Von „Popstars“ bis „The Voice of Germany“

Nach dem Castingshow-Hype: Gewonnen! Und jetzt?

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Autor/in
Theresa Berwian
Theresa Berwian, Team SWR Kultur

Schon lange bringen Castingshows keine erfolgreichen Stars mehr heraus. Warum nimmt man noch daran teil? Und wie geht es danach weiter? Anny Ogrezeanu hat vor zwei Jahren den ersten Platz bei „The Voice of Germany“ belegt – und jetzt die erste Single herausgebracht.

Seit Anny Ogrezeanu angefangen hat zu singen, war das Ziel klar: einmal bei „The Voice of Germany“ dabei sein. „Ich habe mit meiner besten Freundin die Show nachgespielt. Sie hat sich mit dem Rücken zu mir auf den Stuhl gesetzt, ich habe einen Song gesungen und dann hat sie sich umgedreht.“ Mit 13 Jahren hat Ogrezeanu sich dann das erste Mal beworben.

No Angels sind die erste deutsche Casting-Girlgroup

Heute ist Ogrezeanu 23 Jahre alt – quasi genauso alt wie der große Boom der Castinghows im deutschen Fernsehen. Der begann 2000 mit der ersten Staffel „Popstars“, die die wohl bekannteste deutsche Girlband No Angels castete.

So mancher verspottete die Girlgroup anfangs noch als Marionetten und „Retorten-Band“. Mit mehreren Nummer-Eins-Singles und -Alben waren die No Angels allerdings nicht nur sehr erfolgreich, sondern auch die Vorreiterinnen der deutschen Casting-Stars.

Die No Angels-Mitglieder Nadja Benaissa, Sandy Mölling, Lucy Diakovska, Jessica Wahls und Vanessa Petruo halten ihre Bamby-Trophäen in den Händen
2001 werden die No Angels mit dem Bambi ausgezeichnet. Die Sängerinnen (v.l.n.r.) Nadja Benaissa, Sandy Mölling, Lucy Diakovska, Jessica Wahls und Vanessa Petruo gingen 2021 noch einmal auf Jubiläumstour.

Von „Star Search“ bis „DSDS“: Boom der Castingshows

Anfang der 2000er-Jahre waren Castingshowsplötzlich omnipräsent – auch wenn die Grundidee nicht neu war. Denn schon in den 1950ern gab es Talentwettbewerbe, wie zum Beispiel „Wer will, der kann“, im deutschen Fernsehen.

Ungefähr ein halbes Jahrhundert später versprachen dann Formate wie „Star Search“ oder „Deutschland sucht den Superstar“ Ruhm über Nacht und eine Karriere im Musikbusiness: Wenige Wochen bei der Fernsehshow Singen und Tanzen üben und man wird wie von selbst zum Popstar.

Reality-TV mit Talent

Die berühmten 15 Minuten Ruhm für Jedermann wurden parallel auch in Reality-TV-Formaten wie „Big Brother“ in Aussicht gestellt. Aber Castingshows schürten eine andere Hoffnung: Hier schien es um Talent und die Aussicht auf nachhaltigen Erfolg im hart umkämpften Popstar-Geschäft zu gehen.

Sendungen wie „Popstars“ oder „DSDS“ gaben zwar vor, echtes Talent von den Teilnehmenden zu fordern. Bei Massencastings führten die Sender jedoch gezielt all die Teilnehmenden vor, die trotz fehlender Gesangskünste von der großen Musikkarriere träumten.

So boten die Formate gleichzeitig viel Fremdschäm- und damit Unterhaltungspotenzial.

One-Hit-Wonder statt großer Stars

Anhaltend erfolgreich wurden später zudem die wenigsten Castingshow-Teilnehmenden. Lediglich aus den Anfangsjahren sind noch einige Namen bekannt.

„DSDS“-Gewinner Alexander Klaws war später als Musical-Darsteller und Moderator tätig. Die No Angels gingen für das Jubiläum nochmal auf Tour. Nur Giovanni Zarella hat es geschafft hat, sich nach seiner „Popstars“-Zeit ein neues musikalisches Image aufzubauen.

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„The Voice of Germany“: Aufwind für Castingshows?

Auf die Parade der Peinlichkeiten verzichtete dann die Sendung „The Voice of Germany“, die seit 2011 ausgestrahlt wird und an der auch Ogrezeanu teilnahm.

Bei dem Format werden die Teilnehmenden von Anfang an als „Talents“ bezeichnet, um zu markieren: Hier nimmt keine Person teil, die sich selbst überschätzt. Die Sendung setzte auf echte Begeisterung für die Musik.

Solche Emotionen auszulösen ist auch Ogrezeanus Ziel: „Ich habe einen Live-Auftritt von Whitney Houston gehört, bei dem sie ‚I Will Always Love You‘ gesungen hat. Ich habe dabei krasse Emotionen gefühlt. Dieses Gefühl möchte ich anderen Menschen bereiten können.“

Deshalb bewirbt sich Ogrezeanu sechs Mal bei „The Voice of Germany“. Fünf Mal ist die Antwort eine Ablehnung. 2022 wird Ogrezeanu endlich genommen – und gewinnt direkt.

Hierzuland Rech Sängerin Anny Ogrezeanu
Nach der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 hat Anny Ogrezeanu dort monatelang beim Wiederaufbau geholfen. Bis zur Teilnahme bei „The Voice of Germany“ war Anny fast jeden Tag dort - und hilft auch heute noch regelmäßig.

Die intensiven Coachings und Auftritte der Fernsehshow seien sehr lehrreich für Ogrezeanus Gesangskünste gewesen: „Ich habe gelernt, wie man sich bewegt. Aber auch, wie man Songs perfekt zum Ausdruck bringt und auf welche kleinen Details man auf der Bühne achten muss.“

Arbeit an der Karriere nach der Show: „frustriert und ausgebremst“

Nach der Show sei der Druck dann groß gewesen, eigene Musik herauszubringen. Immer wieder sei Ogrezeanu mit dem Vorwurf konfrontiert worden, dass aus den „The Voice“-Gewinnern ja eh nichts werde. Es sei frustrierend gewesen, als Einzelperson an die Erfahrung einer reibungslosen Multimillionen-Produktion anzuknüpfen zu wollen.

Zwar habe es Angebote von Songwritern gegeben. Ogrezeanu wollte aber auf jeden Fall den ersten Song selbst schreiben – und das habe eben länger gedauert. „Das hat mich ziemlich mitgenommen und eine Zeit lang auch ausgebremst“, sagt Ogrezeanu.

Anny Ogrezeanu - Out To Get Us (Official Video)

Erste eigene Single „Out To Get Us“

Fast genau zwei Jahre nach dem Sieg bei der Musikshow bringt Ogrezeanu schließlich diesen selbstgeschriebenen Song heraus. „Out To Get Us“ ist ein persönlicher Ruf nach Akzeptanz. „Ich bin stolz, dass ich es trotz der vielen Schwierigkeiten geschafft habe und dieses Baby jetzt in meinen Händen halte“, betont Ogrezeanu.

Dass „Out To Get Us“ wohl nicht so schnell die drei Millionen Streams des „The Voice“-Siegersong „Run With Me“ mit dem britischen Popstar Calum Scott erreichen wird, ist offenkundig – zu viel Zeit liegt dazwischen und zu viele neue Musiktalente sind den Schritt in die Öffentlichkeit gegangen.

Doch das entmutigt Ogrezeanu nicht. Die Teilnahme bei der Castingshow bleibt für den angehenden Star eine lehrreiche Erfahrung und vor allem ein erfüllter Lebenstraum: „Es ist eine der coolsten Sachen in meinem Leben."

Auch wenn Castingshows längst kein Karriere-Garant mehr sind – sie bieten für einzelne Teilnehmende lehrreiche Lektionen auf dem Weg ins Musikbusiness.

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