Buchkritik

Burkhard Müller – Die Elbe

Stand
Autor/in
Holger Heimann

Das Buch „Die Elbe“ ist eine faszinierende Reise durch Raum und Zeit. Burkhard Müller folgt dem Flusslauf von der Quelle bis zur Mündung. In seinen Erkundungen und Assoziationen mischen sich Vergangenes und Gegenwärtiges.

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Der Rhein und die Donau sind oft besungen worden. Das haben der zum Mythos verklärte Vater Rhein und die schöne blaue Donau, die im Walzer von Johann Strauss gefeiert wird, der Elbe voraus, dem drittgrößten, aber weit weniger beachteten deutschen Strom. „Warum ist es am Rhein so schön?“, fragt das Volkslied. Warum es an der Elbe so schön ist, das fragt nun der Journalist Burkhard Müller. Seine knappe Antwort: 

Weil dieser Fluss ein so weites, reiches und tiefes Land durchfließt; und weil so wenige, auch wenn sie schon mal in Hamburg eine Hafenrundfahrt gemacht oder die Dresdner Semperoper besucht haben, ihn wirklich kennen.  

Unbekanntes und Übersehenes  

Über das zweite „weil“ stutzt man zunächst. An der Elbe soll es schön sein, weil wenige den Fluss kennen? Vermutlich meint Müller damit, dass gerade in der Abgeschiedenheit vieler Elbe-Regionen deren besonderer Reiz liegt.

Die unklare Formulierung ist eine Ausnahme in einem Buch, das in einer flüssigen, pointierten Sprache geschrieben ist. In seinem „Porträt eines Flusses“ holt der Autor viel Unbekanntes und Übersehenes ein.

Müller hat für das Buch zehn Reisen an die Elbe unternommen. Er war mit dem Auto, zu Fuß und auf Schiffen unterwegs. Er berichtet von der Gegenwart und taucht mit langem Atem ab in die Geschichte. 

Überhaupt, was für Berufsbilder es damals am Strom gab! Jedes Schiff hatte seine Mannschaft. Es gab Wassermüller, die auf Schiffsmühlen arbeiteten (diese schwammen auf dem Fluss, hoben und senkten sich mit ihm und waren daher immun gegen Hoch- und Niedrigwasser), Waschfrauen, die heftig scheuernd ihre Wäsche im Fluss reinigten, auch sie ausgerüstet mit eigenen Waschschiffen, Fischer, Gastwirte, Blumenverkäuferinnen ... Die Elbe muss damals ein anderes Bild geboten haben als heute, wo sie über die längsten Strecken so gut wie menschenleer ist (immer die Elbradler abgerechnet). 

Die Elbe, so hält Müller fest, war einmal „die Achse Preußens“ und des Kaiserreichs. Die Bedeutung, die ihr aufgrund der Mittellage einmal zukam, entfiel jedoch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Russen und Amerikaner trafen sich 1945 als Verbündete an der Elbe.

Aber nur wenige Jahre später wurde ein Teil des Flusslaufs zur innerdeutschen Grenze und zugleich zur Grenze zweier Machtblöcke. Für den Rheinländer Adenauer begann östlich der Elbe die asiatische Steppe.

Jahrzehntelang lag der Hauptteil des Flusslaufs in der DDR, die Mündung aber in der Bundesrepublik. Als wichtiger Schiffsweg fiel die Elbe deshalb größtenteils aus, und so ist es bis heute geblieben. 

Abstecher ins Umland 

Burkhard Müller folgt der Elbe von der Quelle im tschechischen Gebirge, die offenbar nur schwer aufzufinden ist, bis zur Mündung, wo der breite Strom hinter Hamburg beinah einem Meer gleicht. Kapitel über Dresden, Magdeburg und Hamburg dürfen in einem Buch über die Elbe kaum fehlen.

Aber reizvoller ist die Begegnung mit den ländlichen, weniger bekannten Räumen. Immer wieder unternimmt der Autor auch kleinere, lohnende Abstecher ins Umland. Zum Porträt des Flusses gehört für Müller auch dessen Einzugsgebiet. 

Bitterfeld verfügt heute über eine Weiße Flotte, die über die alten Kohlelöcher fährt; das tief im Binnenland gelegene Leipzig hat sich eine weitgefächerte Badezone zugelegt. So ungeheuer sind die Abmessungen dieser Umwälzung, dass noch längst nicht alles davon entwickelt worden ist. Manche der alten Tagebaue laufen erst allmählich voll und werden dafür noch Jahre brauchen.  

Burkhard Müller ist nicht der erste Fluss-Biograf. Es gibt Biografien der Donau und des Rheins. Und auch über die Elbe wurde schon geschrieben. Es sind Reisen in den Raum und in die Zeit, zu denen all diese Autoren einladen. Einem so kenntnisreichen und eloquenten Führer wie Burkhard Müller vertraut man sich gerne an. 

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