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Joachim Meyerhoff: Man kann auch in die Höhe fallen

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Im Jahr 2007 startete der Schauspieler Joachim Meyerhoff am Wiener Burgtheater sein Projekt „Alle Toten fliegen hoch“, in dem er vor Publikum frei einzelne Stationen seines Lebens erzählte. Das war so erfolgreich, dass Meyerhoff sich dazu entschloss, aus seinen Lebenserinnerungen einen Romanzyklus zu machen: Vom Aufwachsen auf dem Gelände der Jugendpsychiatrie in Schleswig erzählte er. Oder von seiner Ausbildung in München, während der er bei seinen exzentrischen Großeltern lebte.

2018 erlitt Meyerhoff einen Schlaganfall; auch über diese Erfahrung hat er vor vier Jahren ein Buch veröffentlicht. Nun ist der sechste Teil des Zyklus erschienen: In „Man kann auch in die Höhe fallen“ flieht Meyerhoff aus Berlin und vor den Aggressionen, die die Stadt in ihm auslöst, zu seiner alten Mutter aufs Land – um sich um sie zu kümmern, wie er denkt, und um zu schreiben. Doch die Mutter bedarf der Fürsorge des Sohnes weit weniger als dies umgekehrt der Fall ist. Sie ist eine unabhängige, unkonventionelle, zupackende Frau mit einem intakten Sozialleben. Das Gegenstück zu ihrem umständlichen, in Peinlichkeitsängsten und lähmender Selbstbeobachtung gefangenen Sohn.

Es gehört zu den großen Vorzügen von Meyerhoffs Blick auf die Welt, dass er einen subtilen Sinn für Alltagsabsurditäten hat, jederzeit aber die Balance hält zwischen situativer Komik und grundsätzlichem Lebensernst. Wenn Meyerhoff sich über einen Menschen lustig macht, dann ist es er selbst. Kapitelweise wechseln sich die Aufzeichnungen von Meyerhoffs Landaufenthalt in der Gegenwart ab mit schreiend komisch erzählten Erinnerungen an kuriose Begebenheiten seiner frühen Schauspielkarriere. Doch in erster Linie ist der Roman eine Liebeserklärung an eine kluge und kreative Frau.

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Autor/in
SWR