TikTok, Instagram & Co.

Wie Social Media immer wieder neue Schönheits-Makel erfinden

Stand
Autor/in
Ines Kunze
Team SWR Kultur: Autorin InesKunze

Höher, schneller, weiter: Sich auf Social Media mit Anderen zu vergleichen, ist kaum zu vermeiden. Immer wieder gibt es neue Ideale – damit steigt der Druck, sich zu optimieren.

Auf TikTok boomt die Selbstoptimierungs-Szene und spuckt unter Namen wie „clean girl aesthetic“, „5 am club“ oder auch ganz einfach „that girl“ immer wieder neue Anleitungen zum Perfekt-Sein aus, vor allem an Frauen gerichtet.

Dazu kommen immer wieder Trends mit neuen Merkmalen, die korrigiert werden müssen. Oft braucht es keine zwei Klicks, um herauszufinden, was damit verkauft werden soll – von Anti-Falten-Strohhalmen bis zu Zehen-OPs.

Anti-Wrinkle-Straws und Face Yoga: Richtig Schlafen und Trinken gegen Falten

Schlafen in Seitenlage soll das Gesicht zerknautschen, heißt es da etwa, genauso wie häufiges Strohhalm-Trinken, denn von den rund gespannten Lippen sollen Falten entstehen. Die Lösung: Abos für Face Yoga-Kurse oder auch spezielle Anti-Wrinkle-Straws, also Anti-Falten-Strohhalme.

Frau trinkt mit einem Strohhalm
Der klassische Strohhalm hat ausgedient: Um Falten zu vermeiden, gibt es jetzt spezielle Anti-Wrinkle-Straws.

Cortisol Face: Mit dem Anti-Stress-Programm gegen das runde Gesicht

Runde, teils aufgepuffte Gesichter, die aber eigentlich das Potential haben, schlank und schön zu sein – wenn der Körper nur weniger von dem Stresshormon Cortisol ausschüttet. Das versprechen Influencer*innen reihenweise mit Vorher-Nachher-Bildern und selbstverständlich allerlei kleinen Mittelchen mit Rabattcode, die beim Stressabbau helfen sollen. 

Frau bläht Backen auf
Wenn das Gesucht runder ist als gewünscht, kann das laut Social Media-Bubble am Stresshormon Cortisol liegen.

Unter Fachleuten ist der Begriff umstritten. Zwar können ernsthafte Krankheiten wie etwa das Cushing-Syndrom Fett- und Wasseranlagerungen im Gesicht hervorrufen. Einen Cortisol-Überschuss bei sich selbst anhand eines rundlichen Gesichts zu diagnostizieren, sei aber, so etwa Endokrinologe Martin Reincke im Interview mit der Zeit – „mit Verlaub, Quatsch“.

SWR Kultur-Podcast „Was geht – was bleibt?“ zum Trend Biohacking und Longevity-Bewegung:

Eyebrow Blindness: Die Panik vor der rückblickenden Reue

Viele, die verschiedene Beauty-Trends mitgemacht haben, kennen es: Rückblickend stellt man auf Fotos fest, dass man damals wohl blind für bestimmte Sachen war: Etwa, wie unvorteilhaft die Augenbrauen damals geschminkt und gezupft waren. „Eyebrow Blindness“ taufte Social Media das Phänomen, und prompt wurde daraus ein Anlass, sich öffentlich zu fragen: Was habe ich jetzt gerade an mir, das ich nicht wahrnehme?

Frau begutachtet ihr Augenbrauen
Mal hauchdünn gezupft, mal natürlich buschig: Augenbrauen-Trends ändern sich mit den Zeiten.

Konkret sieht das zum Beispiel so aus, dass User*innen Fotos oder Videos von sich posten und Andere bitten, sie auf ihre „Blindheiten“ hinzuweisen – inklusive Vorschlägen, was dagegen helfen kann.

Good features, bad harmony: Die Optimierung der Gesichts-Proportionen

Es geht um Gesichtsproportionen: Beim Trend „good features, bad harmony“ demonstrieren Nutzer, dass schöne Augen, Nasen & Co nicht reichen: Sie müssen auch zusammenpassen. Um die vermeintlich „schlechte Harmonie“ auszugleichen, kann bei den „features“ nachgeholfen werden, zum Beispiel mit gleich dazu gelieferten Empfehlungen für spezielles Make-Up.

Gesicht einer blonden jungen Frau mit eingezeichneten Proportionen
Sieht so das perfekte Gesicht aus? Mit einer bestimmten Proportionen-Formel sollen Gesichter ausgeglichener wirken.

Legging legs: Die Lizenz zum Hosen-Tragen nur mit Luft zwischen den Oberschenkeln

Ein Trend, den es in den 2010ern schon einmal gab, nur unter einem anderen Namen: Aus dem „Thigh Gap“ sind Ende des letzten Jahres „Legging Legs“ geworden: Eine bestimmte Beinform, bei der sich die Oberschenkel im Stehen nicht berühren. Und: Die man der Meinung einiger Social Media-User nach braucht, um Leggings zu tragen. Der Spalt zwischen den Beinen ist bei Vielen allerdings nicht naturgegeben – dafür gibt es Workouts und Ernährungstipps.

Junge dünne Frau in Leggings und Sport-BH auf Waage
Ob beim Stehen Luft zwischen den Beinen bleibt, ist oft auch eine Frage der Anatomie.

Die richtigen Farben für das volle Potential:  Seasonal colour analysis

Welche Jahreszeit bin ich? Das ist auf Social Media in der Regel keine meteorologische, sondern eine ästhetische Frage. So werden Menschen etwa als echter, heller oder dunkler Winter eingeordnet, und sollten sich dann in der entsprechenden Farbpalette kleiden und schminken, um ihr optisches Potential zu entfalten.

Bunte Lidschatten-Farbpalette
Ein kühler Winter oder doch eher ein echter Sommer? In der Modeszene sind sich viele Fachleute sicher, die richtigen Farb-Zuordnungen gefunden zu haben.

Wie man diese Zuordnung allerdings feststellt, wird heftig debattiert – Mit dem Ergebnis, dass zahlreiche Content Creators sich professionell beraten lassen und dabei, für das absolute Fachwissen, teilweise bis nach Südkorea fliegen.

Toebesity: Wenn der große Zeh für Social Media zu breit ist

Auch wenn Zehen die meiste Zeit von Socken und Schuhe bedeckt sind, macht auch hier die Beauty-Polizei nicht Halt: Vor allem ihr großer Zeh ist einigen TikTok- und Insta-Userinnen zu groß. Sie sprechen von „Toebesity“, einer Mischung aus „toe“ und „obesity“, also Zehen und Übergewicht. Auch wenn es sich in der Regel um völlig gesunde und nur etwas breiter gebaute Zehen handelt: Um der „toebesity“ zu entkommen, schrecken manche Userinnen nicht vor einer Zehen-OP zurück – und teilen das Ergebnis selbstverständlich auf Social Media.

Nackte Füße auf Steg von oben fotografiert
Ist der große Zeh nicht fotogen genug, greifen manche User*innen zu drastischen Maßnahmen.

Selbstoptimierung auf TikTok & Co geht weit – und kann zu Krankheiten wie Essstörungen und mehr führen. Befragungen zeigen außerdem immer wieder, dass Werbung auf Social Media nicht immer als solche erkannt wird. Gerade weil dort aber immer mehr Minderjährige unterwegs sind, die solche Trends noch nicht einschätzen können, fordern Fachleute eindeutige Kennzeichnungen und höhere Altersgrenzen.

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