Neue Hörbücher, vorgestellt in SWR Kultur am Nachmittag: Autoren oder große Sprecher wie Christian Brückner lesen Klassiker der Weltliteratur, ausgezeichnete Bücher oder Romane der Stunde.
Hörbuch Archiv-Schätze: „Die große Hörspiel-Edition Franz Kafka“
Was Franz Kafka nicht schon zu Lebzeiten veröffentlicht hatte, hätte eigentlich verbrannt werden sollen – aber sein Freund Max Brod hat anders entschieden. So konnten aus den Romanfragmenten „Der Prozeß“, „Das Schloß“ und „Amerika“ Hörspiele entstehen, ebenso aus den Erzählungen „Die Verwandlung“, „In der Strafkolonie“ und „Josefine, die Sängerin oder Das Volk der Mäuse“.
Gemeinsam haben sie das Kafkaeske: In ihr Schicksal geworfene Figuren, die mit Ungerechtigkeit, Willkür und übler Nachrede zu kämpfen haben. Sehr unterschiedlich ist die akustische Umsetzung, an der sich nachvollziehen lässt, wie sich das Genre Hörspiel von den 1950er bis in die 2000er Jahre entwickelt hat.
Hörbuch Hart: Inka Löwendorf und Stefan Kaminski lesen „Notizen zu einer Hinrichtung“ von Danya Kukafka
Ansel Packer wartet auf seine Hinrichtung. Wie es so weit kommen konnte, wird aus der Perspektive von drei Frauen erzählt: Seiner Mutter, seiner Schwägerin und der Ermittlerin, die ihn schließlich zur Strecke bringen wird. Während Inka Löwendorf souverän die drei sehr unterschiedlichen Frauenfiguren interpretiert, gibt Stefan Kaminski einen Einblick in die Gedanken des Serienmörders: verschlagen und dennoch liebesbedürftig. Ein fesselndes Hörbuch über die komplexe Frage, ob ein Mensch ausschließlich böse sein kann – nichts für schwache Nerven.
Hörbar Magisch: Uve Teschner liest „Sepia und das Erwachen der Tintenmagie“ von Theresa Bell
Das Waisenmädchen Sepia erhält die Nachricht, dass sie im sagenumwobenen Flohall die Kunst des Buchdrucks erlernen darf. Sie ist froh und verwundert, warum ausgerechnet ihr diese Ehre zuteilwird. Als merkwürdige Dinge geschehen, die an den schrecklichen Tintenkrieg erinnern, wird sie dies herausfinden. Schauspieler Uve Teschner wird häufig für Thrillerlesungen gebucht, aber hier zeigt er: Spannende Märchen kann er auch! Zumal er hier ebenfalls einem ordentlichen Bösewicht seine Stimme geben darf.
Hörbuch Allwissend: Jens Wawrczeck liest „How to Hitchcock. Meine Reise durch das Hitchcock-Universum“
Seit er mit 12 Jahren seinen ersten Alfred Hitchcock-Film gesehen hat, ist der Schauspieler und Sprecher Jens Wawrczeck fasziniert. Im Lauf der Jahre hat er die Filme des britischen Regisseurs nicht nur unzählige Male gesehen, sondern sich ein enormes Wissen angeeignet. Jens Wawrczeck als sprechendes Filmlexikon, das im besten Sinne belehrt – unterhaltsam, gespickt mit persönlichen Erfahrungen, Anekdoten und Querverweisen.
Hörbuch Altersweise: Urs Remond liest „Baumgartner“ von Paul Auster
Baumgartner sitzt immer noch fast jeden Tag an seinem Schreibtisch, obwohl er schon über 70 Jahre alt ist und als Professor emeritiert. Er ist allein, seit seine große Liebe Anna vor zehn Jahren bei einem Badeunfall ums Leben kam. Die Erinnerung an sie ist noch sehr lebendig, genauso wie die an seine Eltern oder kurze Szenen, die plötzlich wieder vor seinem inneren Auge auftauchen. Urs Remond liest die anspruchsvoll verschachtelten Sätze Paul Austers souverän und verleiht den Erinnerungen Baumgartners mit seiner markanten Stimme eine angenehme Atmosphäre.
Hörbuch Vertieft: Ulrich Noethen liest „Das späte Leben“ von Bernhard Schlink
Martin ist 76 Jahre alt, hat eine sehr viel jüngere Frau und einen kleinen Sohn, der im Sommer in die Schule kommen soll. Dann die Diagnose: Bauchspeicheldrüsenkrebs. Noch zwölf Wochen, in denen er das Leben noch wie gewohnt verbringen kann – damit rechnet Martin. Doch was mit dieser Zeit anfangen, was seinen Lieben mitgeben, welche Dinge klären? Bernhard Schlink hat ein zurückhaltendes Buch über den Tod geschrieben, dem Ulrich Noethen durch seine ruhige Lesung viel Raum und Tiefe verschafft.
Hörbuch Melancholisch: „Das Spucktütenlied“ von Nick Cave als Hörspiel von Kai Grehn
Auf Tour kreuz und quer durch Nordamerika mit seiner Band, den Bad Seeds. Unterwegs mit dem Flugzeug und immer Spucktüten in der Sitztasche vor sich. Auf diesen notiert Nick Cave alles Mögliche: Gedanken, Erinnerungen, Träume.
Kai Grehn hat daraus mit der Band Tarwater und den Schauspieler*innen Tilda Swinton, Alexander Fehling und Paula Beer eine dichte Wort-Musik-Collage gewebt, die einen hineinzieht in fremde und vertraute Fantasiewelten - mal erschreckend, mal tröstend und immer mit melancholischem Unterton.
Hörbar Fremd-vertraut: Johannes Nussbaum liest „Echtzeitalter“ von Tonio Schachinger
Till besucht das Marianum in Wien, eine Elite-Ganztagsschule, und landet auch noch in der Klasse vom Dolinar, dem wohl strengsten Lehrer der Schule. Die wenige Freizeit, die Till bleibt, verbringt er mit Computerspielen und träumt davon, damit eines Tages sein Geld zu verdienen. Diese beiden Welten, Schule und Gaming, vermag Tonio Schachinger in ein mitreißendes Verhältnis zu setzen, so dass wir Tills Werdegang interessiert verfolgen. Erst recht in der Lesung von Johannes Nussbaum, der dem Hörbuch das entsprechende Flair gibt.