Stefan Hördler ist der zentrale Erzähler in der ARD-Doku „Karriere im KZ“ und war Gutachter im Gerichtsprozess gegen die heute 99-jährige ehemalige Sekretärin des KZ Stutthof. Trotz des hohen Alters der Täterinnen und Täter seien solche Prozesse wichtig, sagt Hördler in SWR Kultur. Denn sie zeigten, wie groß die „Zustimmungs-Diktatur“ der breiten Bevölkerung im Dritten Reich gewesen sei.
Karriere im Konzentrationslager
Anhand eines SS-Fotoalbums zeigt Stefan Hördler in der Doku „Karriere im KZ“ mitteldeutsche Männerbünde auf, deren Mitglieder direkt nach Hitlers Machtergreifung in Konzentrationslagern tätig waren. Die meisten von ihnen stiegen später in hohe Ränge auf, wurden beispielsweise Lagerkommandanten.
ARD Mediathek - Zur Doku: Karriere im KZ – Vom Bauernsohn zum NS-Verbrecher
Hördler, der an den Universitäten Göttingen und Huddersfield lehrt, erforscht seit Jahren Täterbiographien der SS-Zeit und hat Tausende von Einzelfällen untersucht.
Lebende NS-Täter vor Gericht
Wegen seines Fachwissens wurde er auch zum Gutachter in Gerichtsprozessen gegen die letzten noch lebenden NS-Täter bestellt – etwa in dem gegen die heute 99-jährige ehemalige Sekretärin des KZ Stutthof.
Auch wenn die Täter inzwischen sehr alt sind, seien diese Verhandlungen wichtig, findet Hördler – denn sie zeigten, wie groß die „Zustimmungs-Diktatur“ der breiten Bevölkerung im Dritten Reich gewesen sei.
Anfang der 1940er Jahre sei nur noch ein kleiner Teil des KZ-Personals tatsächlich SS-Mitglied gewesen. Auch Beschäftige aus dem Öffentlichen Dienst hätten dort gearbeitet – und sie hätten ohne Folgen um eine Versetzung bitten können.
ARD Audiothek - Zum Podcast: NS-CLIQUEN Von Menschen und Mördern
Zum Urteil gegen die ehemalige KZ-Sekretärin
Radioreport Recht An der Schaltstelle von Leben und Tod – BGH urteilt über KZ-Sekretärin
„Von dem Moment an, in dem ich das Lager betrat, empfing mich der Geruch des Todes, der Geruch des Krematoriums, dessen Schornstein für alle sichtbar und dessen Gestank jede Nase ausgesetzt war. Jede Nase, auch die Nasen derjenigen, die sich in den Verwaltungsbüros befanden.“ Dieses Statement des Holocaust-Überlebenden Abraham Koryski verlas seine Anwältin in der Verhandlung vor dem BGH am 31. Juli. Dort ging es um den Fall von Irmgard F. Sie war Sekretärin im KZ Stutthof gewesen. Das Landgericht Itzehoe hatte sie deshalb 2022 wegen Beihilfe zum Mord in über 10.000 Fällen verurteilt. Dagegen hatte Irmgard F. Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt. Das Urteil, das am 20. August verkündet wird, wird vielleicht das letzte in einem KZ-Prozess in Deutschland sein. Und es entscheidet eine grundsätzliche Frage: War auch eine Sekretärin in einem KZ der Nazis Gehilfin beim tausendfachen Massenmord?
Radioreport Recht: Der vielleicht letzte NS-Prozess
Darf man eine Frau mit 99 Jahren noch vor Gericht anklagen? Aktuell verhandelt der Bundesgerichtshof, Deutschlands oberstes Strafgericht, über den Fall von Irmgard F., die 1943 mit 18 Jahren als Sekretärin in der Verwaltung des KZ Stutthof bei Danzig angeheuert hat. Es ist der vermutlich letzte Prozess gegen KZ-Mitarbeiter. In unserer Sendung kommt Rechtsanwalt Stefan Lode zu Wort, der viele KZ-Opfer in solchen Prozessen vertreten hat. Weil er dabei war, vermittelt er einen sehr lebendigen Eindruck von den Gerichtsverfahren der letzten Jahre gegen Wachmänner und sonstige Lager-Mitarbeiter.
NS-Verbrechen im Südwesten
Diskussion NS-Verbrechen vor Gericht – Die vergessenen Rastatter Prozesse
Kaum jemand weiß, dass es sie gab, dabei gehören die Rastatter Prozesse zu den größten alliierten NS-Prozessen nach dem Zweiten Weltkrieg. Während in Nürnberg die Nazi-Größen verurteilt wurden, standen in Rastatt die unbekannten Erfüllungsgehilfen in den südwestdeutschen Lagern vor Gericht. 75 Jahre nach der Eröffnung des Tribunal Général sind die Prozessakten weitgehend freigegeben und erinnern an ein vergessenes Kapitel deutsch-französischer Nachkriegsgeschichte. Gregor Papsch diskutiert mit
Prof. Dr. em. Rainer Hudemann – Historiker, Universität des Saarlandes und Sorbonne Université, Paris, Marlene Kottmann – Juristin, Universität Freiburg, Dr. Elisabeth Thalhofer – Leiterin der Bundesarchiv-Außenstelle Rastatt