Buch-Tipp

„Amadeus auf dem Fahrrad“: Rolando Villazóns dritter Streich

Stand
Autor/in
Daniela Ziemann

Mozart spielt in Rolando Villazóns Leben schon seit Längerem eine zentrale Rolle. Der Komponist sei ihm ein wahrer Freund geworden, hat er einmal in einem Interview gesagt. Ein Freund, der ihn nicht mehr losgelassen hat: Seit drei Jahren leitet Villazón nun die Salzburger Mozartwoche, Anfang des Jahres veröffentlichte er ein Album mit Mozart-Arien, und auch sein neuestes, mittlerweile drittes Buch nimmt Mozart mit in den Fokus. „Amadeus auf dem Fahrrad“ heißt es, spielt in Salzburg und ist eine Hommage an den Komponisten, die Stadt und das Künstlerleben insgesamt. Daniela Ziemann hat den Roman gelesen.

Vian will Opernsänger werden – Tenor. Er ist Mexikaner, hat Verwandte in Deutschland und will in Salzburg auf der Bühne stehen. Damit schreibt der berühmte Opernsänger Rolando Villazón seiner Hauptfigur autobiographische Züge auf den Leib. Denn auch er wurde in Mexiko geboren, seine Vorfahren kommen ebenfalls aus Europa (allerdings aus Österreich) und auch er trat bei den Salzburger Festspielen auf. Villazón lässt die Geschichte damit  in einem Milieu spielen, das er selbst am besten kennt. Seine Hauptfigur in dem Roman „Amadeus auf dem Fahrrad“ ist ihm nah, aber fiktiv. Und es gibt wesentliche Unterschiede.

„Mehr als alles wollte ich ein großer Tenor werden; doch so eifrig ich auch meine Lektionen lernte und Tonleitern übte, so oft ich meine Lehrer und Techniken wechselte, wie viele Stunden ich mir auch die Aufnahmen der berühmtesten Tenöre anhörte, um ihre Geheimnisse zu ergründen, trotz aller meiner Anstrengungen gelang es mir nicht, die hohe Stimmlage zu erreichen.“

Villazón hat als Sänger eine Weltkarriere hingelegt. Seine Figur Vian dagegen schafft es nur  zum Komparsen. Bei den Salzburger Festspielen darf er als Statist im Don Giovanni auftreten.

 „Amadeus auf dem Fahrrad“ ist eine fiktive Geschichte, die in die Realität hineingeboren wurde. Die Handlung spielt in Salzburg, führt an berühmten Plätzen und Denkmälern vorbei. Immer wieder nimmt Villazón Bezug auf Literatur, oftmals von spanischsprechenden Schriftstellern, die der Leser entdecken kann. Daneben spielt auch die Kunst eine große Rolle. Beispielsweise geht Vian zum bekannten Kunstwerk „Spirit of Mozart“ der Performance-Künstlerin Marina Abramovic, das sich in der Salzburger Altstadt befindet . Viele von Villazóns Musikerkolleginnen und -kollegen tauchen in dem Roman ebenfalls auf: Daniel Barenboim dirigiert die erste Oper, die Vian als Kind erleben durfte. In Salzburg dann trifft er mehrmals auf Cecilia Bartoli, die Villazón als berühmteste Mezzosopranistin der Welt adelt. Umstrittene Figuren sind dagegen rein fiktiv. Wie etwa der Regisseur Friedemann Schuff.

„Es gibt Regisseure, die sind eindeutig, direkt und präzise wie Chirurgen; andere sind großspurig, ausufernd und kompliziert wie Philosophieprofessoren; und dann sind da die Wirren, die nur vage Ideen haben und kopflos agieren wie Studenten, die ihre Hausarbeiten nicht gut gemacht haben und inhaltliche Schwächen mit Witzchen und Anekdoten überspielen. Schuff ist eine Kombination aus allen.“

Der Roman begleitet den schüchternen und von Misserfolgen geprüften Vian bei seinem Festspiel-Sommer in Salzburg. Vians Charakter ist geprägt von Unsicherheit und mangelnden Selbstbewusstsein. Seine Ängste hängen unmittelbar mit seinem despotischen Vater zusammen, der ihn immer wieder demütigt und für sein geringes Selbstwertgefühl verantwortlich ist. Herablassend bezeichnet er seinen Sohn als „Unfall“.

 „Weißt du, Vian, mein Lieber? Viele Jahre habe ich nicht geglaubt, dass du mein Sohn bist. Aber ich habe dich großgezogen. Später, als ich entdeckte, mit wem deine Mutter sich vergnügte, erkannte ich, dass du in Wirklichkeit nur ein Unfall warst. Und nichts anderes. Danke Gott für den Vater, den du hast, und hör auf, dich mit Dingen zu befassen, die dich nichts angehen.“

Vian ist ängstlich und schüchtern und gerät vielleicht auch deshalb  immer wieder unfreiwillig in komische Situationen, die auch den Leser schmunzeln lassen und die humorvolle Seite des Autors zeigen. Die Sprache des Romans ist geprägt von poetischen und blumigen Bildern – besonders als sich der einsame Vian Hals über Kopf in eine Produktionsassistentin verliebt.

„Ich musste sie wiedersehen. Ich fühlte aufkommende Kühnheit in meiner Brust; eine glänzende Perle, die ihre Kraft verströmte bis an den Ort, an dem die Wörter entstehen.“

Eine Liebe, die letztendlich, wie das meiste in seinem Leben, vom Misserfolg geprägt ist. Eine Liebe, die aber auch zu einer Wandlung führen wird. Insgesamt ist „Amadeus auf dem Fahrrad“ die Geschichte eines Erwachsenwerdens, einer Loslösung vom despotischen Vater. Der unterhaltsame Roman, der beim Rowohlt Verlag für 26 Euro erschienen ist, gibt einen interessanten, wenn auch kleinen Einblick in den Probenalltag einer Festspiel-Produktion. Rolando Villazón beweist mit seinem dritten Buch einmal mehr, dass er neben dem Singen und Zeichnen von Karikaturen auch ein Talent fürs Schreiben besitzt. Die Geschichte füllt über 400 Seiten, braucht allerdings auch die ersten 100 Seiten, um die Figuren vorzustellen und in Fahrt zu kommen. Eine Straffung hätte dem Text insgesamt noch mehr Tempo gegeben.

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Daniela Ziemann