Wissenschaftspreis für Russlandexperten Karl Schlögel

Deutschland muss Klarheit gewinnen: Putin meint es wirklich ernst

Stand
Gespräch mit
Karl Schlögel
Das Gespräch führte
Philine Sauvageot

Der Osteuropa-Historiker Karl Schlögel erhält den mit 100.000 Euro dotierten Gerda-Henkel-Preis. Das Thema seiner Preisrede: „Gestrandet auf der Sandbank der Zeit: oder wie man lernt, sein Russlandbild neu zusammenzusetzen.“

Mit der Eskalation des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 hat Deutschland begonnen, sein Russlandbild zu überdenken. Aktuell bestehe jetzt jedoch für die SPD die Verlockung, einen „Friedenswahlkampf“ zu machen, so Schlögel. Olaf Scholz versucht, sich mit Blick auf Russland als „Friedenskanzler“ zu positionieren.

Der Russlandexperte Schlögel warnt: „Ich finde es seltsam, herauszustellen, dass man für den Frieden ist. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Man muss sich schon fragen, was mit dieser Semantik beabsichtigt ist.“

Ein Krieg fängt nicht ohne sichtbare Vorzeichen an

Schlögel hat in Interviews zuletzt betont, in Deutschland habe man sich noch nicht klar gemacht, dass wir gerade in einer „Vorkriegszeit“ lebten. In Hinblick auf die Geschichte könne man sehen, dass kein Krieg von einem Moment auf den anderen begonnen habe, sondern dass es immer Vorstufen gegeben habe, z.B. Sanktionen und taktische Manöver, um auszutesten, wie weit man gehen könne.

Die Frage ist: was muss noch passieren, um Klarheit darüber zu gewinnen, dass er (Putin) es wirklich ernst meint: Er will die Kapitulation der Ukraine. Und die Frage ist, wie wir uns dazu verhalten.

Wie sollte Deutschland sich verhalten?

Der Historiker hält es für wichtig, dass die deutsche Regierung eine Haltung zum Ukraine-Krieg zeige. Sie dürfe sich nicht Illusionen hingeben, dass ein Krieg allein mit Gespräch zu führen sei. Man müsse in einer Zeitenwende der Bevölkerung sagen, dass eine solche Zeit auch Opfer bedeuten könne.

Zeitenwende ist ja nicht ein Tag oder ein Moment, wo man einen Schalter umlegt, sondern es ist eine Zeit mit schweren Belastungen, die man vor sich hat und wo man standhaft sein muss, wo Opfer auf einen zukommen. Die Frage ist, ob eine Regierung den Mut hat, den Wählern das zu sagen, oder ob man dann doch nachgibt und Träumereien anhängt. Und eine Träumerei wäre es, anzunehmen, dass man schlicht durch Gespräch eine Aggression aufhalten kann.

Russland und Ukraine

Forum Hilferuf an den Westen - Geht Selenskyjs „Siegesplan“ auf?

Gregor Papsch diskutiert mit
Helmut W. Ganser, Brigadegeneral a.D., Hamburg
Nico Lange, Sicherheitsexperte bei der Münchener Sicherheitskonferenz
Prof. em. Dr. Herfried Münkler, Politikwissenschaftler, Berlin

Forum SWR Kultur

Stand
Gespräch mit
Karl Schlögel
Das Gespräch führte
Philine Sauvageot