Scheißtage erleben wir alle – zumindest das, was wir dafür halten
Der Wecker klingelt. Oder auch nicht: Mal wieder verschlafen. Auf dem hastigen Weg zum Auto, das nicht anspringen will, zu allem Überfluss noch in einen Hundehaufen getreten. Der Bus, der ewig nicht kommen will, ist überfüllt und stinkt nach Schweiß.
Zur Krönung landet nach dem Anschiss des Chefs ein riesiger Kaffee-Fleck auf dem weißen Hemd, natürlich direkt vor dem wichtigen Kundentermin. Macht aber nichts, denn die Kunden haben längst bei der Konkurrenz unterschrieben.
Wir alle kennen diese Tage, an denen einfach alles schiefgeht. Scheißtag, Sie verzeihen die Wortwahl, nennt man das im Volksmund.
Mal eben bezahlt den Lokus aufsuchen? Nicht im Mittelalter!
Der 29. Dezember allerdings ist wirklich ein „Scheißtag“, ganz im eigentlichen Wortsinn:
Im feudalen Zeitalter, als Knechte und Mägde ihren Herren rund um die Uhr zu dienen hatten, stiegen auch die niedrigen Bediensteten hin und wieder auf den Thron – zumindest auf einen buchstäblichen. Das Verrichten der Notdurft lässt sich eben schlecht vermeiden.
Weil die Arbeitswelt damals noch weit entfernt war von Arbeitszeit-Regelungen, wie wir sie heute haben, wurden die Toilettenpausen damals allerdings nicht bezahlt. Die Herren verlangten von ihren Angestellen, die Zeit sämtlicher Besuche auf dem stillen Örtchen am Ende eines jeden Arbeitsjahres nachzuholen.
Gesammelt an einem Tag, meist dem 29. Dezember, holten die Knechte und Mägde dann ihre auf dem Donnerbalken angesammelte Zeitschuld nach. In besonderen Fällen musste auch am 30. Dezember noch zum Dienst angerückt werden. Auch wenn in einigen Regionen der Tag erst im Februar abgehalten wurde, galt der 29. Dezember allgemeinhin als „Scheißtag“.
Falls Sie also diesen Artikel lesen sollten, während sie gerade ihre Arbeitszeit auf dem stillen Örtchen dezimieren und umherscrollen, dann herzlichen Glückwunsch: Sie wurden im richtigen Zeitalter geboren, wo ein Scheißtag nur selten etwas mit Toiletten zu tun hat.