Ein neuer Podcast vom SWR Jugendsender DASDING beschäftigt sich mit einem der großen Gesprächsthemen der Familie: Opa, wie war das damals? Was hast du während der Nazizeit gemacht? Und stimmt das, was du erzählst? Denn: Erinnerungen seien immer auch trügerisch, sagt die Historikerin Dorothee Wierling in SWR2.
Familiengeschichten für das Geschichtsbild prägend
Familiengeschichten wirken länger nach als der Geschichtsunterricht in der Schule, sagt die Historikerin und Expertin für Oral History, Dorothee Wierling: „Familiengeschichten haben eine große Bedeutung, weil sie persönlich beglaubigt sind und weil sie in Geschichten erzählt werden, die oft wiederholt und gut erinnert werden. Familien, in denen Geschichte erzählt wird, haben eine sehr große Wirkung auf das, was man bei der jüngeren Generation ein Geschichtsbild nennt.“
Im DASDING-Podcast spricht SWR Redakteur Marco Artmann mit seinem Großvater nicht nur über dessen Erlebnisse, sondern er geht auch der Frage nach: Wie richtig ist das, was der Großvater erzählt und wie kann man das herausfinden?
Erinnerungen sollen „wahrhaftig“ sein
Oft stellt sich dabei die Frage, wie glaubhaft die persönliche Erinnerung nach Jahrzehnten ist. Wierling betont, man müsse unterscheiden zwischen „wahren Geschichten und wahrhaftigen Erzählern“: „Die Wahrheit können wir bei Leuten, die von persönlichen Erlebnissen erzählen, nicht beurteilen. Deswegen ist für mich als Historikerin viel wichtiger, dass die Leute wahrhaftig sind“, so Wierling.
Denn in wahrhaftigen Erzählungen hätten sich Verfälschungen bereits eingeschlichen. Das sei nicht zu vermeiden, sondern würde zeigen, wie das Verhältnis desjenigen zur Geschichte sei.
Eigene Recherchen wagen und Details überprüfen
Um zu überprüfen, wie wahr die Erinnerungen und die Geschichten der Familienmitglieder sind, empfiehlt Wierling, auf Ungereimtheiten zu achten, immer wieder nach Details zu fragen und auch mal selber nachzuforschen.
„Ich bin Wikipedia–Fan. Ich glaube, das ist ein Einstieg in Fragen, ob eine Geschichte in den Kontext passt. Auch Sachbücher sind gut zum Informieren.“ Das Wichtigste sei ihrer Meinung nach: Überhaupt erst mal die Neugierde und Forscherlust zu wecken.
Erinnerungskultur in Deutschland
Holocaust-Gedenken Michel Friedman fordert neue Erinnerungskultur: „Deutschland war lange ein Schweigeland“
In einer Zeit, in der immer mehr Zeitzeugen des Holocausts sterben, wirbt der Publizist Michel Friedman, selbst Kind von Shoa-Überlebenden, für ein neues Erinnern an das Grauen der NS-Zeit. Denn Deutschland sei „zu lange ein Schweigeland gewesen“, sagt Friedman im SWR2 Gespräch.
Gespräch Aleida Assmann über Antisemitismus und Erinnerung – Der Holocaust bleibt Zentrum der Erinnerungskultur
Die Erinnerung, die eine Gesellschaft mit sich trägt, ist nicht statisch, sondern ändert sich ständig. Deshalb muss sie immer wieder neu in Gesprächen verhandelt werden, sagt die Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann in SWR2.
Buchkritik Max Czollek - Gegenwartsbewältigung
Die einzige wirkliche Integrationsleistung der Bundesrepublik sei die Eingliederung von Nazitätern in die jungen demokratischen Strukturen nach 1945 gewesen. Diese These vertritt Max Czollek, der mit dem Kampfruf "Desintegriert Euch!" vor zwei Jahren gegen die Heuchelei des deutschen Selbstbilds wetterte. Auch in seinem neuen Essayband "Gegenwartsbewältigung", der sich fast tagesaktuell mit Corona, rechtem Terror, und der Erinnerungskultur beschäftigt, argumentiert Czollek polemisch, kompromisslos und messerscharf. Rezension von Phillip Kampert. Hanser Verlag ISBN 978-3-446-26772-5 208 Seiten 20 Euro
SWR Podcasts
Opa, lass reden – eine deutsche Geschichte
Marco findet, er hat den besten Opa von allen. Denn, wenn Marco seine Großeltern besucht, sitzen er und sein Großvater Jo auf der Terrasse in der Sonne und reden stundenlang. Und Jo erzählt Marco von früher: Wie es war, als in Berlin die Bomben gefallen sind, vom Hunger nach dem Krieg und wie er später als junger Mann aus der DDR geflüchtet ist.