich mich für Konzepte, die aus dem Universum der Fotografie herrühren: die unendliche Reproduktion eines flüchtigen Augenblicks und die Idee eines animierten Panoramas unter der Einwirkung von Licht. "Camera lucida" nannte man den Apparat, der es vor Erfindung der Fotografie ermöglichte, ein Objekt durch ein Prisma zu zeichnen: ein Auge auf das Modell gerichtet, das andere auf das Papier. Ich wollte meine "Camera lucida" auf dieser Idee aufbauend realisieren: ein Auge auf das Notenblatt, das andere auf das Orchester gerichtet; ich kann die Genauigkeit und die Dauer der Beobachtung beliebig modifizieren, indem ich die Größe der Linsen und die Überblendungsgeschwindigkeit meines virtuellen Fotoapparats verändere.
Das Stück ist also ein Neuarrangement von "Bildern", die mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Einstellungen aufgenommen wurden (Vergrößerung oder Verkleinerung eines Bildes durch die implizierte Klangmasse und die Reproduktionsgeschwindigkeit). Diese Ästhetik kann mit jener der Bildbewegung der Pop Art der sechziger Jahre in Zusammenhang gebracht werden, insbesondere mit den Arbeiten Andy Warhols: serielle Reproduktionen ein und desselben Klischees; ein Spiel mit den Möglichkeiten der Vergrößerung und den Farben der Auflage.
Musikalisch benutze ich das in Schleifen legen eines Satzes oder eines Tons, Filtrierungs-, Dehnungs- oder Kompressionsprozesse. Diese Reflexion über die zeitliche Entwicklung musikalischer Parameter ist ein zentrales Thema meiner gegenwärtigen Produktion.
- Festivaljahrgänge
- Donaueschinger Musiktage 1999
- Themen in diesem Beitrag
- Misato Mochizuki, CAMERA LUCIDA für großes Orchester
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