Donaueschinger Musiktage 2002 | Bericht

Bericht über Alan Hilarios "Phonautograph"

Stand

Vier Plattenspieler, vier Frauenstimmen, ein Countertenor, ein Posaunist und Live-Elektronik bindet Alan Hilario ein in seine ungewöhnliche, brachiale Klangkomposition "Phonautograph".

Eine Klangebene bilden die vier Plattenspieler. Die Schallplatten präparierte Hilario: Er kratzte Rillen ein und schleifte mit Sandpapier auf ihnen herum, so dass sie bei gleichzeitigem Abspielen einen Rhythmus aus vielen Schichten generieren. Billige, alte europäische Schlager-Platten vom Flohmarkt verwendet der Philippino Hilario, weil sie für ihn eine exotische Klangfarbe haben. Dennoch blendet er den Kontext der Aufnahmen aus. Die Schallplatte, so sagt er, stehe in seiner Komposition als Medium symbolisch für die Einflüsse der Medien auf die globalisierte Welt, auch auf verschiedene Musikkulturen.

Den Charakter der Schlager-Musik unterdrückt Hilario, statt dessen greift er auf Militärmusik zurück. Als Gegenpol dazu setzt er die Ausdrucksstärke und die Konnotation von vier Frauenstimmen, die er unmelodiös entgegen einer temperierten Klangvorstellung anlegt. Parallel dazu verzichtet Hilario auch auf die Farbe der Sprache, auf die semantische Ebene, indem er den Stimmen keinen Text, sondern nur einsilbige philippinische Wörter zuschreibt. Als Verbindung zwischen Stimmen und Plattenspielern fungiert die Posaune. Aufgrund ihres großen Klangumfangs sei sie, schwärmt Hilario, bestens für die Komposition mit Mikrointervallen geeignet.

Hilarios "Phonautograph" liegt eine ungewöhnliche, brachiale Klangvorstellung zugrunde, die sich aufreibt wie die verkratzten Schallplatten. Fernab jeglicher harmonischer Stimmung setzt Hilario sie um: Er arbeitet mit Mikrointervallen, vermeidet große Sprünge, verzichtet auf jede Andeutung von Melodien und setzt glissandierende Klänge ein.

Stand
Autor/in
SWR