Er wäre geeignet für klassische Ratespiele: Im Leben von Robert Schumann werden einzelne Jahreszahlen oft bestimmten Gattungen zugeordnet. So gibt es beispielsweise das „Liederjahr“ 1840 oder 1842 das so genannte „Kammermusikjahr“, in dem Schumann seine drei Streichquartette geschrieben hat und sein Klavierquintett. Diese zentralen Kammermusik-Werke sind nun auf einem neuen Doppelalbum mit dem Quatuor Hanson zu hören, zu dem sich auch Pianist Adam Laloum gesellt.
Sehr detailreiche Lesart von Beginn an
Langsam schlängelt sich die Melodie durch die einzelnen Stimmen: erst die beiden Geigen, dann die Bratsche, schließlich das Cello. „Espressione“ – mit Ausdruck möchte Robert Schumann diese Einleitung zu seinem ersten Streichquartett gespielt wissen.
Und das Quatuor Hanson befolgt diese Vorgabe gewissenhaft: Es spielt vorsichtig und zärtlich, fast ein wenig zerbrechlich, bis es dann, im folgenden schnellen Teil, gezielt auf die Höhepunkte zusteuert. Schon in diesem ersten Satz liefert das französische Ensemble eine klanglich klug aufgefächerte, sehr detailreiche Lesart.
Kontraste verschmelzen zu neuer Einheit
Im Scherzo hören wir dann ein nervöses und zugleich entschieden-kraftvolles Vorpreschen. Was in diesem Scherzo so genau auf den Punkt gebracht wird, kehrt im weiteren Verlauf dieses Albums häufig wieder: das Gefühl, dass das Quatuor Hanson Kühle und Wärme miteinander verschmelzen und aus diesen Kontrasten eine Einheit entstehen lässt.
Im Beiheft erklären die Mitglieder, wie sie im Laufe der Zeit stets neue Seiten an den drei Schumann-Quartetten aufgedeckt haben. Das glaubt man gern, wenn man diese Aufnahme hört.
Vitalität und innere Balance
Denn an Vitalität mangelt es nicht: etwa im Finale des zweiten Quartetts. Auf einen ersten entschlossenen Akzent folgt eine Passage, die leicht und fröhlich klingt. Dazu tragen auch die gezupften Begleitstimmen entscheidend bei.
Was mich immer wieder überzeugt, ist die innere Balance, mit der das Quatuor Hanson die Feinheiten hörbar macht. Zwar stechen einzelne Akzente gut erkennbar hervor, aber sie wirken nicht erzwungen oder mit erhobenem Zeigefinger gespielt. Dazu sind die Tempi mit viel Umsicht gewählt.
In den langsamen Sätzen erzeugt das französische Ensemble eine eigene Spannung. Von schnelleren Abschnitten umgeben, wirkt beispielsweise das Adagio im dritten Quartett wie eine lyrische Insel – eine Insel, die aber nicht von düsteren Momenten, von drohenden Gefahren verschont bleibt.
Der dritte Satz des dritten Streichquartetts auf YouTube
Klavierquintett wird nicht als Klavierkonzert interpretiert
Das Klavierquintett von Robert Schumann war das erste Werk, dass das Quatuor Hanson mit dem Pianisten Adam Laloum im Konzert aufgeführt hat. Logisch also, dass es nun auch auf diesem Album Platz gefunden hat.
Oft hört man dieses Klavierquintett wie ein verkapptes Klavierkonzert mit vier assistierenden Streichern. Nein, das hat Schumann nicht gewollt, vielmehr ein engmaschiges, gleichberechtigtes Miteinander. Genau das hören wir hier – selbst wenn alle fünf gemeinsam marschieren: verhalten, suchend und fragend.
Pianist Adam Laloum weiß, wie man die Klavierstimme einbringt, ohne sich selbst in den Vordergrund zu beamen. Feingliedrig wirkt das. Auch weil das Quatuor Hanson jederzeit sehr wach agiert, neugierig, zugleich entschlossen. Musik des 32-jährigen Robert Schumann: Hier klingt sie reich an Farben und Ideen.
Weitere Aufnahmen mit Kammermusik von Robert Schumann
Album-Tipp Leonkoro Quartet: Schumann und Ravel Streichquartette
Für ein junges Streichquartett ist das erste CD-Album immer so etwas wie eine Visitenkarte. Weniger fürs Publikum gedacht, vielmehr mit Blick auf Konzertveranstalter und Agenturen konzipiert, um Konzerttermine zu ergattern. Bei dem Leonkoro-Quartet ist das anders. Trotz ihrer jungen Jahre sind sie bereits glänzend im Geschäft. Auf ihrer ersten CD kombinieren sie das vielgespielte Streichquartett von Maurice Ravel mit dem letzten Streichquartett von Robert Schumann. Zwei völlig verschiedene Klangwelten, ein weites Spannungsfeld tut sich da auf, findet Eleonore Büning.
Album-Tipp Schumanns Kammermusik mit Isabelle Faust und Freunden: Blindes Verstehen
Sie haben bereits mehrere gemeinsame Kammermusik-Aufnahmen vorgelegt, unter anderem mit den Klaviertrios von Robert Schumann: Geigerin Isabelle Faust und ihre musikalischen Freunde Jean-Guihen Queyras sowie Pianist Alexander Melnikov. Was Schumann betrifft, hat es lange Zeit noch eine diskographische Lücke gegeben. Die wurde jetzt mit der Kombination von Klavierquartett und Klavierquintett geschlossen. Ob die Aufnahme eine Empfehlung wert ist, verrät Christoph Vratz.