Platz 2 (75 Punkte)

Monika Helfer: Löwenherz

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Im Oktober wird die Österreicherin Monika Helfer 75 Jahre alt, und in diesem (vergleichsweise) hohen Alter hat sie mit ihren Romanen „Die Bagage“, „Vati“ und nun „Löwenherz“ tatsächlich eine Art des autofiktionalen Schreibens gefunden, die auf literarisch hohem Niveau das Herz des Publikums erreicht. Helfers Bücher sind anrührend, aber unsentimental; sie sind kurz, präzise, aber nicht auf eine verkünstelte Art lakonisch. Und sie sind reflexiv und trotzdem erzählerisch mitreißend.

In „Vati“, dem vorangegangen Buch, teilt der Vater, der der Erzählerin stets ein großes Rätsel geblieben ist, die Kinder nach dem Tod seiner Ehefrau, auf die Verwandtschaft auf und zieht sich selbst zunächst einmal aus der Welt zurück.

Aus der unmittelbaren Nachkriegszeit des Vorgängers tritt „Löwenherz“ nun in eine neue historische Epoche ein. Die zeitgeschichtlichen Umstände sind in Helfers Romanen stets der Nährboden für die Atmosphäre. Sie schwingen mit, doch vor sie tritt der Mensch. In diesem Fall Richard, der Bruder der Erzählerin, der zu Beginn des Romans von einer schwangeren Frau namens Kitti aus dem Wasser gerettet wird.

Richard, der von Beruf Schriftsetzer wird, muss plötzlich gegen alle Neigungen Verantwortung übernehmen. Er kümmert sich um ein Kind, das die Mutter ihm Monate später wieder entreißt.
Ein zartes, aber auch ein bedrückendes Erinnerungsbuch, in dem Monika Helfer mit Zielsicherheit die Wendepunkte in den Existenzen ihrer Figuren kenntlich macht.

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Autor/in
SWR