Annika Brockschmidt hat einen provokanten Titel gewählt. Die Brandstifter nennt sie ihre Geschichte der Republikanischen Partei im 20. und 21. Jahrhundert. Ihre Quintessenz: Trump ist nicht vom Himmel gefallen. Er konnte sich vielmehr ins gemachte republikanische Nest setzen. Vor neunzig Jahren, beobachtet die Autorin, habe die Partei gegen Franklin D. Roosevelts New Deal gekämpft – und damals hätten die Republikaner einen Weg der Radikalisierung eingeschlagen. Allerdings:
Radikalisierung, um politische Kampfkraft zu stärken
Mit dem Christentum vieler Republikaner allerdings war das dann doch so eine Sache. Das Buch zeigt, wie die Partei zwar gegen Abtreibung und LGBTQ kämpft. Aber den biblischen Kernbotschaften Nächstenliebe, Gewaltlosigkeit, Versöhnungswille, Fürsorge für Schwache und auch für Fremde – also Zuwanderer –, davon ist in der Politik tonangebender Republikaner wenig bis nichts zu sehen. Annika Brockschmidt beobachtet, dass es Generationen republikanischer Politiker aber auch eher darum ging, radikalisierte Bevölkerungsgruppen vor ihren Karren zu spannen – um so die politische Kampfkraft der Partei zu stärken. Das konnten Gruppen der religiösen Rechten sein, aber auch fanatische Antikommunisten, extreme Konservative oder Rassisten. Die Parteispitze glaubte, die urwüchsige Kraft, die da von unten kam, unter Kontrolle halten zu können. Das Kalkül aber, dass man dann mit dieser Kraft im Rücken dem politischen Gegner bessere Kompromisse abtrotzen könne – es ist aus Sicht der Autorin nicht aufgegangen.
Gier nach Macht und Hass auf politischen Gegner
Brockschmidt beschreibt, wie es so weit kommen konnte; und am Leser vorbeiziehen lässt sie dazu Generationen republikanischer Politiker, die ihrer Gier nach Macht und dem Hass auf den politischen Gegner alles untergeordnet hätten. Annika Brockschmidts Fazit ihrer Aktivitäten fällt verheerend aus: die Republikanische Partei habe sich entscheidend gewandelt. Allein in den letzten Jahren. Denn:
Diese Lektüre ist nichts für schwache Nerven. Allerdings hat Annika Brockschmidt Chancen versäumt, ihre Argumente noch zu unterfüttern. Sie beschränkt sich nämlich auf eine personenzentrierte Erzählung. Es hätte gelohnt, auch strukturelle Fehlentwicklungen besser auszuleuchten. Etwa den wichtigen Bereich der Medien: Bis 1987 galt für bundesweit lizensierte Radio- und Fernsehsender die Fairness-Doktrin: Wer über einen politischen Streit berichtete, der musste beide Seiten fair und gleichberechtigt zu Worte kommen lassen. Ronald Reagans Republikaner hoben diese Fairness-Doktrin auf. Damit haben sie die Debattenkultur unterminiert. Seither beweisen die USA, dass ein dereguliertes, privat-kommerzielles Mediensystem als vierte Gewalt im Staate nur versagen kann. Denn die geforderten hohen Einschaltquoten erreicht man am besten durch simple Darstellung und Einseitigkeit.
Kein gutes Klima für vernünftige Politik
Auch etwas mehr politische Soziologie hätte das Buch bereichert: Denn schon 1955 bemängelte der Historiker Richard Hofstadter, den USA fehle eine – so wörtlich – Elite mit politischer und moralischer Selbständigkeit. Ohne eine solche Elite – so Hofstadter – könne eines Tages eine Minderheit ein Klima erzeugen, in dem vernünftige Politik unmöglich werde. Es spricht viel dafür, dass genau ein solches Klima inzwischen in den USA herrscht. Annika Brockschmidts Buch liest sich wie ein Weckruf an all jene eher nach links orientierten Nichtwähler, die nicht zur Wahl gehen, nur weil sie anstelle Joe Bidens lieber einen makellosen Polit-Messias hätten. Doch eine englische Übersetzung des Buches wird es wohl leider so schnell nicht geben. Schade – sie könnte dem einen oder anderen sorglosen Amerikaner vielleicht noch rechtzeitig die Augen öffnen helfen.