Album-Tipp

Das Quatuor Hanson mit Schumanns Streichquartetten: „Reich an Farben und Ideen“

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Autor/in
Christoph Vratz
Christoph Vratz

Er wäre geeignet für klassische Ratespiele: Im Leben von Robert Schumann werden einzelne Jahreszahlen oft bestimmten Gattungen zugeordnet. So gibt es beispielsweise das „Liederjahr“ 1840 oder 1842 das so genannte „Kammermusikjahr“, in dem Schumann seine drei Streichquartette geschrieben hat und sein Klavierquintett. Diese zentralen Kammermusik-Werke sind nun auf einem neuen Doppelalbum mit dem Quatuor Hanson zu hören, zu dem sich auch Pianist Adam Laloum gesellt.

Sehr detailreiche Lesart von Beginn an

Langsam schlängelt sich die Melodie durch die einzelnen Stimmen: erst die beiden Geigen, dann die Bratsche, schließlich das Cello. „Espressione“ – mit Ausdruck möchte Robert Schumann diese Einleitung zu seinem ersten Streichquartett gespielt wissen.

Schon in diesem ersten Satz liefert das französische Ensemble eine klanglich klug aufgefächerte, sehr detailreiche Lesart.

Und das Quatuor Hanson befolgt diese Vorgabe gewissenhaft: Es spielt vorsichtig und zärtlich, fast ein wenig zerbrechlich, bis es dann, im folgenden schnellen Teil, gezielt auf die Höhepunkte zusteuert. Schon in diesem ersten Satz liefert das französische Ensemble eine klanglich klug aufgefächerte, sehr detailreiche Lesart.

Kontraste verschmelzen zu neuer Einheit

Im Scherzo hören wir dann ein nervöses und zugleich entschieden-kraftvolles Vorpreschen. Was in diesem Scherzo so genau auf den Punkt gebracht wird, kehrt im weiteren Verlauf dieses Albums häufig wieder: das Gefühl, dass das Quatuor Hanson Kühle und Wärme miteinander verschmelzen und aus diesen Kontrasten eine Einheit entstehen lässt.

Im Beiheft erklären die Mitglieder, wie sie im Laufe der Zeit stets neue Seiten an den drei Schumann-Quartetten aufgedeckt haben. Das glaubt man gern, wenn man diese Aufnahme hört.

Vitalität und innere Balance

Denn an Vitalität mangelt es nicht: etwa im Finale des zweiten Quartetts. Auf einen ersten entschlossenen Akzent folgt eine Passage, die leicht und fröhlich klingt. Dazu tragen auch die gezupften Begleitstimmen entscheidend bei.

Die Tempi sind mit viel Umsicht gewählt

Was mich immer wieder überzeugt, ist die innere Balance, mit der das Quatuor Hanson die Feinheiten hörbar macht. Zwar stechen einzelne Akzente gut erkennbar hervor, aber sie wirken nicht erzwungen oder mit erhobenem Zeigefinger gespielt. Dazu sind die Tempi mit viel Umsicht gewählt. 

In den langsamen Sätzen erzeugt das französische Ensemble eine eigene Spannung. Von schnelleren Abschnitten umgeben, wirkt beispielsweise das Adagio im dritten Quartett wie eine lyrische Insel – eine Insel, die aber nicht von düsteren Momenten, von drohenden Gefahren verschont bleibt.

Der dritte Satz des dritten Streichquartetts auf YouTube

Klavierquintett wird nicht als Klavierkonzert interpretiert

Das Klavierquintett von Robert Schumann war das erste Werk, dass das Quatuor Hanson mit dem Pianisten Adam Laloum im Konzert aufgeführt hat. Logisch also, dass es nun auch auf diesem Album Platz gefunden hat.

Oft hört man dieses Klavierquintett wie ein verkapptes Klavierkonzert mit vier assistierenden Streichern. Nein, das hat Schumann nicht gewollt, vielmehr ein engmaschiges, gleichberechtigtes Miteinander. Genau das hören wir hier – selbst wenn alle fünf gemeinsam marschieren: verhalten, suchend und fragend.

Musik des 32-jährigen Robert Schumann: Hier klingt sie reich an Farben und Ideen.

Pianist Adam Laloum weiß, wie man die Klavierstimme einbringt, ohne sich selbst in den Vordergrund zu beamen. Feingliedrig wirkt das. Auch weil das Quatuor Hanson jederzeit sehr wach agiert, neugierig, zugleich entschlossen. Musik des 32-jährigen Robert Schumann: Hier klingt sie reich an Farben und Ideen.

 

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