Platz 2 (59 Punkte)

Thomas Kunst: WÜ

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Thomas Kunst, 1965 in Stralsund geboren, war bereits vor der Wende ein Dichter mit mythischem Ruf. So jedenfalls kann man es in Lutz Seilers 2020 erschienenem Roman „Stern 111“ nachlesen, in dem der Ich-Erzähler, der selbst Schriftsteller werden möchte, eines Abends in Prenzlauer Berg plötzlich dem „großen Kunst“ gegenübersteht, „einer der Granden ihrer Zeit“, wie es heißt.

Thomas Kunst ist in erster Linie Lyriker, stand aber mit seinem Roman „Zandschower Klinken“ im Jahr 2021 auch auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis. Doch nun gibt es neue Gedichte, aufgeteilt in sechs Kapitel, jedes davon an ein Mitglied der Familie des Dichters adressiert. WÜ heißt eine Katze, die noch viel mehr ist als ein Tier, mit dem sich das lyrische Ich unterhält:

Meine liebe WÜ. Fünfzehnter Januar, / Hast du den Rest vom Eukalyptusbonbon gefunden, den/Ich dir in deinem vierzig Zentimeter tiefen Iglu unters / Kissen gelegt habe, wenn ja, dann dürfte dir niemand / Im Dorf, was deine Wachsamkeit betrifft, gewachsen/Sein.

Kunsts neue Gedichte blicken in einem ihnen eigenen, unverwechselbaren Sound aus der Perspektive eines Gealterten zurück; betrachten die Veränderungen, die körperlichen Gebrechen, den Lauf der Zeit:

Ab fünfzig denkt man öfter an den Tod. / Die Rhythmusstörung ist kein gutes Omen. / Der Kreislauf zuckt, wir googeln nach Symptomen / Und haben noch paar Wochen ohne Not./ Und weiter: Das Taille-Hüft-Verhältnis zu ermitteln, / gleicht einer selten schönen Todesart. / Der Körperfettanteil ist nicht ideal.“

So leicht und mühelos und vor allem mit feinem Humor unterlegt schreitet sonst niemand durch die unterschiedlichen Formen, durch Sonette, Lang- und Kurzgedichte.

„Zandschower Klinken“ von Thomas Kunst

Platz 7 (27 Punkte) Thomas Kunst: Zandschower Klinken

Ein Mann legt das Halsband seiner verstorbenen Hündin auf das Armaturenbrett seines Autos und fährt los. An dem Ort, an dem es herunterfällt, will er ein neues Leben beginnen. Er landet in Zandschow, einem Dorf mit ganz eigenen Gesetzen.

Literatur Gstrein, Kracht und Sanyal: Längst bekannte Titel auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis

Die Shortlist zum Deutschen Buchpreis wirkt provozierend: Norbert Gstrein, Der zweite Jakob, 1961 geboren, im Februar bei Hanser erschienen. Monika Helfer, Vati, 1947 geboren, im Januar bei Hanser erschienen, Mithu Sanyal, Identitti, 1971 geboren, erschienen im Februar bei Hanser. Thomas Kunst, 1965 geboren, erschienen im Februar bei Suhrkamp. Antje Ravik Strubel, 1974 geboren, erschienen im August bei S. Fischer. Christian Kracht, eurotrash, 1966 geboren, erschienen im März bei KiWi.
Drei Männer, drei Frauen, ok. Aber: Fünf Titel aus dem Frühjahr, nur einer aus aktuellen Verlagsprogrammen. Das ist schon einmal eine spannende Gewichtung. Dreimal Hanser, einmal Suhrkamp, einmal S. Fischer, einmal KiWi – große westdeutsche Verlage, keine Kleinverlage wie sonst.
Welcher Roman der beste ist, das war noch nie so gut diskutierbar wie in diesem Jahr. Reden Sie mit ihrem Buchhändler darüber: Diese Titel kennt schon mancher und sie sind alle sehr gut lesbar. Das ist mal ein Experiment in diesem Jahr. Eine partizipative Shortlist: Alle können mitreden.

SWR2 Journal am Mittag SWR2

Diskussion über vier Bücher SWR Bestenliste Juli - August mit Büchern von Abdulrazak Gurnah, Albrecht Selge, Ronya Othmann und Thomas Kunst

Kirsten Voigt, Eberhard Falcke und Hubert Winkels diskutierten vier auf der SWR Bestenliste im Juli/August verzeichneten Werke in der Kakadu Bar des Staatstheaters Mainz.

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